Erbschaftsantritt einfach erklärt

Interview mit Demirci
Wir sprechen mit der Fachanwältin im Erbrecht und Mitinhaberin der Kanzlei RDS Roglmeier Demirci Rechtsanwälte PartmbB in München über die genauen Abläufe sowie rechtlichen Herausforderungen im Falle einer Erbschaft. Als von Focus ausgezeichnete Rechtsanwältin und Mitglied im Fachausschuss Erbrecht der Rechtsanwaltskammer München 2022 ist sie genau die richtige Ansprechpartnerin, um Fragen rund um den Antritt des Erbes zu beantworten.

Im Todesfall geht das gesamte Vermögen des Verstorbenen auf den oder die Erben/-in über. Wieso dauert es trotz der gesetzlichen Regelungen mitunter sehr lange, bis die Erben auf die Konten des Erblassers zugreifen können?

Zunächst müssen die Erben i.d.R. die Erteilung eines Erbscheines abwarten, um sich gegenüber der Bank als Erben legitimieren zu können. Auch wenn von Gesetzes wegen das gesamte Vermögen des Verstorbenen auf den oder die Erben übergeht, müssen der oder die Erbe/Erben sich gegenüber der Bank als Erben legitimieren. Die Banken haften, wenn sie an die falsche Person ausbezahlen.

Besonders lange könnte es dann dauern, wenn die Bank einen Erbschein verlangt. Wo genau lässt sich dieser Schein beantragen und was bescheinigt er genau?

Einen Erbschein beantragt man entweder direkt beim Nachlassgericht oder bei einem Notar. Das Nachlassgericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts. Die Gebühren für den Erbscheinsantrag sind beim Notariat genauso hoch wie beim Gericht. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass beim Notar noch Auslagen sowie die Mehrwertsteuer hinzukommen.

Mit dem Erbschein kann sich der Erbe im Rechtsverkehr legitimieren. Das Dokument gibt Auskunft darüber, wer Rechtsnachfolger des Erblassers geworden ist.

Zuständig für die Erteilung des Erbscheins ist das Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers. 

Ein Erbschein wird allerdings nicht in allen Fällen benötigt. Er ist beispielsweise entbehrlich, wenn der Erblasser ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag errichtet hatte. Hier genügt zur Legitimation der Erben die Vorlage dieser Dokumente mit dem Eröffnungsprotokoll.

Vorsorge- und Generalvollmacht werden oft synonym genannt, da es sich juristisch eigentlich um das gleiche Dokument handelt. Können Sie uns erklären, wo der Unterschied zwischen Vorsorge- und Generalvollmacht liegt?

Der Unterschied besteht darin, dass bei einer Generalvollmacht der Bevollmächtigte sofort mit Aushändigung der Vollmacht den Bevollmächtigten in allen rechtlichen und persönlichen Angelegenheiten gegenüber Dritten vertreten kann. Die Vorsorgevollmacht hingegen tritt erst bei Eintritt eines Ereignisses, wie z.B. Krankheit oder Unfall in Kraft. In der Regel sind Vorsorgevollmachten als Generalvollmachten ausgestaltet.

Eine weitere Möglichkeit, die Erbenstellung gegenüber der Bank nachzuweisen, ist die Vorlage eines eröffneten Testaments. Welche Vor- und Nachteile hat das klassische Testament?

Der Vorteil in der Errichtung eines Testaments liegt darin, dass der zukünftige Erblasser mittels Testament bestimmen kann, wer Erbe wird oder auch, welche Person gerade nicht Erbe werden soll. 

Generell ist die Errichtung eines Testaments nicht nachteilig. Bedauerlicherweise werden bei der Errichtung eines Testaments, vor allem wenn das Testament nicht juristisch beraten worden ist, viele Fehler gemacht.

Wer weiß, dass er Erbe ist, muss einiges regeln. Was sollte man als Erbe unverzüglich tun?

Zunächst ist eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Erbschaft, z.B. bei Überschuldung, ausgeschlagen wird. Hierfür steht einem Erben ein relativ kurzes Zeitfenster von sechs Wochen (bei Auslandsbezug: sechs Monate) offen. Die Zeit läuft ab dem Moment, in dem er von der Erbschaft und deren Gründen erfahren hat. 

Wird die Erbschaft angenommen, ist zu klären, ob (Konto-)Vollmachten des Erblassers bestehen. Diese kann der Erbe entweder zur Abwicklung nutzen, wenn er selbst der Bevollmächtigte ist oder widerrufen, wenn ein Dritter diese innehat. Begünstigung eines Dritten in Lebens-/ Unfallversicherung sind umgehend zu widerrufen, sofern dies gewünscht ist. Bei wirksamem Widerruf zahlt die Versicherung nicht an den Begünstigten aus.

Ist kein notarielles Testament oder ein Erbvertrag vorhanden, dann ist beim zuständigen Nachlassgericht ein Erbschein zu beantragen, um den Nachlass abwickeln zu können. Mit dem Erbschein kann der Erbe Informationen über die Nachlasszusammensetzung bei Banken und Grundbuchämtern einholen.

Frau Demirci, vielen Dank für das Interview.

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