Kündigungsschutzklage – Taktisches Vorgehen gefragt

Interview mit Reinhard Meister
Wie in vielen Bereichen des Lebens ist auch bei einer Kündigung taktisch kluges Vorgehen von großer Bedeutung. Warum dies so ist, erläutert uns der erfahrene Rechts- und Fachanwalt Reinhard Meister von der Anwaltskanzlei Meister, Maier, Steinacher & Kollegen aus Nürtingen. Dies kann nämlich nicht nur den Ausgang des Prozesses, sondern unter Umständen auch die Abfindungshöhe maßgeblich beeinflussen.

Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigungsschutzklage und wie kann sie einem Arbeitnehmer helfen, der unrechtmäßig gekündigt wurde?

Die rechtlichen Voraussetzungen zur Einreichung einer Kündigungsschutzklage sind im Kündigungsschutzgesetz geregelt. Danach muss das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate (bei Zugang der Kündigung) bestanden haben und der Arbeitgeber muss in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen (für ältere Beschäftigungsverhältnisse/Beginn vor 2004 gilt noch die 5-Mitarbeiter-Regel). Des Weiteren muss die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingegangen sein.

Grundsätzlich ist eine Kündigungsschutzklage darauf ausgerichtet, dass die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird und der Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen ist. In der Praxis ist es jedoch so, dass in den weitaus meisten Fällen das Arbeitsverhältnis beendet wird und hier wiederum in den meisten Fällen noch eine Abfindung vereinbart wird.

Nur in den seltensten Fällen (weniger als 10 % aller Kündigungsschutzklagen) kommt es zu einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers.

Wie wird die Höhe einer Abfindung bei einer Kündigung berechnet und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Und welche Rolle spielt die Dauer der Beschäftigung und das Alter eines Arbeitnehmers bei der Festlegung einer Abfindungssumme?

Es gibt nur in wenigen Ausnahmefällen einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine Abfindung. Dies beispielsweise bei einem für den Fall gültigen Sozialplan, bei einer zugesagten Abfindung (§ 1a KSchG) oder bei einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht wegen einer unzumutbaren Weiterbeschäftigung. Dies sind jedoch die absoluten Ausnahmefälle.

Die Höhe der Abfindung richtet sich tatsächlich nach mehreren Kriterien. Für den sogenannten Faktor (beispielsweise 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr) sind die Erfolgsaussichten in der Kündigungsschutzklage maßgeblich. Hier spielt auch das Lebensalter eine Rolle (je älter der Arbeitnehmer ist, umso schlechter sind seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt und umso höher kann der Faktor sein). Ansonsten richtet sich die Abfindung nach den Jahren der Betriebszugehörigkeit und der zuletzt erzielten durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung.

Bei einem vollkommen offenen Ausgang wird von der Arbeitsgerichtsbarkeit die sogenannte Faustregel (0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr) vorgeschlagen. Hiervon kann jedoch nach unten und nach oben abgewichen werden.

Welche Alternativen zur Kündigungsschutzklage stehen einem Arbeitnehmer zur Verfügung, um eine angemessene Abfindung zu erhalten?

Selbstverständlich können auch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen geführt werden. Diese finden sogar oft vor dem Ausspruch einer Kündigung statt. Nach Ausspruch einer Kündigung ist jedoch der Zeitrahmen äußerst begrenzt (3-Wochen-Frist s.o.). Bei einem Aufhebungsvertrag ist auch noch die Formulierung sehr wichtig, da ansonsten eine zwölf-wöchige Sperrzeit durch die Agentur für Arbeit drohen kann.

Welche Risiken und Herausforderungen sollten Arbeitnehmer beachten, wenn sie eine Kündigungsschutzklage einreichen oder eine Abfindungsvereinbarung aushandeln möchten?

Im Kündigungsschutzverfahren trägt jede Partei in der ersten Instanz ihre Kosten selbst, d. h. der Arbeitnehmer, der über einen Rechtsanwalt eine Kündigungsschutzklage einreicht und keinen Rechtsschutz hat, muss die entstehenden Anwaltskosten ungeachtet des Ausgangs des Verfahrens selbst tragen. Des Weiteren muss er sich auf eine gewisse Verfahrensdauer einstellen (ein Kündigungsschutzverfahren dauert gut und gerne ein halbes Jahr und länger). Ein solches Verfahren kann natürlich auch nervlich belastend sein. Eine zu lange Verfahrensdauer kann sich im Übrigen auch negativ auf die zukünftige berufliche Perspektive auswirken. Einerseits ist es aus taktischen Gründen nicht angezeigt eine neue Stelle einzugehen, da damit das Risiko des Arbeitgebers sinkt und die Abfindung ebenfalls sinken kann. Umgekehrt wäre es zu kurz gedacht, wenn eine gute neue Stelle ausgeschlagen wurde, nur wegen der Höhe der Abfindung.

Herr Meister, vielen Dank für das Interview.

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