Florian Dederichs: Schnelle Entspannung ist nicht erkennbar

Interview mit Florian Dederichs
Florian Dederichs ist Geschäftsführer von Operations & Consulting Munich GmbH. Mit ihm sprechen wir über wirtschaftliche Herausforderungen durch den Materialmangel, Lieferprobleme sowie besonders betroffene Branchen.

Lieferprobleme von Rohstoffen und Bauteilen haben in der Corona-Pandemie zugenommen. Bremst der Materialmangel die Wirtschaft aus?

Florian Dederichs: Mit Sicherheit, wenn Lieferprobleme und der Preisanstieg sich nicht bald wieder normalisieren. Vor allem aufgrund reduzierter Verfügbarkeiten und der Engpässe in den Transportketten haben wir im ersten Halbjahr 2021 einen drastischen Preisanstieg bei sehr vielen Rohstoffen von über 30% beobachten können. Lange Lieferzeiten, Lieferengpässe und auch die Teuerungen haben die Auftragsreichweite im Bereich der Konsum-, Vorleistungs-, Investitionsgüter und auch im Verarbeitenden Gewerbe um 20% bis 50% im Mai 2021 gegenüber dem Mai 2020 verlängert. Bleiben die Ursache bestehen, werden die Lieferzeiten und Preise weiter ansteigen und das Konsumverhalten und damit die Wirtschaft auf Dauer ausbremsen.

Welche Branchen sind von den Lieferproblemen besonders stark betroffen?

Florian Dederichs: Die Effekte finden sich generell branchenübergreifend, jedoch lässt sich sagen, dass insbesondere Branchen mit sehr komplexen und langen Lieferketten durch logistische Engpässe sowie Branchen mit einem hohen Rohstoffanteil an den Produktkosten stärker betroffen sein werden.

Woraus resultiert der derzeitige Mangel bzw. die Lieferverzögerungen?

Florian Dederichs: Das Resultat ergibt sich aus mehreren Ursachen: Eine Ursache findet sich in der Taktung und Verflechtung der Lieferketten – Kostendruck gepaart mit einer in der Vergangenheit relativ hohen Verlässlichkeit haben durch das Just in time Prinzip die Lieferketten eng getaktet und weit verflochten. Kommt dieses Netzwerk, wie zu Beginn der Corona Pandemie mit dem Lockdown in China geschehen, einmal aus dem Tritt, finden sich in diesen eng-getakteten Lieferketten keine Puffer, um die Effekte abzufedern oder auch in einem erforderlichen Maße wieder aufzuholen. Hier fehlen schlicht und ergreifend die Kapazitäten – als prominentestes Beispiel halten hierfür die Container-Kapazitäten her. Zum anderen beobachten wir Rohstoff-Verknappungseffekte zum Beispiel aufgrund der Bewegung hin zu mehr Nachhaltigkeit (Bsp. Stahlproduktion), Kannibalisierungseffekte (Bsp. Holz als nachhaltiger Rohstoff wird verstärkt im Baugewerbe und Produkten eingesetzt) und ebenfalls Nachfrageverschiebungen aufgrund der Teuerungen.

Viele Handwerksbetriebe befürchten Zwangspausen aufgrund von Materialengpässen. Sind diese Befürchtungen berechtigt?

Florian Dederichs: Dieser Effekt ist vorstellbar, wenn Unternehmen nicht rechtzeitig und effektiv handeln. Die Lieferketten Resilienz muss erhöht werden, Alternativen erschlossen werden und die Planung optimiert werden. Gleichzeitig müssen Unternehmen die Risiken aus Preisanstieg und Lieferverzögerungen reduzieren. Die Anforderungen an den Einkauf und die Supply Chain Organisation sind derzeit hoch wie lange nicht. Gefordert ist Transparenz, Aufbau von Resilienz und eine an die Inflation und Verknappung angepasste Einkaufsstrategie.

Wann können wir mit einer Entspannung der Situation rechnen?

Florian Dederichs: Wir stellen uns auf keine schnelle Entspannung ein. Mit der anhaltenden Geldpolitik, der nun weiter kippenden Weltmarktsituation bedingt durch den weiteren Aufstieg Chinas und den nun beginnenden, notwendigen Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit befinden wir uns in einer Situation, welche den Druck auf Lieferketten und Preise weiter erhöhen kann.

Welche Maßnahmen sollten betroffene Unternehmen ergreifen, um kurzfristig die Situation zu überstehen und sich langfristig besser zu rüsten?

Florian Dederichs: Betroffene Unternehmen müssen kurzfristig an 3 Dingen arbeiten: Transparenz und Planbarkeit in der Lieferkette, Verbesserung der Verfügbarkeit sowie Reduktion des Margen Risikos. Wir arbeiten mit unseren Kunden an angepassten Einkaufs- und Supply Chain-Strategien, welche speziell für diese Situation entwickelte Hebel adressiert und über Digitalisierung, Kundeneinbezug, Produktveränderungen und eine Veränderung der Beschaffungsstrategie kurzfristig und langfristig die Wettbewerbsposition sichert.

Herr Dederichs, vielen Dank für das Gespräch!

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