Recruiting von Heute – Der Berg muss nun zum Propheten!

Interview mit Eva-Maria Sieland
In Zeiten des Fachkräftemangels gibt es immer wieder neue Hürden, die ein Unternehmen zu bezwingen hat, um junge Talente, erfahrene Spezialisten oder lernwillige Quereinsteiger als Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Dabei spielt für sie nicht nur eine gute Präsenz auf Online-Jobbörsen wie LinkedIn, Xing u.a. eine große Rolle, sondern auch z.B. eine repräsentative Homepage, die außer Informationen zum Produkt im besten Fall auch viele Einblicke über die Unternehmenskultur, -philosophie und den Arbeitsalltag gewährt. Zudem schauen sich potenzielle Bewerber:innen auch gern mal Online-Rezensionen über den Arbeitgeber an, um herauszufinden, welche Erfahrungen etwa ehemalige Mitarbeiter oder Bewerber bereits mit ihnen gemacht haben. Director Finance & Permanent Placement Germany bei Randstad Deutschland Eva-Maria Sieland berichtet uns über die Vorgehensweise von Recruiting-Unternehmen, um qualifizierte Fachkräfte an Unternehmen zu vermitteln und welche Kanäle und/oder Netzwerke hierbei genutzt werden. 

Welche Recruiting-Kanäle sind besonders effektiv, um Fachkräfte in einem umkämpften Arbeitsmarkt anzusprechen?

Neben klassischen Online-Jobbörsen wie u.a. Stepstone & Indeed, die über alle Qualifikationen und Karrierelevel hinweg Jobs anbieten, gibt es auch spezialisierte Jobplattformen, die gezielt Stellen für Fachkräfte, z.B. im Bereich IT, Engineering oder Medical offerieren. Auf diese Jobbörsen greifen vorrangig Talente zu, die dem aktiven Arbeitsmarkt zuzuordnen sind. Das heißt, sie wollen sich beruflich verändern und sind bereits auf der Suche nach einem neuen Job. Hierbei spielt zumeist der Wunsch nach Weiterentwicklung, Gestaltungsmöglichkeiten und Gehaltsentwicklung eine große Rolle. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Talenten, die im passiven Arbeitsmarkt zu rekrutieren sind. Diese Talente sind bei ihrem aktuellen Arbeitgeber erstmal nicht unzufrieden und aktuell nicht aktiv auf der Suche – aber über die Direktansprache eines Headhunters bzw. einer Headhunterin durchaus bereit, über ein attraktives Stellenangebot eines potenziell neuen Arbeitsgebers nachzudenken. Hier sehen wir im Bereich Active-Sourcing oder auch Social-Recruiting die effektivste Methode, geeignete Fach- und Führungskräfte zu finden.

Wie können Unternehmen moderne Technologien und Online-Plattformen nutzen, um potenzielle Bewerber in Zeiten des Fachkräftemangels zu erreichen?

Heutzutage müssen sich Unternehmen bei Fachkräften bzw. Talenten bewerben, nicht umgekehrt, wie es früher der Fall war. Unternehmen sollten daher auch online sichtbar sein, denn über 80% der potenziellen Talente schauen zunächst in den sozialen Medien, was sie über das Unternehmen in Erfahrung bringen können. Sie wollen außerdem nicht nur eine technokratische Website vorfinden, die lediglich das Produkt bzw. den Unternehmenszweck beschreibt, sondern mehr über die Werte und Kultur eines Unternehmens wissen. Dabei sollten die Homepage und die dazugehörige Karriereseite SEO-optimiert sein – also bei der Google Suche gefunden werden, denn Talente suchen bei der Job-Recherche nicht immer direkt nach einem Job bei einem speziellen Unternehmen, sondern allgemein nach einem Stellentitel. Des Weiteren sollten Unternehmen auch Wert auf gute Online-Bewertungen legen. Bewertungsplattformen wie Kununu oder Glassdoor stehen bei Kandidat:innen hoch im Kurs bei der Recherche nach einem neuen Arbeitgeber: Die Art und Weise, wie ehemalige Mitarbeitende oder auch Bewerber:innen bewerten und wie die Reaktion des Unternehmens ist, sagt viel über das Menschenbild, Geschäftsklima und den Umgang miteinander aus. Darüber hinaus sollten Unternehmen auch online „erlebbar“ sein. Hier empfiehlt es sich, mit Markenbotschafter:innen – entweder in Form von Corporate Influencern und/oder auch Testimonials, die aus dem Arbeitsalltag berichten – zu arbeiten, die auf authentische Weise aufzeigen, wie die Aufgaben und die Rolle in einem Unternehmen ausgestaltet sind. Im Kampf um die Talente sind das einige der Bausteine, die Unternehmen mehr in den Vordergrund rücken können, um bei Talenten als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.

Welche Rolle spielen soziale Medien und professionelle Netzwerke bei der Rekrutierung von Fachkräften?

Soziale Medien sind aus dem Rekrutierungsprozess heute nicht mehr wegzudenken. Zum einen bieten Unternehmensauftritte in den sozialen Netzwerken eine gute Gelegenheit, sich als Arbeitgeber zu präsentieren und die Unternehmenskultur erlebbar zu machen. Zum anderen sind LinkedIn & Co. wichtige Kanäle geworden, was das Ausspielen von Stellenanzeigen und das aktive Ansprechen von Talenten angeht. Social Recruiting meint aber auch Empfehlungs- und Referenzmarketing innerhalb der eigenen Netzwerke. Ein gutes Netzwerk lebt von seinen Mitgliedern, aber auch von der Interaktion untereinander.  

Wie wichtig ist die aktive Ansprache von Kandidaten und der Aufbau von Talentpools, um auch langfristig dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?

Gerade in Zeiten, in denen es Unternehmen zunehmend schwerer fällt, geeignete Kandidat:innen auf dem Arbeitsmarkt zu finden, wird der Talentpool zu einem wichtigen Instrument zur Mitarbeiterrekrutierung. Hierbei sollten Unternehmen auf regelmäßige wiederkehrende Suchläufe und Identifizierungsprozesse in den relevanten Fachbereichen setzen. Dabei empfiehlt es sich, die Talentpools auch auf Funktionsbereiche und Hierarchieebenen von Randbereichen auszuweiten und in der Datenbank auch die talentierten Bewerber zu haben, die sich bereits in der Vergangenheit als wechselbereit und interessiert gezeigt haben. Dann kann man die Talente zumeist durch ein verkürztes Rekrutierungsverfahren leiten. Innerhalb der aufgebauten Talentpools gibt es zumeist aktive und inaktive Talente. Wichtig ist immer: In Absprache regelmäßig Kontakt zu halten, um aktiv attraktive Jobs zu besprechen und proaktiv z.B. bei der Karriereplanung im zukünftigen Unternehmen mitzuwirken. Häufig trägt die Nutzung eines Talentpools auch zur Verkürzung der Einstellungsdauer („Time to hire“) bei. So erweist sich beispielsweise eine Bewerberin für eine Stelle in einem anderen Unternehmensbereich als optimal, selbst wenn sie sich in einem früheren Auswahlverfahren nicht durchsetzen konnte. Auf diese Weise gewinnt man Zeit und verschafft sich außerdem einen Wettbewerbsvorteil.

Welche Rolle spielen traditionelle Rekrutierungsmethoden wie Jobmessen und persönliche Netzwerke immer noch in Zeiten des Fachkräftemangels?

Die meisten Recruiting-Messen richten sich an Berufseinsteiger*innen. Das können Schulabgänger:innen sein, Personen, die ihre Ausbildung beendet haben oder solche, die ein Studium abgeschlossen haben. Häufig kommen zu Jobmessen Quereinsteiger:innen, die etwas Neues ausprobieren wollen. Sie können sich auf einer Messe zunächst einen Überblick verschaffen, welche Angebote es gibt. Darüber hinaus gibt es auch spezialisierte Recruiting-Messen, die sich an Fachkräfte mit besonderen Skills richten oder auf eine bestimmte Branche abzielen. Gerade wenn es um Fachmessen geht, sieht man auch nach Corona wieder deutlich Bedarf am persönlich Netzwerken, wie z.B. beim VDI-Nachrichten-Recruiting-Tag, der sich an Young Professionals, erfahrene Ingenieur:innen oder technische Fach- und Führungskräfte richtet. Persönliches Netzwerken ist extrem wichtig – dabei tauscht man natürlich kaum noch Visitenkarten aus oder trifft sich regelmäßig zu Geschäftsessen. Man trifft sich „danach“ eher auf LinkedIn, folgt sich untereinander, empfiehlt sich online untereinander bei der Bestätigung von Kenntnissen, dem Teilen von spannenden Jobs bzw. bei Diskussionen zu Fachthemen.  

Frau Sieland, vielen Dank für das Interview.

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Eva-Maria Sieland

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