Allgemeinbildende Schulen haben Nachholbedarf beim virtuellem Lernen – Janin Eggert (date up training GmbH)

Interview mit Janin Eggert
Janin Eggert ist Standortmanagerin bei date up training GmbH. Im Interview spricht sie über die gestiegenen Anforderungen an Trainer und die Weiterentwicklung des Formats „Weiterbildung“.

Bildung im Wandel: Die Anforderungen an Bildungseinrichtungen und Lehrer/innen haben sich im digitalen Zeitalter verändert. Wie haben Sie das in den letzten Jahren wahrgenommen?

Janin Eggert: Der Kern der Weiterbildung ist der gleiche geblieben. Es geht darum, Menschen von A nach B zu bringen und ihnen ein Transportmittel für die fachliche oder persönliche Weiterentwicklung bereitzustellen. Das Format der Weiterbildung hat sich jedoch durch die Digitalisierung und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten weiterentwickelt. Es ist für einen Lernerfolg nicht mehr unbedingt notwendig, im Präsenzformat in einem physischen Klassenraum eine Weiterbildung zu einem festgelegten Zeitpunkt in einer geschlossenen Gruppe zu besuchen. Vielmehr werden Grenzen aufgebrochen und fließender, Lernabschnitte kürzer und Lerngruppen flexibler, Lernzeiten entkoppelt. date up training reagiert darauf und hat die eigene strategische Ausrichtung um den Bereich des virtuellen Unterrichts ergänzt. Dieser wird den bestehenden Präsenzunterricht ergänzen und ihn in gewissen Themenbereichen oder Zielgruppen ggf. sogar ablösen. Dies ist erforderlich, um am Markt wettbewerbsfähig bleiben zu können, dem sich wandelnden Bedürfnisportfolio potenzieller Teilnehmer zu entsprechen und sie dadurch für die Weiterbildung bei date up training gewinnen zu können. Die Anforderungen an den Trainer sind an dieser Stelle immens gestiegen. Kursteilnehmer(gruppen) werden zunehmend heterogener, die verschiedenen Bedürfnisse und Lernerlebnisse müssen im Moment der Schulung dennoch gebündelt und zielgerichtet bedient werden, die Kursdurchführung wird stark um die Bereiche Kursbetreuung und -organisation ergänzt. Zusätzlich mussten sich Trainer in Bezug auf das Thema Didaktik/Methodik weitere Kenntnisse aneignen, um den eigenen digitalen Unterricht lebhaft, interessant und herausfordernd gestalten zu können – und gleichzeitig die bestehenden (gesetzlichen: AZAV im Bereich der geförderten Weiterbildung und FBW bei der Förderung beruflicher Weiterbildung) Anforderungen an Teilnehmerentwicklung, Lernfortschritt sowie Lernziel trotz geändertem Lernformat weiterhin zu gewährleisten.

Die Veränderung in der Bevölkerungsstruktur mit Flüchtlingen und mehr Migranten führt zu veränderten Lerninhalten. Wie reagiert Ihre Einrichtung darauf?

Janin Eggert: Wir reagieren einerseits mit neuen Kursen wie die Aufnahme der berufsvorbereitenden Deutschkurse B1/B2/C1 im Bereich der AVGS (Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein) finanzierten Einzelcoachings in das Kursportfolio. Andererseits mit Änderungen in bestehenden Weiterbildungskursen. In sämtlichen bestehenden Kursen wurde geprüft, in wie weit Migranten und Flüchtlinge aufgrund bestehender Sprachkenntnisse am Unterricht teilnehmen können. Hier stellte sich heraus, dass das Sprachniveau B2 als sprachliches Mindestniveau vorliegen muss, um eine erfolgreiche Teilnahme und das Erreichen des Lernziels zu gewährleisten. Schulung bzw. Unterstützung der Trainerkompetenzen wurde und wird um den Aspekt der Integration von Migranten und Flüchtlingen in den bestehenden Zielgruppenbereichen erweitert.

In der Bildungsbranche gibt es auch ein sogenanntes Qualitätsmanagement. Welchen Anforderungen muss der Qualitätsbeauftragte eines Bildungsinstituts in der Praxis gerecht werden?

Janin Eggert: Es ist nicht nur ein „sogenanntes“ Qualitätsmanagement. Wer in der staatlich geförderten Weiterbildung mit Institutionen wie der Arbeitsagentur zusammenarbeiten möchte, muss die in der AZAV (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung) festgelegten Regularien beachten. Die Verordnung über die Voraussetzungen und das Verfahren zur Akkreditierung von fachkundigen Stellen und zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch ist eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aufgrund § 184 SGB III. Dazu zählt unter anderem die Existenz eines eigenen Qualitätsmanagementsystems und einem entsprechenden Qualitätsbeauftragten, der sich um die Weiterentwicklung und Sicherung des Qualitätsmanagementsystems beim Bildungsträger zu kümmern hat. Alle Anforderungen aufzuführen würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Die wichtigste Anforderung ist aber die Sicherung des Lernerfolgs für unsere Teilnehmer*innen und die Einhaltung der Richtlinien der Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit. Die kontinuierliche Verbesserung sämtlicher Prozesse (KVP) ist dabei grundlegend deckungsgleich mit dem „sogenannten“ Qualitätsmanagement in anderen Branchen, wie zum Beispiel in der Metallverarbeitung oder Automobilindustrie.

Man sagt, dass Lehrer/innen und Ausbilder/innen dem Stress in den Bildungseinrichtungen mit den Schülern kaum noch gewachsen sind. Haben Sie ähnliche Erfahrungen oder kennen Sie Beispiele dafür?

Janin Eggert: Nein, dies haben wir bei date up training so noch nicht wahrgenommen und können dafür auch keine entsprechenden Beispiele nennen. Was wir allerdings feststellen können ist, dass mit zunehmender (Voll-)Beschäftigung (Ende 2019) gerade im Bereich der geförderten Weiterbildung die Grundbereitschaft, etwas an der eigenen Situation zu ändern, um dadurch ggf. den Wiedereinstieg in den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsmarkt zu schaffen, häufig nicht gegeben ist. Dies wirkt sich konkret auf den Unterrichtsablauf und damit den Aufgabenbereich des Trainers aus. Hier haben wir aus unserer Trainerorganisation verstärkt die Rückmeldung bekommen (und auch aus unseren Feedbackinstrumenten ablesen können), dass dies zunehmend auch zu einer psychischen Belastung seitens des Trainers führen kann. Aber das liegt eher in der Natur des Unterrichtens und der Aufgabe eines Trainers, als in einer sozialen Entwicklung oder Veränderung der Bevölkerungsstruktur.

Der „nationale Bildungsbericht für Deutschland“ benennt alle 2 Jahre Leistungen und Herausforderungen im deutschen Bildungssystem. Können Sie über Zweck und Nutzen kurz etwas sagen?

Janin Eggert: Wir greifen regelmäßig auf Studien und Berichte zurück, um unser Angebot und unsere Leistungen entsprechend den zu erwartenden Anforderungen und Bedürfnissen anzupassen. Dies ist neben den Impulsen aus unserem Teilnehmerfeedback, regelmäßigen Gesprächen mit Trainern und Netzwerkpartnern sowie Kontakten aus der Wirtschaft und Verbänden die Grundlage der eigenen Angebots (-weiter) entwicklung.

Man spricht gerne vom „Recht auf Bildung“ und „Lebenslangem Lernen“. Wird Deutschland diesem Anspruch Ihrer Meinung nach voll gerecht?

Janin Eggert: Es gibt kaum Länder, in denen Bildung so wenig kostet wie in Deutschland. Nicht nur die Tatsache, dass allgemeinbildende Schulen und Hochschulen nahezu kostenlos sind – zusätzlich fördert der Staat die Weiterbildung von Arbeitssuchenden sowie Personen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Auch die Integration von Migranten wird großzügig gefördert. Natürlich erfreuen sich auch Privatschulen einer zunehmenden Beliebtheit, allerdings stehen die staatlichen Einrichtungen gegenüber den privaten immer noch in einem qualitativ guten Verhältnis. Wenn man dies mit anderen Ländern wie z. B. den USA vergleicht, spielt Deutschland eine Vorreiterrolle in Sachen lebenslanges Lernen. Ein Wermutstropfen ist lediglich, dass der Wandel vom Präsenzunterricht zum virtuellen Lernen noch nicht so stark im Fokus steht. Hier hat Deutschland definitiv noch Nachholbedarf, insbesondere an den allgemeinbildenden Schulen.

Frau Eggert, vielen Dank für das Gespräch.

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Janin Eggert

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