Mental Coaching – Glaubenssätze bewusst ändern

Interview mit Natalie Wintermantel
Wir sprechen heute mit Natalie Wintermantel, Coach, Diplom-Psychologin und Autorin in Frankfurt, über Mental Coaching. Durch sie gewinnen wir Einblicke ins Mental Coaching, erfahren, worauf es bei der Beratung der Klienten ankommt und vieles mehr.

Können Sie uns Beispiele geben, wie Sie einen Kunden dabei unterstützt haben, seine Ängste zu überwinden?

Hier denke ich an einen Menschen, der sich davor fürchtete, Frauen anzusprechen, um sie näher kennenlernen zu können. Er war schon länger allein und sehnte sich nach einer festen Beziehung. Wir probierten zusammen diverse „Strategien“ aus: Er durfte beispielsweise am Speed-Dating teilnehmen, bei dem er viel üben konnte, zum Beispiel dem fremden Gegenüber ins Gesicht bzw. in die Augen zu schauen, da alle 7 Minuten eine andere Dame vor ihm saß. Er war in diesem Kontext sozusagen gezwungen, mit den Damen zu interagieren, ohne, dass er erstmal dafür sorgen musste, dass die Damen vor ihm saßen. Sie waren ja auch freiwillig zum Speed-Dating gekommen.

Der Klient „übte“ im Alltag weiter: Beim Bezahlen an der Tankstellen-Kasse versuchte er, der Dame ein bisschen länger als üblich in die Augen zu schauen. Beim Bezahlen an der Supermarkt-Kasse begann er einen Small-Talk mit der Kassiererin über das aktuelle Wetter, die stets steigenden Preise, etc. Beim Spazierengehen fragte er Frauen nach dem Weg oder nach der Uhrzeit oder erkundigte sich nach einem guten Restaurant in der Nähe.

Warum eignen sich die o. g. Situationen besonders gut dazu, zu üben? Weil die Damen mit ihrer Arbeit beschäftigt und deswegen eher locker drauf sind und der Klient sich besser fühlt, da dies keine konkreten Dating-Situationen sind und der Druck, etwas grundlegend falsch zu machen, sich zu blamieren oder direkt zurückgewiesen zu werden, erstmal nicht so stark ausgeprägt ist. 

Je öfter ein Mensch sich in die angstmachende Situation begibt, desto „vertrauter“ wird sie mit der Zeit und desto „schwächer“ die Angst. Sich der Angst immer wieder zu stellen führt dazu, dass man gelassener mit ihr umgehen wird. Beim ersten Mal muss man aus der Komfortzone heraus gehen. Das macht den meisten Menschen Angst. Unabhängig davon, um welche Situation es sich handelt: Das erste Mal einen Menschen anzusprechen, der einem selbst gut gefällt, das erste Mal ein Video aufzunehmen für den Social Media Kanal oder das erste Mal ein TV-Interview  zu geben. Je nach Persönlichkeit variiert der Angst-Level. Angst hat nämlich auch eine wichtige Funktion: u. a. für den Adrenalinkick zu sorgen!

Wichtig ist, in die Handlung zu kommen, raus zu gehen und Menschen direkt anzusprechen, zu üben und zu trainieren. Wenn man bloß darüber nachdenkt, dass man ja zu schüchtern ist und deswegen niemanden kennenlernen kann, wird es nie was daraus werden. Über ein Problem nachzudenken ist der 1. Schritt in die richtige Richtung. Der 2. Schritt ist immer das Tun!

Wie gehen Sie bei der Identifikation von limitierenden Überzeugungen vor?

Ich höre sehr genau zu… Wie spricht die Klientin bzw. der Klient? Welche konkreten Überzeugungen hindern sie/ihn daran, das Gewünschte zu erreichen. Beispiele – Wenn solche Wörter oft fallen: „niemals“, „alle“, „niemand“ und „nirgendwo“ werde ich hellhörig. Wenn eine Frau schon lange unglücklich als Single ist, dann sagt sie u. U. Sätze in der Art: „Alle Männer sind Schweine…“  Mit dieser inneren Überzeugung gibt sich diese Frau noch nicht mal eine klitzekleine Chance, mit einem „normalen“ Mann eine Beziehung aufzubauen und zu gestalten. Also, geht es im Prinzip erstmal darum, zu verdeutlichen, dass nicht ALLE Männer gewalttätig, untreu, faul, etc. sind. Dass es Variationen im realen Leben gibt. 

Es gilt für die Klientin zu lernen, auf die eigene Kommunikation zu achten und mehr folgender Worte zu verwenden: „einige“, „manchmal“, „nur einige Männer sind manchmal untreu, unehrlich und beziehungsunfähig, nicht ALLE“ und so weiter…

Inwieweit spielt Empathie in Ihrer Arbeit als Mental Coach eine Rolle?

Bei meiner Arbeit spielt Empathie eine ausschlaggebende Rolle: Als Coach sollte man bereit und fähig sein, sich in die Lage anderer Menschen hineinzuversetzen, um ihre Gefühle und Gedanken nachvollziehen zu können. Dadurch versteht man auch die Motive für die entsprechenden Handlungen der Klientin/des Klienten besser und kann sich gezielt darauf einstellen. Coaching-Arbeit mit mangelnder Empathie-Fähigkeit seitens des Coachs wird sich in den seltensten Fällen als effektiv erweisen. Im Gegensatz dazu wird die Zusammenarbeit beim Coaching zielführend sein, wenn das Einfühlungsvermögen, das Mitgefühl und die Sensitivität des Coachs gut ausgeprägt sind: Wie geht es dem Klienten wirklich? Über die Mimik, Stimme, Gestik und Emotionen kann man auch als Coach viele zusätzliche Informationen wahrnehmen… Der Klientin gegenüber Verständnis zeigen, warum geht es ihr so? Welche Ursachen führten zu der Situation, in der die Klientin jetzt ist? „Empathie“ ist DAS Werkzeug eines professionellen Coachs, weil diese Fähigkeit u. a. auch dafür sorgt, wie man auf die Emotionen der anderen Person reagiert: Mit Mitgefühl, Annahme und Rücksicht? Oder wie?

Wir Menschen sind alle unterschiedlich und das ist gut so! Unsere Herkunft, Kultur und unsere Persönlichkeitseigenschaften unterscheiden sich. Umso wichtiger ist es für einen Coach, sich leicht auf unterschiedliche Menschen einstellen zu können.

Es ist allerdings genauso wichtig für einen Coach, sich nach getaner Arbeit abgrenzen zu können von den Problemen der Klienten. Sonst fühlt sich der Coach selbst eines Tages energielos und „ausgebrannt“. Ein professionell arbeitender Coach passt ebenso gut auf seine eigenen Wünsche, Befindlichkeiten und Bedürfnisse jederzeit auf.

Wie bereiten Sie einen Kunden auf eine Herausforderung oder Prüfung vor?

Meistens, indem ich versuche, den Klienten/die Klientin entweder zu motivieren oder zu beruhigen: Beispielsweise vor einem wichtigen Beurteilungs-Gespräch mit dem Chef sollte der Klient öfters daran denken, dass der Chef auch nur ein Mensch ist und lediglich seine persönliche Meinung zu einem bestimmten Thema kundtut. 

Vor großen Herausforderungen kann sich der Klient/die Klientin beispielsweise die Endlichkeit des Lebens vor Augen führen: Das Leben ist zu kurz!!! Deswegen sollte man seine Ziele und Wünsche verfolgen.  Wovor habe ich Angst?! Wie werde ich mich fühlen, wenn ich mich dieser Angst stelle und sie überwinde? Wie stolz werde ich auf mich selbst sein, wenn ich dieses Ziel erreiche? Wenn ich das jetzt nicht tue, werde ich es bereuen? Wenn „ja“, dann nichts wie ran an das TUN.

Wie integrieren Sie Meditation und Atemübungen in Ihre Mental-Coaching-Sitzungen?

Der moderne Arbeitsalltag ist überwiegend leistungsorientiert… Da bleibt oft sehr wenig Zeit für sich selbst. Man fühlt sich oft erschöpft. Da helfen auf jeden Fall Momente der Ruhe, die man u. a. auch für die Meditationen nutzen kann. Atemübungen sind auch hervorragend zur Meditation geeignet, weil man sie unendlich lange wiederholen kann. 

Im Coaching selbst erzähle ich den Klienten von den positiven Nebeneffekten einer Meditation und empfehle ihnen auch die Durchführung dieser… Neben der Entspannung, die sich nach der Meditation einstellt, während man die eigenen Gedanken „beobachtet“, ohne sie festzuhalten oder zu bewerten, geht es vor allem darum, die Grübeleien zu unterbrechen, einen gewissen Abstand zu belastenden Situationen zu gewinnen und gelassener zu werden. Auch gebe ich Literatur-Empfehlungen zum Thema „Die Kunst des richtigen Atmens“ an die Klienten weiter.

Wie arbeiten Sie an der Förderung eines positiven Mindsets bei Ihrem Kunden?

In der Meditation „beobachtet“ man seine Gedanken, um dann zu versuchen, im nächsten Schritt voller Bewusstsein die negativen Gedanken in positive oder zumindest neutrale „zu verwandeln“. Dies kann tatsächlich sehr hilfreich sein bei Menschen, die aus Gewohnheit „negativ“ denken, weil sie das zum Beispiel schon immer so gemacht haben… Und jetzt aber etwas daran ändern möchten. Es gibt Übungen hierzu, die ich gern im Coaching anwende, um die Thematik zu verdeutlichen.

Einige Menschen haben auch Schwierigkeiten damit, ihre eigenen Stärken aufzuzählen oder Lebens-Situationen zu benennen, in denen sie besonders stolz auf sich selbst waren. Dabei helfe ich ihnen gern, indem ich viele tiefergehende Fragen stelle, die sehr individuell auf die Situation des Klienten zugeschnitten sind. Auch hier gibt es wieder Übungen und Tests, die die Stärken des Klienten sichtbar machen. 

Auch helfe ich meinen Klienten oft dabei, gesunde Selbstliebe zu entwickeln. Wenn man sich selbst gut kennt – sowohl die eigenen Vorzüge als auch die weniger liebenswerten Seiten – und sich dennoch annehmen kann, ist man klar im Vorteil. Dann fällt es leichter, wenn notwendig, Grenzen zu setzen.

Des Weiteren ermutige ich die Menschen, die zu mir ins Coaching kommen, dazu, sich mehr auf das Gute zu fokussieren, darauf, was in ihrem Leben gut funktioniert, auf das Positive, was das Leben leichter macht. Dankbarkeit spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Rolle. Dankbare Menschen sind glücklicher! Weil sie nichts in ihrem Leben als selbstverständlich betrachten. Sie erfreuen sich an ihren Partnern, Kindern, Haustieren, Hobbies, Freunden und sogar an ihren Verpflichtungen. In jeder noch so schlimmen Lebenslage gibt es Menschen in unserem Umfeld, für die wir dankbar sein können, weil sie uns zuhören, uns umarmen, uns ihre Aufmerksamkeit und Zeit schenken, uns unterstützen, an uns glauben, uns motivieren und uns ein Lächeln schenken. Wenn wir uns das bewusst machen, dann öffnet sich der Blick auf das Gute in der Welt wieder ein Stück weit…

Auch stelle ich manchmal folgende Fragen an den Klient/die Klientin: 

Woran glauben Sie?  

Welche Ihrer Glaubenssätze sind Ihnen im Leben hilfreich und welche hindern Sie stattdessen beim Erreichen Ihrer  gewünschten Ziele?

Wie wirken sich Ihre Überzeugungen auf Ihre gesamte Existenz aus?

Glauben Sie daran, dass Sie das Gewünschte tatsächlich erreichen, wenn Sie Ihre Glaubenssätze verändern würden?

Wir Menschen treffen unsere Entscheidungen aufgrund unserer Glaubenssätze. Von den in uns „abgespeicherten“ Glaubenssätzen hängt im Grunde unser ganzer Lebenslauf ab. Die Macht dieser unbewusst wirkenden Meinungen zu bestimmten Themen darf nicht unterschätzt werden… Im Grunde hat jeder Mensch bestimmte Lebensregeln, an die er sich unbewusst stets hält.

Die Kraft der Glaubenssätze ist enorm, weil bei der Analyse von bestimmten Situationen rasche Entscheidungen im Geiste getroffen werden, die ja dann wiederum Auswirkungen auf das weitere Geschehen haben.

Die Glaubenssätze bilden sich aufgrund der Analyse der in der Vergangenheit erlebten Ereignisse heraus. Das heißt, dass wir aktuelle Situationen nicht anhand der jetzt vorhandenen Tatsachen bewerten, sondern aus unserer in der Vergangenheit gemachten Erfahrung und der daraus gebildeten Meinung darüber. Jetzt können Sie erkennen, wie einflussreich unsere Glaubenssätze sind: Sie „erleichtern“ in vielen Situationen die Entscheidungsfindung, jedoch „behindern“ sie uns ebenso in anderen Situationen enorm.

Die eigenen Glaubenssätze näher zu betrachten und sie bewusst zu verändern, ist möglich! Bei näherer Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema wird den Menschen deutlich, dass die Dinge nicht immer auf die gleiche Art und Weise ablaufen. Der Klient könnte versuchen, seine Situation aus einer gewissen Distanz heraus zu betrachten. Er kann zusätzlich zum Coaching Bücher lesen zum Thema „positives Mindset“ und „Persönlichkeitsentwicklung“ und sich zum Beispiel mit erfolgreichen Menschen auseinandersetzen, die bereits dort sind, wo er sein möchte, Sie nach ihren Glaubenssätzen fragen, etc.

Frau Wintermantel, vielen Dank für das Interview.

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Natalie Wintermantel

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