Mental Coaching – „Nur“ eine andere Form der Psychotherapie?

Interview mit Nadja Hirsch
Ein positives Mindset ist in vielerlei Hinsicht von essenzieller Bedeutung. Nicht nur im Beruf oder beim Profisport, sondern auch im Alltag kann es zu erheblichen Veränderungen führen. Nicht umsonst setzen sich immer mehr Menschen mit diesem Thema auseinander. Auch immer mehr Coachings in diesem Bereich werden von Profis angeboten. Mental Coaching geht dabei oft mit Psychotherapie einher, obwohl da doch ein Unterschied besteht. So kann auch Nadja Hirsch beide Kompetenzen aufweisen. Als Diplompsychologin, Mental Coach und Geschäftsführerin der coachoo GmbH in München hilft sie ihren Klienten nicht nur dabei, etwaige Ängste zu überwinden oder Alternativverhalten aufzubauen, sondern kann auch in Absprache mit den Klienten zur Intervention wechseln und Inhalte der Psychotherapie nutzen, um an die Probleme und Herausforderungen der Klienten zu arbeiten. Mit ihr sprechen wir heute über limitierte Überzeugungen, Meditation, positives Mindset und vieles mehr.

Können Sie uns Beispiele geben, wie Sie einen Kunden dabei unterstützt haben, seine Ängste zu überwinden?

Die jeweilige Unterstützung hängt natürlich davon ab, wie die beängstigende Situation aussieht. Das kann eine sehr spezifische Angst sein, zum Beispiel das Sprechen oder Präsentieren vor großen Gruppen, oder aber auch allgemeinere Ängste, wie ein Jobverlust oder der Umgang mit Konflikten. Wichtig ist es, auf verschiedenen Ebenen anzusetzen: Einerseits geht es um eine kognitive Umstrukturierung sowie um einen konstruktiven Umgang mit den verbundenen Emotionen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, neues Verhalten auszuprobieren und ein Alternativverhalten aufzubauen. Hierbei ist vor allem das Visualisieren von schwierigen Situationen extrem hilfreich. Da ich Diplompsychologin bin und die Erlaubnis zur Psychotherapie habe, bietet sich die Möglichkeit, neben dem Coaching auch Elemente aus dem therapeutischen Kontext zu nutzen. In Absprache mit meinen KlientInnen wechseln wir unter Umständen aus dem reinen Prozess hin zu Interventionen.

Wie gehen Sie bei der Identifikation von limitierenden Überzeugungen vor?

Die meisten KlientInnen haben eine grobe Vorstellung, welche limitierten Einstellungen sie blockieren. Das bildet oft die Ausgangsbasis. 

Während des Coachingprozesses kommt es aber fast immer dazu, dass wir neue, weitergehende Denkmuster identifizieren. Diese wirken zumeist grundsätzlicher in weiteren Lebenssituationen und stehen hierarchisch oft oberhalb. Das heißt, die KlientInnen nehmen oft limitierende Überzeugungen wahr, da diese mehr oder weniger offensichtlich sind und sehen diesen dann als zentrale Blockaden an. Oft liegt aber ein viel generelles Muster dem Ganzen zugrunde. Um diese herauszuarbeiten, spielen die Erfahrung und auch das analytische Verständnis des Coaches eine große Rolle.

Inwieweit spielt Empathie in Ihrer Arbeit als Mental Coach eine Rolle?

Empathie ist meines Erachtens bei jeder zwischenmenschlichen Beziehung zentral. Beim Coaching hilft sie vor allem dabei, die Stimmigkeit und Konsistenz während des Prozesses zu spüren und aufrecht zu erhalten. Empathie hilft dabei, das Anliegen des Coachees zu Beginn zu verstehen und dadurch die richtigen Impulse zu geben. Für das Gelingen eines Coachings ist es aber am wichtigsten, dass die “Chemie” zwischen Coachee und Coach stimmt, das wurde auch mehrfach in Studien nachgewiesen.

Wie bereiten Sie einen Kunden auf eine Herausforderung oder Prüfung vor?

Es gibt grundsätzlich keine Patentrezepte für eine Prüfungsvorbereitung. Es gibt sehr viele unterschiedliche Gründe, warum eine Prüfungssituation als belastend empfunden wird. Allein die Gründe für Perfektionismus können schon vielfältig sein. Die Angst zu versagen und damit den eigenen Selbstwert in Frage zu stellen, erscheint naheliegend. Bei Studierenden, die immer wieder die Abschlussprüfungen verschieben und hinauszögern, kann die Angst vor Veränderung (verlassen des bekannten Uni-Umfeldes und Eintritt in eine neue unbekannte Arbeitswelt) dahinterstecken. Um also passende Maßnahmen auszuwählen, ist es notwendig zuerst zu verstehen, was die Konsequenzen des Bestehens oder Nicht-Bestehens einer Prüfung im individuellen Fall bedeuten.

Wie integrieren Sie Meditation und Atemübungen in Ihre Mental-Coaching-Sitzungen?

Atemübungen und Meditationen sind ein wesentlicher Bestandteil im Coaching. Da ich größtenteils online mit meinen KlientInnen arbeite, sind dies zudem Methoden, die hervorragend an das Online-Setting angepasst werden können und sehr wirksam sind.

Sie dienen einerseits zur Emotions- und Stressregulation, andererseits können gerade in Meditationen, die den Charakter von Visualisierungen haben, das gewünschte Zielverhalten bereits vorweggenommen und damit erlebbar gemacht werden. Dies kann dazu führen, dass die gewünschte Verhaltensänderung auch in schwierigen Situationen besser durchgehalten werden kann.

Wie arbeiten Sie an der Förderung eines positiven Mindsets bei Ihrem Kunden?

Ein positives Mindset zu entwickeln bedeutet, eine andauernde Einstellungs- und Verhaltensänderung vorzunehmen. Ich möchte betonen, dass es sich um Einstellung und Verhalten handelt. Denn die Konsistenz zwischen beiden ist notwendig, um eine langfristige, erfolgreiche Veränderung zu erreichen. 

Hierzu nutze ich gerne die S-Pyramide: Selbstwahrnehmung, Selbstbewusstsein, Selbstakzeptanz, Selbstwert, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit. Auch wenn diese Begriffe oft gleichgesetzt werden, sind sie doch sehr unterschiedlich und bauen zum Teil aufeinander auf.  

Frau Hirsch, vielen Dank für das Interview.

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Nadja Hirsch

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