Wozu brauchen Firmen Workplace-Coaching?

Interview mit Nadja Brodzina
Wir sprechen heute mit der Coachin Nadja Brodzina über Workplace-Coaching und wie es Prozesse in Unternehmen verbessern kann - und gleichzeitig das Wohlbefinden von Mitarbeitern steigert.

Wie kann Workplace-Coaching dazu beitragen, die individuelle Leistung und das Wohlbefinden der Mitarbeiter in einer Organisation zu verbessern?

In herkömmlichen Managementstrukturen bekommen Mitarbeiter top-down Strukturen, Prozesse und Aufgaben aufgetragen und sind dann zunächst auf sich allein gestellt, sich im vorgegebenen Rahmen zu bewegen und der Arbeit erfolgreich nachzugehen. Manager sind klassischerweise in der persönlichen Kommunikation mit ihren Mitarbeitern eher reaktiv, d.h. sie beantworten die Fragen der Mitarbeiter in erster Linie, wenn diese auf den Manager zukommen. Die Kommunikation beschränkt sich hierbei auf wesentliche, arbeitsbezogene Fakten.

Durch den persönlichen und direkten Austausch vor Ort kann Workplace-Coaching enorm dazu beitragen, dass sich Mitarbeiter aufgefangen und abgeholt fühlen. Während externe Coaches häufig engagiert werden, um Prozesse zu optimieren und jedem Mitarbeiter eine klare “Rolle“ im Unternehmen zuzuschreiben, kann ein Coach auf einer ganz anderen Ebene Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter nehmen. Idealerweise ist der Coach ein Manager oder Teamleiter, der aus der gleichen Position aufgestiegen ist und daher die besonderen Anforderungen an seine Mitarbeiter kennt und so optimal vorbereiten und lenken kann.

Workplace-Coaching ist ein fortwährender Prozess, der auch die persönliche Entwicklung des einzelnen Mitarbeiters berücksichtigt und somit zu einer besseren Arbeitsbereitschaft beitragen kann. Durch diese Form des Coachings werden auch die jeweiligen Skills der Führungskraft trainiert, z.B. aktives Zuhören, effektives Sprechen, emotionale Intelligenz, Empathie. Win-Win für beide Parteien und am Ende auch für das Unternehmen.

Welche spezifischen Herausforderungen oder Probleme können durch Workplace-Coaching effektiv angegangen und gelöst werden?

Mitarbeiter sind keine Maschinen, die jeden Tag einfach ihre wohldefinierte Leistung abrufen. Sie sind Menschen, die mit einer Vorgeschichte, einem Privatleben, mit individuellen Stärken und Schwächen zur Arbeit kommen. Deshalb ist es in der Interaktion mit den Mitarbeitern wichtig, auch hinter die reine Arbeitskulisse zu blicken. Bei Workplace-Coaching wird der Mitarbeiter ganzheitlich als Mensch wahrgenommen. Dadurch können auch Probleme am Arbeitsplatz ganzheitlich angegangen und gelöst werden.

Der Workplace-Coach ist näher am Mitarbeiter als der klassische Manager. Er bekommt früher mit, wenn etwas nicht stimmt, wenn z.B. die Motivation abfällt. Fehlerquellen und Leistungseinbrüche werden so schneller aufgedeckt. Sie können zudem früher und möglichst nah an der Wurzel angegangen werden. Ein Workplace-Coach fragt (direkt oder indirekt): „Was hindert dich gerade daran, deine volle Leistung zu erbringen? Was brauchst du?“. Abholen statt Bewerten – das führt zu mehr Sicherheit für den Mitarbeiter, aber auch für das ganze Team / Unternehmen.

Für einen coachenden Manager ist es auch zufriedenstellender, wenn er seinen eigenen Mitarbeitern zu persönlichem Wachstum verhilft und somit eine Bezugsperson auf verschiedenen Ebenen darstellt. So kann nicht nur die Brücke zwischen Ausbildung und Berufserfahrung gebaut werden, sondern auch eine positive Teamdynamik entstehen.

Das wiederum kann sich auch positiv auf die Fluktuation im Unternehmen auswirken: Wenn Manager eine stärkere Bindung zu ihren Mitarbeitern aufbauen, haben die Mitarbeiter automatisch eine stärkere Bindung zum Unternehmen. Sie werden bei Problemen eher eine Lösung innerhalb des Unternehmens anstreben, statt den Arbeitsplatz zu wechseln.

Wie wird Workplace-Coaching in der Praxis in Unternehmen implementiert und umgesetzt? Gibt es bewährte Methoden oder Programme, die erfolgreich angewendet werden?

Das Gordon-Training ist eine Methode, die häufig in Unternehmen und anderen Organisationen implementiert wird. Diese Methode zielt darauf ab, eine bessere Kommunikationsstruktur zu etablieren. Mitarbeiter sollen lernen, wertschätzend und frei von Manipulation zu kommunizieren. Ziel des Trainings ist es, Lösungen zu finden, die keine Niederlage beinhalten. Passives Schweigen und aktives Zuhören sind hier die Skills, die trainiert werden sollen.

Um das Training nachhaltig zu gestalten, werden Manager zu Coaches ausgebildet, z.B. durch einen externen Coach. Dazu reicht es aus, dass die Manager die Grundlagen des Trainings verinnerlichen und mit ihren Mitarbeitern aktiv leben und üben. Unternehmen, die solche Coaching-Ausbildungen auf allen Management-Ebenen durchführen, erleben i.d.R. eine deutliche Verbesserung der Unternehmenskultur. Ein Gewinn für alle Beteiligten.

Welche Kompetenzen und Fähigkeiten sind für einen erfolgreichen Workplace-Coach erforderlich? Wie unterscheidet diese Idee von anderen Coaching-Ansätzen?

Neben unternehmerischen Fähigkeiten, die u.a. kaufmännisches Grundwissen und lösungsorientiertes Arbeiten voraussetzen, ist ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen notwendig, um als Workplace-Coach erfolgreich zu sein. Selbstreflexion, das Hinterfragen des eigenen Handelns und der Mut, zu Fehlern zu stehen, sind ebenso wichtig wie der Blick auf die Interessen des Unternehmens. Ein guter Workplace-Coach versteht sich nicht als Vorgesetzter, sondern als Teil seines Teams. Auf Augenhöhe und mit Wertschätzung führt er sich und seine Mitarbeiter zur Erreichung der gesetzten Ziele.

Im Gegensatz zu anderen Coaching-Ansätzen ist Workplace-Coaching sehr stark in den Arbeitsalltag integriert. Das Coaching ist also weniger punktuell, sondern langfristig und nachhaltig ausgerichtet.

Durch die bereits vorhandene Teamstruktur und den gemeinsamen Wirkungsraum innerhalb des Unternehmens ergeben sich sowohl Chancen als auch Risiken: Wird ein Mitarbeiter zum Coach ausgebildet, hat er bereits vorher Beziehungen zu den anderen Mitarbeitern aufgebaut. Diese können sein Standing als Coach positiv, aber auch negativ beeinflussen (Rapport). Ein externer Coach startet hier i.d.R. mit einer neutralen Ausgangslage.

Aufpassen müssen Führungskräfte, die gleichzeitig Coach für ihre Mitarbeiter sind. Selten kann man Vorgesetzter und Coach zugleich sein und beim Wechsel zwischen den Rollen muss das Timing stimmen – manchmal ein schwieriger Spagat.

Welche Beispiele für konkrete Erfolge oder positive Veränderungen durch Workplace-Coaching können Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung oder aus der Praxis nennen?

Workplace-Coaching ist z.B. besonders wichtig und gewinnbringend in Unternehmen der Technologiebranche. Hier herrscht schon seit vielen Jahren ein chronischer Mangel an Fachkräften. Es ist für solche Unternehmen enorm schwierig, gute Mitarbeiter in ausreichender Zahl zu finden. Deswegen investieren sie gerne in eine nachhaltige Beziehung zu ihren existierenden Mitarbeitern, um sie in positiver Weise zu binden. Wer es in dieser Branche schafft, mehr Mitarbeiter zu halten als zu verlieren, zählt zu den Gewinnern. Ein Workplace-Coaching ist hierfür genau der richtige Ansatz.

Im Apotheken Sektor ist die Meinung vertreten, dass dort kein Führungscoaching bzw. Mitarbeitercoaching notwendig ist. Vielen Inhabern ist nicht bewusst, welche positive Auswirkung eine solche Maßnahme hat bzw. erkennen nicht, dass ihre Mitarbeiter unzufrieden sind und haben deshalb auch häufig Personalwechsel. Aus meiner Erfahrung können Apotheken effizienter und zukunftsorientierter arbeiten, wenn sie eine solche Methode in ihr Unternehmen integrieren würden. Einige Apothekeninhaber haben das erkannt und verzeichnen große Erfolge dadurch und können die Fluktuation in ihrem Unternehmen mindern.

Vielen Dank für das Interview.

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Nadja Brodzina

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