Steueroptimiertes vererben – wie geht das?

Interview mit Dr. Pierre Plottek
Bereits zu Lebzeiten sollte man sich mit dem Tod auseinandersetzen, um Hindernisse, Streitigkeiten oder juristische Probleme für die Angehörigen aus dem Weg zu räumen. Oft spielt es sich bei der Testierung rein juristisch nicht so ab, wie man es allgemeinhin annehmen mag. Das Vererben einzelner Objekte an bestimmte einzelne Person ist hierbei nur einer der weit verbreiteten Mythen im Erbrecht. Diesen und weitere Mythen aus der Welt zu schaffen und Anregungen zum steueroptimierten Vererben zu geben, hilft uns heute Dr. Pierre Plottek, Fachanwalt für Erbrecht, Notar und Inhaber der gleichnamigen Rechtsanwaltskanzlei in Bochum. 

Welche rechtlichen Instrumente und Strategien stehen Erblassern zur Verfügung, um steueroptimiert zu vererben, und welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden?

Wenn es um den Themenbereich „steueroptimiertes Verben“ geht, so muss man zuerst abgrenzen, ob es um steueroptimierte Vermögensübertragungen zu Lebzeiten oder von Todes wegen geht. Häufig wird dies umgangssprachlich von den Nichtjuristen verwechselt oder in einen Themenkomplex geschoben. Da die Frage auf das Vererben abstellt, dreht sich das Thema um testamentarische Verfügungen, die nach dem Tod zu steueroptimierten – wahrscheinlich freibetragsausschöpfenden – Verfügungen führen. Dafür muss sich jeder Berater (Notar) zunächst ausreichend Zeit nehmen und mit dem Erblasser seine individuellen Familienverhältnisse besprechen. Zudem muss die Zusammensetzung des vorhandenen Vermögens eruiert werden. Je nachdem wo und wie das Vermögen zu belegen ist, muss eine Strategie erarbeitet und angepasst werden. Es sind hier vor allem Kapitalbeteiligungen, Personengesellschaften und verschiedene Vermögens-Assets auseinanderzuhalten.

Sodann muss der Wille des Erblassers klar erfasst sein. Nicht selten erlebe ich es, dass die Erblasser gar keinen klaren Willen gebildet haben, sondern grobe Vorstellungen davon haben, wer etwas nach dem Tod bekommen soll. Das ist insofern nicht förderlich, weil bei der Erstellung eines steueroptimierten Testamentes natürlich der Erblasserwille klar und deutlich hervorkommen sollte.

Wenn all dies erfolgreich aufgearbeitet worden ist, dann wollen die meisten Erblasser zwei Ziele erreichen. Es soll ein steueroptimiertes Testament errichtet werden, mit dem Ziel, dass so wenig wie möglich an Erbschaftsteuer für die Erben anfällt und es soll ein gerechtes Ergebnis bei der Vermögensverteilung innerhalb der Familie erreicht werden. Mitunter lassen sich nicht immer beide Ziele verwirklichen. Gehen wir aber davon aus, dass die Vermögensverhältnisse relativ klar und strukturiert vorliegen und zu Lebzeiten keine Ungleichbehandlungen innerhalb der Familie durch Schenkungen herbeigeführt worden sind, so wählen viele Erblasser das sog. Supervermächtnis als Lösung. Ein solches Supervermächtnis ist ein Zweckvermächtnis, bei dem das Bestimmungsrecht dem Erben übertragen wird. So kann zum Beispiel der Erbe selbst entscheiden, wer aus dem Kreis der Vermächtnisnehmer nach dem Tod etwas erhält und wieviel dieser Vermächtnisnehmer erhält. So kann, oftmals der überlebende Ehepartner, abgesichert werden und zugleich die nächste Generation in den Genuss der steuerlichen Freibeträge kommen. Sogar Enkelkinder können so steueroptimiert etwas erhalten. 

Ich gebe zu, dass dies mit Sicherheit kein leichtes Thema ist und erheblichen Beratungsbedarf auslösen wird, in der Regel lassen sich aber die meisten Ziele der Erblasser damit verwirklichen. So kann generationsübergreifend nach dem Tod Vermögen übertragen werden. Nachteile haben hier vor allem diejenigen Leute, die gar keine testamentarischen Verfügungen hinterlassen und stattdessen das gesetzliche Erbrecht zur Anwendung kommen lassen. Dieses ist in der Regel alles andere als steueroptimiert.

Welche Bedeutung hat die rechtzeitige und sorgfältige Erstellung eines Testamentes oder Erbvertrages für die steueroptimierte Vermögensnachfolge, und welche Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden?

Grundsätzlich gibt es nicht den optimalen Zeitpunkt für die Erstellung eines Testamentes. Man sollte für sich selbst überlegen, wann der richtige Zeitpunkt ist. Man sollte nur nicht den richtigen Zeitpunkt verpassen. Und dieser liegt dann vor, wenn man nicht mehr testierfähig ist (also keinen freien Willen mehr bilden kann) oder nicht mehr testierfrei ist. Dies ist man dann, wenn man durch frühere Verfügung von Todes wegen in seiner Testierfreiheit eingeschränkt ist. Hier sind vor allem ältere gemeinschaftliche Ehegattentestamente zu beachten sowie bereits geschlossene Erbverträge. Hat man steueroptimierte Vermögensnachfolge vor, so sollte man lebzeitige Verfügungen wie Schenkungen im rechtlichen Einklang bringen mit der eigenen testamentarischen Verfügung. Ich erlebe es immer wieder, dass in einem Testament eine Immobilie einer bestimmten Person zugeordnet worden ist (sei es durch Vermächtnis oder Teilungsanordnung etc.), diese Immobilie aber in der Zwischenzeit veräußert, verschenkt oder jemand anderem übertragen worden ist. Dann deckt sich die letztwillige Verfügung nicht mehr mit den tatsächlichen Vermögensverhältnissen. Der Streit ist somit vorprogrammiert. Daher sollte man regelmäßig seine letztwillige Verfügung mit den tatsächlichen Vermögensverhältnissen abgleichen und wenn nötig, anpassen lassen.

Wie können Schenkungen zu Lebzeiten genutzt werden, um das steuerliche Vermögensnachfolgekonzept zu optimieren, und welche steuerlichen Freibeträge und Gestaltungsmöglichkeiten sind dabei relevant?

Schenkungen zu Lebzeiten sind immer dann interessant, wenn die vorhandene Vermögensmasse so viel beträgt, dass die steuerlichen Freibeträge für die Angehörigen nicht ausreichen. In der Praxis erlebe ich es sehr häufig, dass die Schenker bereit sind, erhebliche Vermögensteile zu übertragen, jedoch gleichzeitig die Kontrolle über eben jene Vermögensmassen behalten wollen. Hier gibt es mehrere Gestaltungsmöglichkeiten. Der Schenker kann einen Vermögensgegenstand übertragen, sich hieran jedoch Gegenrechte vorbehalten. Dies kann z.B. ein lebenslängliches Nießbrauchrecht oder Wohnungsrecht sein. Auch Rückforderungsrechte werden regelmäßig vereinbart, die dann zum Tragen kommen, wenn der Beschenkte vorverstirbt, geschäftsunfähig wird oder selbst in Insolvenz fällt. Dies gibt den Schenkern die Sicherheit, dass zwar der Vermögensgegenstand aus dem eigenen Eigentum ausgegliedert wird, gleichzeitig jedoch die Benutzung (man könnte auch sagen Fruchtziehung) immer noch möglich ist. 

Aus steuerlicher Sicht sind solche Vermögensübertragungen sehr sinnvoll und interessant, da die vorbehaltenen Gegenleistungen steuerlich bewertet werden und so von dem Wert der Schenkung abgezogen werden. So können mitunter Vermögenswerte, die deutlich über den steuerlichen Freibeträgen liegen, steuerfrei übertragen werden. Die Höhe der zu entrichtenden Erbschaftsteuer richtet sich dem Verwandtschaftsgrad, den der Erbe zum Erblasser hat und der Höhe der Erbmasse. Insgesamt werden drei Steuerklassen unterschieden:

Steuerklasse I

                Ehegatten/eingetragene Lebenspartner

                Kinder & Stiefkinder

                Abkömmlinge der Kinder & Stiefkinder

                Eltern & Großeltern (nur im Todesfall – bei Schenkung Steuerklasse II)

Steuerklasse II

               Eltern & Großeltern (nur bei Schenkung)

               Geschwister

               Nichten & Neffen

               Stiefeltern

               Schwiegerkinder

               Schwiegereltern

               geschiedene Ehegatten/Lebenspartner einer aufgehobenen   

               Lebenspartnerschaft

Steuerklasse III

alle übrigen Personen

Zudem gibt es unterschiedliche Steuerfreibeträge. Ehegatten zum Beispiel haben einen Freibetrag von 500.000 €, Abkömmlinge von 400.000 €, Enkelkinder von 200.000 €. Weiter entfernte Verwandte haben hingegen nur einen Freibetrag von 20.000 €.

Welche steuerlichen Auswirkungen ergeben sich bei der Vererbung von Immobilien oder Unternehmen, und welche Strategien können verwendet werden, um die Steuerlast zu minimieren?

Hier gilt das soeben ausgeführte. Wenn man es schafft die Immobilie zu Lebzeiten zu übertragen, so kann man unter Umständen den Wert der vereinbarten Gegenleitung von der Schenkung abziehen und so die Steuerlast drücken. Wenn man zu Lebzeiten keine Übertragungen vorgenommen hat und obendrein auch testamentarisch keine steueroptimierten Verfügungen anordnet (siehe z.B. das Supervermächtnis), dann ist im Falle des Todes vielleicht schon das „Kind in den Brunnen gefallen“. Strategien sind vor dem Tod zu entwickeln und umzusetzen. Nach dem Tod lässt sich hier nichts mehr regeln.

Welche Rolle spielen steueroptimierte Erbverträge, wie beispielsweise Vor- und Nacherbfolge oder Vermächtnisse, bei der Gestaltung einer steueroptimierten Vermögensnachfolge, und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Hier muss man grundsätzlich wissen, dass Erbverträge stets der notariellen Form bedürfen und bereits zu Lebzeiten bindende Wirkung entfalten können. Man muss sich daher genau überlegen, ob man bereits einen Erbvertrag eingehen möchte oder, ob nicht eine testamentarische Verfügung ausreicht. Innerhalb dieser beiden Gestaltungsmittel, also Erbvertrag oder Testament, spielen sodann die rechtlichen Mittel einer Vor- und Nacherbschaft oder die Anordnung von Vermächtnissen eine wichtige Rolle. Die Vor- und Nacherbschaft wird dabei meistens eingesetzt, wenn einzelne Erben geschützt werden sollen. Hier ist zum Beispiel das Stichwort Behinderten- und Bedürftigentestament zu nennen. Dies kann mitunter auch steueroptimierte Folgen haben, eher jedoch im Zusammenhang mit dem Schutz vor dem Zugriff des Sozialstaates oder vor Gläubigern des Erben. Im Zusammenhang mit Vermächtnissen hatte ich bereits das sog. Supervermächtnis erwähnt, was immer größerer Beliebtheit widerfährt.

Herr Dr. Plottek, vielen Dank für das Interview.

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