§130 StGB – Volksverhetzung: Was hat sich geändert?

Interview mit Mathias Grasel
Wir sprechen mit Fachanwalt für Strafrecht Mathias Grasel über das Thema Volksverhetzung. Diesbezüglich wurde von der Regierung vor kurzem der Paragraf 130 StGB geändert bzw. ergänzt. Der Rechtanwalt und Inhaber der gleichnamigen Kanzlei mit Sitz in München klärt uns über die expliziten Änderungen, die damit einhergehenden Auswirkungen und die damit verbundenen Strafmaße bei Begehung einer der im Gesetz aufgeführten Straftaten auf. 

Die bisherige Regelung der Volksverhetzung hat unter Strafe gestellt, wenn jemand eine bestimmte Handlung bzw. ein Kriegsverbrechen leugnet, billigt oder verharmlost. Mit dem neu geschaffenen § 130 Abs. 5 StGB hat sich nun etwas geändert. Wie hat sich das Gesetz mit dem neuen Absatz geändert? 

Der Bundestag hat am 20.10.2022 eine Änderung der Strafvorschrift der Volksverhetzung (§ 130 StGB) beschlossen. Ein neuer Absatz 5 stellt künftig das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Eigentlich war es auch bereits mit der bislang geltenden Vorschrift möglich, derartige Taten zu verfolgen und zu ahnden. Die nun vorgenommene Änderung dient daher in erster Linie der Klarstellung der Rechtslage.

Bereits im Dezember 2021 hat die Europäische Kommission ein sog. „Vertragsverletzungsverfahren“ gegen Deutschland eingeleitet. Was genau war der Hintergrund für die Gesetzesänderung bei der Volksverhetzung? 

Bereits im Jahr 2021 gab es eine Änderung des § 130 StGB. Damals wurde der Begriff der „Schrift“ durch den moderneren Begriff des „Inhaltes“ ersetzt. Dadurch sollten vor allem neue Formen von Texterzeugnissen und Abbildungen, die nicht in verkörperter Form (also etwa auf Papier), sondern rein digital (etwa im Internet) vorlagen, vom Tatbestand erfasst werden. Die nun beschlossene Änderung passt die Vorschrift des § 130 StGB an die Vorgaben eines EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus dem Jahr 2008 an. Eine inhaltliche Ausdehnung der Strafbarkeit ist damit nicht verbunden. Es handelt sich vielmehr um eine Klarstellung.

Wieso schärfte die Ampel-Koalition den Volksverhetzungsparagrafen gerade jetzt? 

Gleichzeitig dient die bevorstehende Änderung des § 130 StGB auch dazu, das gegen Deutschland anhängige Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission zu beenden. Dort war nämlich eine unzureichende Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI kritisiert worden.

Bei den zu billigenden, verleugnenden oder verharmlosenden Handlungen muss es sich für eine strafrechtliche Verfolgung um solche handeln, welche in den Paragrafen 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches unter Strafe stehen. Können Sie uns erklären, welche das im Einzelnen sind? 

In den Paragrafen 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) werden verschiedene Straftaten definiert, beispielsweise der Begriff des Völkermordes (§ 6 VStGB), der Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder die Kriegsverbrechen (§§ 8 – 12 VStGB). Solange nicht eindeutig festgestellt wurde, dass ein Völkermord oder ein Kriegsverbrechen vorliegt, findet die Strafnorm des § 130 StGB auch nach der Neuregelung keine Anwendung. Auch hier gilt also der Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“, also „im Zweifel für den Angeklagten“. Bei geschichtlich allgemeinkundigen Tatsachen sind hierzu keine besonderen 

Feststellungen erforderlich.

Wann werden Kriegsverbrechen eigentlich gebilligt, verleugnet oder verharmlost? 

Unter dem Begriff „billigen“ versteht man ein gutheißen einer konkreten Tat. Dies kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen. Ein Beispiel für eine strafrechtlich relevante Äußerung wäre hier, dass die Opfer an ihrem Schicksal doch selbst schuld seien. „Leugnen“ ist das Bestreiten von Tatdachen, welches von der Äußerung bloßer Zweifel abzugrenzen ist. „Verharmlosen“ liegt vor, wenn begangene Taten in tatsächlicher Hinsicht heruntergespielt, beschönigt oder ihr wahres Gewicht verschleiert werden. Dies kann auch bei einem Relativieren in quantitativer Hinsicht vorliegen.

Welche Strafe droht jemandem, der eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung erhält? 

Die Strafnorm des § 130 StGB enthält mehrere verschiedene Absätze, die teilweise 

unterschiedliche Strafandrohungen enthalten. So sieht etwa der Absatz 2 StGB Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren vor. Gleiches gilt im Übrigen für den neu beschlossenen Absatz 5. In den besonderen Fällen des § 130 Abs. 1 StGB gilt sogar ein erhöhter Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Herr Grasel, vielen Dank für das Interview.

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Mathias Grasel

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