Henning Fehrmann: Digitalisierung ist von herausragender Bedeutung

Interview mit Henning Fehrmann
Dipl.-Ing. Henning Fehrmann CEO der Fehrmann Tech Group, Regionalvorsitzender des Verbandes der Familienunternehmer, Metropolregion Hamburg, und Sprecher des 3D-Netzwerks Hamburg. Mit ihm sprechen wir im Interview über Digitalisierung, Transformationsprozesse sowie digitale Technologien.

Digitalisierung ist in aller Munde. Wie weit ist Ihr Unternehmen in diesem Transformationsprozess?

Henning Fehrmann: Laut einer BridgeBrain-Untersuchung ist die Fehrmann Tech Group weit fortgeschritten; auf einer Skala, die von minus 36 bis plus 72 Punkte reicht, haben wir plus 63,6 erreicht. Damit sind wir laut BridgeBrain-Index ein „Organizational BridgeBrain“, was die höchste Digitalisierungsstufe darstellt und uns eine hohe Zukunftsorientierung und Anpassungsfähigkeit attestiert. Unseren Fokus legen wir mehr auf die Entwicklung digitaler Produkte und Geschäftsmodelle als auf die Digitalisierung der Prozesse. Denn in digitalen Produkten und digitalen Geschäftsmodellen sehen wir das größere Potential – eine Einschätzung, mit der wir zum Glück nicht alleine sind.

Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für Sie bzw. Ihr Unternehmen, wenn es darum geht, mittels digitaler Technologien Arbeits- und Lebensverhältnisse angenehmer, effizienter und nachhaltiger zu gestalten?

Henning Fehrmann: Die Digitalisierung ist für uns von herausragender Bedeutung, schließlich eröffnet sie weltweite Reichweite und neue Möglichkeiten, Kundenprobleme mithilfe digitaler Produkte und Angebote zu beseitigen. Beispielsweise setzen wir KI ein, um in kürzerer Zeit neue, High-Performance-Metallpulver für den 3D-Druck zu entwickeln. Den 3D-Druck halten wir für eine digitale Schlüsseltechnologie, weil er die Produktion schneller und flexibler macht und dabei Material einspart, also nachhaltig ist.

Mobiles Arbeiten bzw. Homeoffice gibt es bei uns schon lange, weil wir damit die Arbeits- und Lebensverhältnisse unserer Mitarbeiter verbessern, sie familienfreundlicher machen und für eine bessere Balance von Freizeit und Arbeit sorgen, ohne unseren Leistungsanspruch zu senken.

Das bundesweite Ergebnis bei der Selbsteinschätzung zum Stand der Digitalisierung liegt durchschnittlich bei 3 – auf einer Skala von 1 (voll entwickelt) bis 6 (wenig entwickelt). Warum werden digitale Technologien noch so wenig eingesetzt?

Henning Fehrmann: Diese Frage möchte ich aus meiner Perspektive als Regionalvorsitzender der Familienunternehmer in der Metropolregion Hamburg beantworten. Ich sehe ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. Unser Problem ist eine allgemeine Visionslosigkeit bei Politik und Wirtschaft, was beispielsweise dazu geführt hat, dass staatlich geförderte Hubs für Zukunftstechnologien wie das Silicon Valley, dessen Geschichte bis 1951 zurück geht, bei uns viel zu spät aufgebaut wurden oder noch im Aufbau befindlich sind. Uns fehlen zudem Rahmenbedingungen wie eine gute digitale Infrastruktur, eine Gesetzgebung, die auch den Mehrwert der Nutzung von Daten für digitale Geschäftsmodelle berücksichtigt, die Aufnahme von Digitalisierung in die Lehrinhalte der Schulen und somit die Schaffung von Technologie- und Wirtschaftsverständnis. Last but not least fehlt dem Mittelstand das Kapital. Familienunternehmer können es sich nicht leisten, große finanzielle Risiken einzugehen, weil es sie und ihre Mitarbeiter die Existenz kosten kann. Das führt zwangsläufig zu einer gewissen Wagnisaversität, begleitet mit dem Umstand, dass viele Unternehmen auf Hardwareentwicklung ausgerichtet sind und die Bedrohung durch digitale Geschäftsmodelle erst verzögert wahrnehmen.

Sind Sie der Meinung, dass die Politik die Digitalisierung in Unternehmen fördern und finanziell unterstützen soll? Was sind Ihre Vorschläge?

Henning Fehrmann: Zunächst sollten wir bei der Digitalisierung unterscheiden, was da digitalisiert werden soll: Prozesse, die die Effizienz steigern, Produkte oder Geschäftsmodelle. Je risikoreicher die Digitalisierung ist und je länger es bis zum ROI dauert, desto weniger kann man vom Mittelstand erwarten, die Kosten alleine zu tragen. Dies muss von der Politik verstanden und die entsprechende Förderung gewährt werden. Allerdings muss diese Förderung nicht zwingend eine finanzielle Unterstützung für das einzelne Unternehmen sein, sondern sollte eher in der proaktiven Ansiedelung von Know-how und Technologien bestehen. Wir brauchen vor Ort Hubs mit Experten für Schlüsseltechnologien wie KI, 3D-Druck, Material Science und Quantencomputing, auf die Unternehmen zugreifen können. Mindestens ebenso wichtig ist, dass die Politik mehr Freiräume für Unternehmertum gewährt, also dereguliert und zudem Start-ups fördert, in dem sie die Unternehmensgründung und das Unternehmertum leichter und risikoärmer macht. Gerade Corona hat gezeigt, dass Selbständige und Unternehmer vom Staat fallen gelassen wurden, was neben einer unternehmerfeindlichen Gesetzgebung die Lust auf Unternehmertum in Deutschland weiter kaputt macht. Mittlerweile wollen immer mehr junge Leute in den öffentlichen Dienst, statt eine Firma zu gründen. Der Staat sollte seine Politik also dringend dahingehend ändern, dass Wagnisse wieder wertgeschätzt und nicht bestraft werden.

Wie es so schön heißt: „Die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben“ bedeutet, das Unternehmer/innen über eine gewisse „Veränderungsresistenz“ nachdenken sollten, um der Digitalisierung den Boden zu ebnen. Fühlen Sie sich da auch angesprochen?

Henning Fehrmann: Nein, wir müssen über schnelle Anpassung nachdenken – Anpassung hat nichts mit Resistenz zu tun. Bei der Bewertung der Situation in der deutschen Wirtschaft sollten wir uns nicht irreführen lassen, denn viele Unternehmen sind besser als die Umfragen vermuten lassen. Der Zug ist noch nicht abgefahren. In den vergangenen Jahren hat insbesondere der deutsche Mittelstand Anpassungsfähigkeit an verändernde Kundenbedarfe bewiesen; sonst gäbe es nicht 1700 Hidden Champions in unserem Land, die auch im digitalen Zeitalter tolle Angebote machen. Auch bei den Familienunternehmern unseres Verbandes können rund 95 Prozent sehr erfolgreich ihre Angebote anpassen. Nur ist es eben nicht einfach, in neuen Kategorien wie KI oder Plattform-Ökonomie zu denken, wenn die Experten weit weg sind.

Da die digitale Transformation die gesamte Wirtschaft vor unternehmerische Herausforderungen stellt, braucht es vielleicht einen Anreiz für Unternehmen, um im internationalen Vergleich schneller aufzuholen. Wie kann man das Tempo bei der Digitalisierung anziehen und die Kosten angemessen verteilen?

Henning Fehrmann: Politik und Verwaltung haben Deutschland in der Vergangenheit trotz teils randvoller Kassen nicht so aufgestellt, wie es hätte sein sollen. Nachdem also über Jahrzehnte verpasst wurde, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, bedarf es jetzt einer umso größeren Anstrengung. Wir müssen die leeren Kassen als Chance begreifen, zur Aufholjagd zu blasen. Die Lehre aus dem Abstieg Europas in den vergangenen 20 Jahren kann nur sein: So geht’s nicht weiter! Wir brauchen eine Aufbruchsstimmung, geprägt von Vertrauen, Eigenverantwortung und Freiheit bei Wirtschaft und Bevölkerung. Denn Bürger und Unternehmen haben ihre Anpassungsfähigkeit in der aktuellen Pandemie wie auch in früheren Krisen unter Beweis gestellt. Ganz anders als der Staat, der, wie die Pandemie zeigt, klein klein denkt und reguliert, Unternehmer überfordert, ausbremst und ihnen das Arbeiten schwer macht. Die Politik ist gefragt, endlich systematisch zu entbürokratisieren und das Unternehmertum zu fördern. Wir befinden uns in einer Revolutionsphase, in der wir alles frei nutzen können sollten, was uns zur Verfügung steht: starke Unternehmen, exzellente Forschung und nach wie vor großes Vertrauen der Welt in deutsche Produkte – auch wenn BER, Stuttgart 21, Corona und Digitalisierung per Fax zunehmend Kopfschütteln verursacht. Nur wenn Politik und Verwaltung Unternehmertum in Verbindung mit digitaler Innovation in den Fokus des Handelns stellen, kann das Tempo anziehen und die deutschen Unternehmen werden aufholen.

Herr Fehrmann, vielen Dank für das Gespräch!

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