Dr. Sebastian Zumdick: Es gibt mehrere Typen einer Depression

Interview mit Dr. Sebastian Zumdick
Dr. Sebastian Zumdick ist Psychologischer Psychotherapeut in der Fliedner Klinik Düsseldorf.  Mit ihm sprechen wir über Symptome einer Depression, Auftreten in Episoden sowie häufigeres Erkranken von Frauen.

Die Depression ist eine weit verbreitete psychische Krankheit. Als Hauptsymptom wird immer die Melancholie genannt, doch in den meisten Fällen treten bei Betroffenen noch zahlreiche anderen Symptome auf. Was sind die wichtigsten Symptome, die auf eine Depression hinweisen?

Dr. Sebastian Zumdick: Es sind die „negativen“ Gedanken wie Hoffnungslosigkeit, Selbstzweifel, Katastrophisieren und Grübeln, die das tägliche Denken beherrschen. Hauptsymptome sind eine mindestens über 14 Tage andauernde gedrückte Stimmung, Antriebsverlust und Verlust von Freude bei üblichen Aktivitäten. Hinzu kommen meist Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, verminderter Appetit mit Gewichtsverlust. 

Bei Betroffenen ist die Depression häufig nicht immer allgegenwärtig. Warum tritt die Krankheit oft in Episoden auf?

Dr. Sebastian Zumdick: Dazu muss man wissen, dass es mehrere Typen der Depression gibt. Die sogenannte rezidivierende depressive Erkrankung ist gekennzeichnet von klar umrissenen depressiven Episoden (5-6 Monate lang) mit den vorhin genannten Symptomen. Andere Typen der Depression bestehen aus einer einmaligen Episode mit vollständiger Genesung. Weitere Formen wiederum (Dysthymie) stellen sich durch länger anhaltende (mindestens 2 Jahre) Phasen mit niedrigerer Intensität der Symptome dar. Eine einfache Erklärung, warum welcher Typ vorhanden ist, gibt es nicht. Multimodale Erklärungsmodelle verbinden physiologische, genetische, Umweltfaktoren und individuell aufrechterhaltende Bedingungen.

Psychische Krankheiten sind mit dem Stigma behaftet, dass man diese nicht loswerden kann. Wie wird eine Depression diagnostiziert und behandelt? Ist die Krankheit wirklich unheilbar?

Dr. Sebastian Zumdick: Um eines vorwegzunehmen: Unheilbar ist die Krankheit auf keinen Fall. Diagnostiziert wird sie meist durch den Betroffenen selbst, seine Umwelt oder den Hausarzt. Eine Behandlung erfolgt dann mit Medikamenten, Psychotherapie in einer Tagesklinik oder auch mit stationärem Aufenthalt. Spätestens ab einer mittelgradigen depressiven Episode ist die Arbeitsfähigkeit meist nicht mehr gegeben. Als Ziele einer Behandlung formulieren wir das Nachlassen oder größere Zeitspannen von Symptomfreiheit (Remission) oder die vollständige Heilung mit mindesten 2 Monaten Abstand zur letzten Episode (Recovery). Nur 10-20% tragen das Risiko einer Chronifizierung –die Möglichkeiten zur Heilung sind mittlerweile also vielfältig.

Laut einer Studie werden 20% aller Frauen mindestens einmal an einer depressiven Episode leiden. Warum erkranken weltweit mehr Frauen an Depressionen als Männer?

Dr. Sebastian Zumdick: Das liegt zum einen an der höheren Bereitschaft, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir identifizieren Männer immer noch als „Gesundheitsmuffel“, die bis zum Letzten oder bis zu psychosomatischen Beschwerden warten. Zum anderen sind Frauen oft in soziodemographisch ungünstigeren Verhältnissen (Doppelbelastung, finanzieller Status). Die Geschlechtsunterschiede sind in Jugend und jungen Erwachsenenalter größer, werden dann wieder geringer bleiben aber über die gesamte Lebensphase vorhanden.

Die Entstehung der Krankheit ist immer noch wenig erforscht. Oftmals wird die Arbeit genannt, die zu einer Depression führt. Doch wie kommt es zu einer depressiven Phase und welche Auswirkung hat die Arbeit auf die Entstehung einer Depression?

Dr. Sebastian Zumdick: Arbeit kann zunächst einen protektiven Einfluss haben (finanzieller Status, Tagestruktur, Selbstwert), bei einer Überbelastung doch auch zum „Malus“ werden. Arbeit kann generell als Stressor genannt werden. Wir kennen alle die physikalischen Belastungen wie Lärm, kognitive Anforderungen, Erreichbarkeit, doch auch die psychologischen Gefahren etwa die Sorge um den sozialen Status oder die fehlende Anerkennung von Leistungen gehören dazu – der Selbstwert leidet. Bei Überbelastungen werden als erstes Ressourcen (Hobbies, Sport, soziale Kontakte) vernachlässigt, was wiederum zu immer geringer werdender Lebensqualität oder Energie führt. Dennoch: die individuelle Disposition und Resilienz führen schließlich erst zu einer depressiven Dekompensation; nicht jede berufliche Situation wird von jedem gleich wahrgenommen.

Vor allem für Arbeitgeber sind träge und unmotivierte Mitarbeiter hinderlich. Wie können diese mit einer Depressionsdiagnose eines Mitarbeiters im eigenen Unternehmen umgehen?

Dr. Sebastian Zumdick: Im Prinzip ist niemand gerne depressiv: träge und unmotiviert beschreibt nur die Außensicht auf den erkrankten Menschen. Die Innensicht wird meist ebenso als quälend und lähmend erlebt. Was braucht der Mitarbeiter an guter Rücksichtnahme und Entgegenkommen und wo braucht er klare Anforderungen. In einem Gespräch könnte man versuchen, herauszukriegen, welche externen Bedingungen (und hier besonders die Arbeitsbedingungen) und welche inneren Bedingungen zur Erkrankung beitragen. Und welche sich wodurch verändern lassen. Generell ist die Hinzunahme von sozialen Ansprechpartnern sinnvoll. Weiterhin ist es wichtig, die Mitarbeiter im Sinne der Gesundheitsfürsorge zu schulen und Stresszeichen zu erkennen, die evtl. zu einer depressiven Erkrankung führen können. Je früher dann agiert werden kann, desto besser. 

Herr Dr. Zumdick, vielen Dank für das Gespräch!

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