Mental Coaching – Neuausrichtung der Gedanken

Interview mit Nathalie Vitorino Da Silva
Wir sprechen heute mit Nathalie Vitorino Da Silva, Mental Coachin in Hamburg, über Mental Coaching. Es ist nämlich eine Kunst für sich, erfordert sehr viel Empathie und Fingerspitzengefühl für die Klienten. Zudem ist jedes Coaching ganz individuell auf die Persönlichkeit, Wünsche, Bedürfnisse und Ziele des Klienten / der Klientin abgeschnitten. Frau Vitorino Da Silva erklärt uns ganz genau, wieso.

Können Sie uns Beispiele geben, wie Sie einen Kunden dabei unterstützt haben, seine Ängste zu überwinden?

Vor vielen Jahren berichtete mir eine Kundin von ihrer Flugangst. Sie musste nach Amerika fliegen und hatte damals starke Tabletten genommen, die viele Nebenwirkungen hatten. Sie wollte gerne ohne Tabletten fliegen können und es schaffen, auf eine natürliche Art und Weise damit umzugehen. Das Mental-Coaching war dabei sehr erfolgreich, weil sie danach spürte, dass sie die lange Strecke nach Amerika ganz ohne Tabletten fliegen konnte. Als Coach stelle ich keine Diagnosen oder behandle keine Ängste oder Panikattacken auf klassische, psychologische Art und Weise, dafür gibt es Psychologen und Therapeuten. Ich begleite nach den klassischen Ethikrichtlinien für Coaching sehr praktisch, handlungsorientiert und zielfokussiert. Bei mir muss niemand schmerzhaftes aus der Kindheit erzählen, um Erleichterung zu finden, denn Lösungswege gehen sich durch Coaching oft viel sanfter und schneller. Die Klientin wollte daher sehr gern ihr Problem noch einmal angehen, da sie es damals bereits mit ihrer Therapeutin besprochen hatte, aber sich immer noch unwohl fühlte. Wir haben die Gedanken in dieser unangenehmen Situation im Flugzeug genau analysiert und erkannt, wo sie was genau tat und dachte. Wir haben das dann als Startpunkt genommen, um die Klientin in die Lage zu bringen, andere sinnvolle Maßnahmen in dieser Situation zu ergreifen. Dann wurden die geeigneten Entspannungsmethoden ausgewählt, um das Ganze so zu transformieren, dass es bestenfalls erst gar nicht zu irgendwelchen Ängsten kommen würde. Das Coaching war sehr erfolgreich und die Klientin kann immer noch entspannt fliegen.

Ich engagiere mich in meiner Freizeit auch gerne ehrenamtlich. So habe ich im letzten Jahr diverse kostenlose Online-Sitzungen für Menschen angeboten, die vom Krieg in der Ukraine betroffen sind, wie z.B. auch Flüchtlinge aus der Ukraine. Viele Flüchtlinge haben eine Vielzahl von Stresssituationen erlebt und durchleben auch nach der Flucht belastende Umstände. Viele machen sich Sorgen und können kaum abschalten und entspannen. Manchmal fällt es ihnen schwer, sich in einem fremden Land einzuleben und nicht mehr bei ihren Freunden oder in der ihnen vertrauten Umgebung zu sein. Ich konnte vielen Flüchtlingen bereits helfen, Stress abzubauen, die kraftzehrenden Gedanken zu beruhigen und mehr innere Ruhe und Gelassenheit in der neuen Situation zu finden. Die Methoden, die ich anwende, sind sehr sanft und können Entspannung, inneres Wohlbefinden und Resilienz fördern. Sie können im Liegen oder in einer entspannten Körperhaltung ausgeführt werden und wirken auf das angespannte Nervensystem sehr entlastend. Natürlich gebe ich keine Garantien oder verspreche ein bestimmtes Ergebnis, da jeder Mensch ganz einzigartig ist und einzigartig reagiert. Bisher sind die Ergebnisse durchgehend sehr vielversprechend. Im Coaching wird oft auch inhaltsfrei gearbeitet, um Traumata nicht zu aktivieren. Es handelt sich eher um eine Art geführte Entspannungsübung, während ich tiefergehende Fragen stelle. Diese Fragen stärken die Resilienz (die innere Widerstandskraft) und wirken ähnlich wie Hypnosystemisches-Coaching, was am Ende dabei hilft, die Wahlfreiheit zu erhöhen. Selbstverständlich sind diese Coaching-Sitzungen kein Ersatz für eine Therapie oder medizinische Behandlung. Die Flüchtlinge, die schnell Hilfe brauchen, erfahren aber leider, wie lang die Wartelisten für eine Therapie in der Regel sind (2-3 Jahre). Die bisher angewandten Coaching-Methoden konnten dazu beitragen, Menschen zu entspannen, die Wartezeit für diejenigen, die eine Therapie benötigen, angenehmer zu gestalten und so die Zeit gut für sich zu nutzen.

Wie gehen Sie bei der Identifikation von limitierenden Überzeugungen vor?

Erstmal muss verstanden werden, ob der Klient sich seiner limitierenden Glaubenssätze bewusst ist oder nicht. Wenn er sich derer nicht bewusst ist, dann gibt es Methoden, die helfen, sich vom Unterbewusstsein her limitierender Glaubenssätze bewusst werden zu können. Diese Methoden, die in tiefen Entspannungszuständen durchgeführt werden, sind sehr erholsam und energiespendend. Hierbei kann oft von der Wurzel her die jeweilige Problematik behoben werden. Das liegt oft daran, dass man nur in einem entspannten Zustand zu unterbewussten Prozessen Zugang finden kann und sich auch seiner inneren Weisheit bewusstwird. Oft geht es am Anfang einer Coaching-Sitzung nicht um die limitierenden Glaubenssätze, sondern meistens um ein Ziel, was man gerne erreichen würde. Klienten wundern sich, warum sie ein Ziel, dass sie sich gesteckt haben, nicht erreichen, obwohl sie es sich fest vorgenommen haben. In solchen Fällen wird mit Mentalcoaching-Techniken gearbeitet. Wenn man den Glaubenssatz hat, „Ich bin hässlich und nicht liebenswert oder zu dick“ und deswegen isst man eventuell aus Frustration zu viel Schokolade, dazu kann ich folgendes Beispiel geben: Die Klientin möchte gerne aufhören, Schokolade zu essen. Obwohl sie weiß, zu viel Schokolade schadet der Gesundheit und führt zu Fettleibigkeit, isst sie eine ganze Tafel Schokolade, ohne es zu merken. Das passiert, weil ein unterbewusster Teil im inneren dafür sorgt. Auf kognitiver Ebene wird zwar gewusst, dass etwas nicht gut für uns ist, aber etwas in uns sorgt für das unerwünschte Verhalten. Genau da setzt Mental-Coaching an. Inneres Konfliktmanagement und die gewaltfreie Kommunikation (GfK) sind nicht nur hilfreich im Zwischenmenschlichen, sondern auch im inneren Konfliktbereich. Jeder kennt bestimmt sein inneres Teufelchen oder Engelchen und man kann mit beiden in ein Gespräch kommen. Wenn man lernt, auf die richtige Art und Weise zuzuhören, können beide Teile, anstatt miteinander zu kämpfen, in Frieden kommen und man hat wieder mehr Energie zur Verfügung. Ich nutze zudem Methoden aus dem systemischen Coaching, stelle ein inneres Kraft-Team auf oder mache generatives Coaching. Außerdem hat sich die Hypnosystemische Kompetenzentfaltung nach Gunter Schmidt gut bewährt.

Inwieweit spielt Empathie in Ihrer Arbeit als Mental Coach eine Rolle?

Für mich ist Empathie eines der wichtigsten Grundlagen in der Kommunikation. Nicht nur im Coaching ist es essenziell, sondern auch zwischenmenschlich. Jeder Mensch weiß, wie schön es ist, zutiefst gehört und verstanden zu werden, nur leider erfahren viele Menschen das ziemlich selten von anderen. Daher holen sich viele Klienten die Empathie durch das Coaching, weil richtig gehört und verstanden zu werden einfach guttut. Empathie zu geben muss erlernt werden, denn nicht jeder versteht was „Empathie geben“ wirklich bedeutet. Es geht über das alleinige „aktive Zuhören“ hinaus. Richtig angewandte Empathie schafft Offenheit im inneren System, Entspannung, fördert Vertrauen, löst Blockaden und öffnet letztendlich die Augen für neue Wege zur Zielerreichung. Das Arbeitsklima wäre komplett anders, wenn jeder Mitarbeiter echte Empathie beherrschen würde.

Wie bereiten Sie einen Kunden auf eine Herausforderung oder Prüfung vor?

Eines der wichtigsten Punkte beim Mental-Coaching ist, zunächst festzustellen, was die genaue Herausforderung mit der jeweiligen Problematik ist. Es wird eine Art Anamnese gemacht, was man sich als Endergebnis wünscht und auch was genau davon abhält, dieses zu erreichen: Ist es, dass man den Lernstoff vergisst oder die vermutete Blamage peinliche Fehler zu machen? Ist es ein Autoritätskonflikt, vielleicht eine Kombination von allem oder etwas ganz anderes? Die Herausforderung der Vorbereitung auf die Prüfung liegt darin, detektivisch vorzugehen und den entsprechenden belastenden Auslöser aufzudecken. Dann wähle ich die geeigneten „Coaching-Tools“ aus, um das zu transformieren. Es gibt womöglich 100 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten an Methoden, die Lösung versprechend kombiniert werden können. Die meisten Ursachen unserer Probleme sind mit den unterbewussten Verhaltensmustern verknüpft. Es ist meiner Erfahrung nach, daher wesentlich, in tiefen Entspannungszuständen das Coaching durchzuführen, damit auch alle unterbewussten Anteile mit einbezogen werden können. Dann wird erkannt, mit welchem Verhalten oder welchen Gedanken man sich selbst einen Strich durch die Rechnung macht und sich selbst sabotiert. Möchte man sich zum Beispiel gerne kompetent, stark und souverän präsentieren, kann erfahren werden, wie man diese Werte im Inneren stärkt und zudem noch die inneren Aspekte transformiert, die dazu beitragen, gegen sich selbst anzukämpfen.

Wie integrieren Sie Meditation und Atemübungen in Ihre Mental-Coaching-Sitzungen?

Als Yogalehrerin mache ich sehr gerne achtsamkeitsbasierende Meditationstechniken, Atemübungen und Yogaübungen sowie muskelentspannende Bürostuhl-Techniken, um wieder in die innere Mitte zu kommen. Diese Methoden können zwischendurch mit ins Coaching integriert werden, am Ende oder gerne am Anfang einer Einheit und sind auch via Online-Meeting möglich. Was ich auch sehr gerne mache, ist das Waldbaden, wo sich Atemübungen und Meditation besonders anbieten, um den Kopf freizubekommen und aufzutanken. Das Waldbaden findet im Wald oder in der Natur statt, da man dort am besten Atemübungen machen kann. 

Ein anderes Angebot ist auch das flexible Waldbaden, wo der Coach und der Coachee jeweils über Handy verbunden sind. Jeder befindet sich in seinem jeweiligen Naturgebiet, in einem Wald oder Park. So kann der Klient flexibel mobil angeleitet werden, was ihm hilft, wieder mit sich in der Natur in Kontakt zu kommen. Man findet so zu sich selbst und fühlt sich wieder balanciert und ausgeglichen. Beim Waldbaden können verbrauchte Energien sehr schnell erneuert werden.

Wie arbeiten Sie an der Förderung eines positiven Mindsets bei Ihrem Kunden?

Ein positives Mindset kann durch verschiedene Methoden, wie Resilienz-Coaching, z.B. das Ressourcenmodell, gefördert werden. Die am meisten bekannte Methode ist wohl die der „positiven Affirmation“. Meiner Erfahrung nach können die positiven Affirmationen nur begrenzt wirksam werden, weil uns das Unterbewusstsein boykottieren kann. Klienten sagen sich dann zwar die positive Affirmation, um ein positives Mindset entwickeln zu können, erwischen sich dann aber dabei, dennoch in alte Verhaltensmuster zu fallen. Wenn diese Hindernisse beim Coaching mit integriert werden, kann ein positives Mindset sehr gut gefördert werden. Gleichzeitig werden dabei diese begrenzende Muster integriert, die dem Klienten vielleicht vorher überhaupt nicht bewusst waren. Muster, die ihn in ein negatives Mindset hineinzogen oder davon abgehalten haben, ein durchgehend positives Mindset leben zu können. Auch in diesem Fall wird Coaching am liebsten in Entspannung durchgeführt, damit das erwünschte positive Mindset sich tief mit dem Unterbewusstsein verknüpfen kann. 

Warum ist das so wichtig? 

Wir alle kennen das: Obwohl man voller Energie und mit einem positiven Mindset in den Tag startet, kann ganz plötzlich die Stimmung kippen. Meist geschieht das durch Auslöser von außen, wie störendes Verhalten von anderen, das mit den eigenen Werten nicht konform geht.

Wie können wir also diesen Krafträubern entgegenwirken?

Indem wir lernen, die eigenen Kraftquellen und das positive Mindset besonders in Stresssituationen durchgehend zu erhalten und die richtigen Kommunikationsmethoden erlernen, um uns für unser Anliegen und unsere Werte einzusetzen. Wie positiv unser Mindset wirklich ist, das zeigt sich dann in den schwierigen Situationen im Leben: Im Stress beim Arbeitsplatz, mit dem Partner, der Familie oder mit dem Nachbarn. Auch Prüfungsangst oder unerfreuliche Begegnungen, die uns bevorstehen. Ein Todesfall oder wenn vieles schief läuft, Gegenstände kaputt gehen oder nicht funktionieren. Das alles erzeugt viele Emotionen und entzieht uns unsere Kraft. Die niemals zu enden scheinende „To-Do-Listen“ und unzählige Termine und Erledigungen lassen das Gedankenkarussell im Kopf nie still werden. Viele meiner Top-Führungskräfte, die ich bisher gecoacht habe, kennen das nur zu gut, aber reagieren oft allergisch auf Meditation. In so einem Fall hilft der Hypnosystemische Ansatz beziehungsweise genau die Methoden, die im Liegen ausgeführt werden, um den Kopf endlich abschalten lassen zu können. Wie man Wichtiges nach Dringlichkeit priorisiert, braucht man Führungskräften nicht beizubringen. Führungskräfte empfehle ich eher zu lernen, sich Gutes zu tun, Pausen zu machen und durch Achtsamkeitsübungen und Atmung sich effizienter zu fokussieren. Auch die Arbeit mit dem Unterbewusstsein kann die Verbindung zu solchen Ressourcen und der inneren Weisheit stärken und so können Führungskräfte lernen, besser auf ihr Bauchgefühl zu hören. Nur warum kennen Menschen ihre Ressourcen gut und nutzen diese aber in ihrem Leben viel zu selten? Da lohnt sich wieder ein Blick hinter die Kulissen. „Welche inneren Boykotteure und Saboteure halten mich davon ab, mir Gutes zu tun?“ In jeder schwierigen Lebenssituation einen Senior-Coach an seiner Seite zu wissen, trägt dazu bei, sich resilient zu fühlen und ein positives Mindset zu erhalten. Ich unterstütze dabei mit diversen Methoden, die zur Auswahl stehen, um das passende für jeden und deren spezielle Herausforderung zu finden, um dort Erleichterung zu schaffen.

Frau Vitorino Da Silva, vielen Dank für das Interview.

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Nathalie Vitorino Da Silva

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