Windkraftbranche im Niedergang – Interview mit Gerd Junker (Grünes Geld GmbH)

Interview mit Gerd Junker
Gerd Junker ist Geschäftsführer der Grünes Geld GmbH aus Aschaffenburg. Im Interview spricht der Wirtschaftsingenieur über die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien und das Risiko den Aufbau einer Zukunftsbranche durch politische Entscheidungen zu zerstören.

Windkraftanlagen tragen rund ein Fünftel zur Gesamtstromerzeugung bei. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Ausbau Erneuerbarer Energien?

Gerd Junker: Wir sehen kaum kurzfristige Auswirkungen, da sowohl Genehmigungs- als auch Bautätigkeiten wie gewohnt weiter gegangen sind. Langfristig kommt es darauf an, wie weit die Menschen den Zusammenhang zwischen Raubbau an der Natur, Klimawandel und dem Ausbruch der Corona-Krise erkennen und entsprechend einen Impuls zur Beschleunigung unseres Weges zu einer CO2-neutralen Wirtschaftsweise geben. Die Chance ist da.

Der Bundestag hat die umstrittenen 1.000-Meter-Abstandsregel für Windkraftanlagen festgelegt. Was sind die Konsequenzen für die Branche?

Gerd Junker: Der Zubau von Windkraftanlagen ist in den letzten Jahren an Land praktisch zum Erliegen gekommen. Die 1.000-Meter-Regelgung zementiert diesen Zustand ein. In 2019 war der Zubau an Windkraftanlagen in Deutschland mit nur noch 0,9 GW so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Dieser Trend wird sich in 2020 fortsetzen.

Die Bundesländer dürfen von der Regelung abweichen. Erwarten Sie, dass sich windkraftfreundlichere Ansätze durchsetzen werden?

Gerd Junker: Das ist kaum vorstellbar. Wir leben hier in Bayern und hier wurde 2014 schon mit der 10H-Regelung eine ähnliche Verhinderungs-Regel für Windkraft eingeführt. Doch statt breitem Widerstand blieb es in Bayern ruhig. Es scheint einfach so zu sein, dass bei Befragungen zwar jeder Bürger die Erneubaren Energien für den besten gangbaren Weg hält, aber keiner auch etwas dafür tun möchte. Sobald eine Windkraftanlage in Deutschland geplant wird, formieren sich sofort Bürgerbewegungen dageben. Wir müssen der Tatsache ins Auge blicken, dass ein überalterndes Land wie Deutschland im Kern alles beibehalten will wie es ist und dass die Politik das auch so umsetzt.

Durch das Konjunkturpaket wird die EEG-Umlage in Zukunft gedeckelt. Reicht diese Neuregelung um eine starke, deutsche Windkraftbranche zu erhalten?

Gerd Junker: Diese Änderungen sind Kleinigkeiten und werden nichts wesentlich ändern. Was wir bei der Solarenergie vor 8 Jahren erlebt haben, als wir aus führender Position durch politische Entscheidungen eine Branche komplett an andere Länder verloren haben und alleine 2012 mehr als 24.000 Jobs verloren, wiederholt sich in der Windkraftbranche gerade wieder. Die Pleite des Hamburger Windkraftunternehmens Senvion mit 1,45 Milliarden Umsatz letztes Jahr ist hier nur der Anfang, die Probleme bei Enercon mit dem Abbau von 3.000 Stellen die Fortsetzung. Windkraftanlagen kommen in Zukunft aus Dänemark (Vestas) oder China (Goldwind).

Welche Änderungen an der aktuellen Gesetzlage wären notwendig, um die geplante Energiewende bis 2030 zu realisieren?

Gerd Junker: Wir müssen dort ansetzen, wo das meiste Treibhausgas ausgestoßen wird. Das ist zum einen die Stromerzeugung, also weiterer, intelligenter Ausbau der Erneuerbaren Energien in allen Bereichen statt Ausbremsen. Es als nächstes die Industrie, Bereiche wie die Zementherstellung oder die Chemiebranche sind nur wenigen als super-große Emittenten im Gedächtnis. Hier ist wahrscheinlich grüner Wasserstoff die Lösung und die Bundesregierung hat dazu mit ziemlicher Verzögerung auch die Wasserstoffstrategie endlich auf den Weg gebracht.

Und dann noch etwas, was niemand hören will: Der Flugverkehr ist leider Gift für’s Klima, ein einziger Urlaubsflug kann das Klima stärker aufheizen als ein Jahr Auto fahren und das Haus mit Erdöl heizen zusammen. Hier müssen wir ansetzen, die Coronakrise könnte hier eine Chance sein umzudenken.

Gibt es Möglichkeiten für private Kapitalanleger sich an Windkraftprojekten zu beteiligen?

Gerd Junker: Es gibt weiterhin die Möglichkeit über Beteiligungsmodelle am Ausbau der Windkraft teilzuhaben und diesen auch zu fördern. Während das zu Beginn der Windkraft-Revolution vor 20 Jahren allerdings häufig eher Spendenmodelle waren, da in dem Bereich wegen mangelhafter Windgutachten und instabiler Technik viel Geld verloren ging, sind es heute gut kalkulierbare und gut regulierte Geldanlagen geworden. Trotzdem ist die Auswahl für den Laien nicht einfach, wer sich nicht auskennt sollte auch hier Experten befragen und nicht einfach Aussagen im Netz vertrauen.

Welche Chancen und Risiken sind mit solchen Investments verbunden?

Gerd Junker: Die Chancen sind gut, schließlich nutzen Giganten wie Allianz, Münchner Rück oder Pensionskassen die Möglichkeiten im Bereich der Erneuerbaren Energien um gut planbare, regelmäßige Rückflüsse im Bereich 4 bis 5 Prozent pro Jahr zu realisieren. Trotzdem sind hier Expertise und Streuung innerhalb der Investments gefragt, sonst droht nach wie vor der Totalverlust. Gerade das so hoffnungsvoll gestartete Crowdinvesting, das inhaltlich ja meist einfache Nachrangdarlehen sind, durchläuft eine Welle von Pleiten, Pech und Pannen. Bevor man hier investiert, sollte man die staatlichen Regulierungswellen der nächsten Jahre abwarten, um Produkte höhere Seriösität zu erhalten. Unter dem Strich kann man aktuell praktisch erst ab Summen von ca. 10.000,00 Euro sinnvoll einsteigen.

Herr Junker, vielen Dank für das Gespräch.

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