„Für Unternehmen wirft die Umsatzsteuerreduzierung eine Vielzahl von Fragen auf“ – Jens Klein (Marschall & Partner StBG mbB)

Interview mit Jens Klein
Jens Klein ist Steuerberater und Fachberater für Unternehmensnachfolge beim Steuerbüro Marschall & Partner StBG mbB in Potsdam. Im Interview spricht der Steuerexperte über Steuerliche Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität und staatliche Hilfsmaßnahmen.  

Durch den Lock Down der Wirtschaft sind viele Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Welche Möglichkeiten gibt es aktuell, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu vermeiden?

Jens Klein: Kurzfristigkeit in diesen Zeiten bedeutet, dass ein Unternehmen innerhalb von Tagen bzw. max. Wochen betriebliche Mittel zur Verfügung erhält, um das operationale Tagesgeschäft am Laufen zu halten. Hier sind u.E. in einem ersten Schritt die Hausbank mit der Einräumung und/oder Erhöhung des Kontokorrentkredites bzw. einer Darlehensaufnahme zu nennen. In einem zweiten Schritt dann die staatlichen Zuschüsse und Darlehen über die KfW. Hier kann der Rat nur lauten, zumindest zweimal im Monat die laufende Liquiditätsplanung für ein Jahr im Voraus zu überprüfen und rechtzeitig den Kontakt mit seiner Hausbank suchen.

Welche steuerlichen Änderungen hat der Gesetzgeber beschlossen, um Unternehmen zu unterstützen, die von der Corona-Krise betroffen sind?

Jens Klein: Am 29.06.2020 haben sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz zugestimmt und umfangreiche steuerliche Entlastungen für Unternehmen beschlossen. Hier sind insbesondere zu nennen der pauschale Verlustrücktrag von 2020 auf 2019 und die Anhebung der Obergrenze für den Verlustrücktrag auf 5,0 Millionen Euro bzw. 10 Millionen Euro, entsprechendes gilt für Kapitalgesellschaften. Ferner wird §7 Abs. 2 EStG reaktiviert. Dieser sah für Investitionen, die im Zeitraum nach dem 31.12.2008 bis vor dem 01.01.2011 getätigt wurden, vor, dass der Investor dafür eine degressive Abschreibung vornehmen konnte. Die Neuregelung ist inhaltsgleich mit dieser alten Regelung. Die Tatbestandsvoraussetzungen lauten:

1. Bewegliches Wirtschaftsgut

2. Dem Anlagevermögen zugehörig

3. Anschaffung oder Herstellung nach dem 31.12.2019 und vor dem 01.01.2022

Letztlich wesentlich wird der Steuerentlastungsbetrag für Alleinerziehende für 2020 und 2021 auf 4.008,00€ erhöht.

Welche Regelungen sind zu beachten, wenn Mitarbeiter in Kurzarbeit tätig sind?

Jens Klein: Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als 10 Prozent haben. Anfallende Sozialversicherungsbeiträge werden für ausgefallene Arbeitsstunden zu 100 Prozent erstattet. Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können ebenfalls in Kurzarbeit gehen und haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden kann verzichtet werden. Betriebe können Kurzarbeit rückwirkend ab 1.März 2020 anmelden.

Welche steuerlichen Auswirkungen hat Kurzarbeit für Unternehmen und Beschäftigte?

Jens Klein: Das gezahlte Kurzarbeitergeld ist gemäß § 3 Nr. 2 Buchst. a) EStG steuerfrei, unterliegt jedoch dem sog. Progressionsvorbehalt. Vom Arbeitgeber gezahlte Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld sind dagegen steuerpflichtig. Sie sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SvEV beitragsfrei, soweit sie zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80 % des ausgefallenen Arbeitsentgelts nicht übersteigen.

Was ist bei der Umstellung auf Homeoffice zu beachten?

Jens Klein: Bei der Umstellung auf HomeOffice haben die Unternehmen insbesondere die Aspekte der Datensicherheit zu beachten, d.h. es muss gewährleistet sein, dass das Arbeiten von zu Hause genauso sicher wie im Unternehmen ist.  Gegebenenfalls sind Vorkehrungen durch VPN und Firewall’s beim zu Hause arbeitenden Beschäftigten zu treffen. Des Weiteren muss die HomeOffice-Regelung arbeitsvertraglich durch eine Betriebsvereinbarung abgestimmt werden; hier gilt es dann fachanwaltlichen Rat einzuholen.

Gibt es staatliche Unterstützung für Unternehmen oder Beschäftigte?

Jens Klein: Die Unterstützungen sind vielfältig. Sowohl der Bund als auch die Länder haben sehr schnell auf die Corona-Pandemie reagiert. Hier sind zu nennen die Corona-Soforthilfen des Bundes und der Länder für Solo-Selbstständige sowie klein- und mittelständische Unternehmen. Ferner die Hilfen über die KfW, die Darlehen mit einer 100%igen Absicherung über die Hausbanken ausreicht und das schon oben beschriebene Kurzarbeitergeld für die Beschäftigten. Darüber hinaus haben der Bund und die Länder weitere Hilfsprogramme aufgelegt.

Die Regierung hat die Absenkungen der Umsatzsteuer von Juli bis Dezember 2020 beschlossen. Was müssen Unternehmen in dieser Phase beachten?

Jens Klein: Zur Stärkung der Binnennachfrage werden die Steuersätze für den Zeitraum vom 01.07.-31.12.2020 von 19% auf 16% und der ermäßigte Steuersatz von 7% auf 5% reduziert. Für Unternehmen wirft die Reduzierung eine Vielzahl von Fragen auf, die hier nicht vollständig behandelt werden können. Zu denken ist an die richtige Abgrenzung der Leistungserbringung für die Anwendung des richtigen Steuersatzes im Übergangszeitraum, die Abrechnung von Teilzahlungen und Teilleistungen sowie –Schlussrechnungen, welches insbesondere in der Baubranche zu beachten gilt.

Welche Probleme bringt die temporäre UST-Senkung mit sich?

Jens Klein: Die temporäre Absenkung wurde bereits „angerissen“. Aber besonders für die Gastronomie führt die Reduzierung der Steuersätze von 19% auf 16% und der ermäßigte Steuersatz von 7% auf 5% zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten. Denn das erste und zweite Corona-Steuerhilfegesetz sieht vor, dass für den Verkauf von Speisen in der Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 der ermäßigte Steuersatz von 5% gilt und ab dem 01.01.2021 bis 30.06.2021 der von 7%. Ab dem 01.07.2021 gilt wieder der Regelsteuersatz. Hierfür müssen die Kassensysteme in den Gastronomiebetrieben umgestellt werden. In der Kürze der Zeit nicht einfach.

Herr Klein, vielen Dank für das Gespräch.

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