Michele Leyendecker: Unabhängige Prüfer kontrollieren den Code of Conduct

Interview mit Michele Leyendecker
Wir sprechen mit Michele Leyendecker, Unternehmenskommunikation/Corporate Communications der Deichmann SE, über E-Commerce und Billigproduktionen aus dem Ausland.

Wie groß ist der Einfluss von E-Commerce auf das Geschäft in den Ladenlokalen am point of sale?

Michele Leyendecker: Bei Deichmann spielt das Thema Omnichannel seit vielen Jahren eine wichtige Rolle. DEICHMANN war im Jahr 2000 der erste Schuhhändler, der Schuhe über das Internet verkauft hat. Online-Handel und stationärer Verkauf wurden seither immer stärker miteinander verzahnt.

Haben Sie das Gefühl, dass e-commerce (z.B. Amazon) zu einer übermächtigen Konkurrenz für das Einkaufserlebnis im Ladengeschäft werden kann, oder bevorzugen Kunden das klassische „Shopping“?

Michele Leyendecker: Wir verfolgen konsequent das Ziel, unseren Kunden auf jedem Kanal das beste Angebot in Bezug auf Produkte, Preis und Service zu machen und ihm das Wechseln zwischen den Vertriebskanälen so einfach und bequem wie möglich zu machen.

Wie stark ist der Druck auf die Modebranche durch den Ruf nach mehr Nachhaltigkeit?

Michele Leyendecker: Das Thema wird für Konsumenten immer wichtiger. Wir haben schon seit langem Artikel in unserem Sortiment, die diesem Gedanken Rechnung tragen. Unsere „elefanten Green“-Modelle sind beispielsweise aus chromfrei gegerbtem Leder, wasserlöslichem Klebstoff und einer Sohle aus Naturkautschuk. Oder wir führen Schuhe der Marke „Love our Planet“, die zu 100% vegan sind. Wir beobachten aber nach wie vor auch eine hohe Sensibilität bezüglich der Preise bei unseren Kunden. Dennoch stellen wir im Dialog mit den Kunden fest, dass das Thema Nachhaltigkeit weiter an Bedeutung gewinnt. Und wir werden diesen Weg auch weiterverfolgen.

Ein erneuter „Lockdown“ durch Corona wird den Online-Handel weiter in den Fokus rücken. Wie gut sind Sie dafür gerüstet?

Michele Leyendecker: Die Unternehmensgruppe DEICHMANN verkauft ihre Produkte aktuell über 40 eigene Onlineshops und vier Online-Marktplätze. Bereits Ende 2019 wurde für den reibungslosen Ausbau aller digitalen Prozesse ein komplett neues Rechenzentrum in Betrieb genommen. Auch beim Aufbau des digitalen Kompetenzzentrums in der Hauptverwaltung in Essen konnte DEICHMANN durch die Gewinnung zusätzlicher erfahrener Experten die Offensive im Digital-Bereich in den letzten Jahren stark vorantreiben.

Wie stehen Sie zu dem Thema „Billigproduktion aus dem Ausland“ in Ländern wie Indien oder China?

Michele Leyendecker: Grundsätzlich sollten alle Länder einen Anteil an der globalen Wertschöpfungskette haben können. Voraussetzung ist natürlich, dass überall die entsprechenden Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden. Bei der Vergabe von Aufträgen hat DEICHMANN neben den Qualitäts- auch die Sozialstandards der Lieferanten im Blick und setzt sich für angemessene Arbeitsbedingungen ein. Das Unternehmen will daran mitwirken, dass auch Arbeitsplätze in den Schwellenländern zukunftsfähig, sicher und sozial verantwortlich gestaltet werden. Ein wichtiges Instrument ist dabei der Code of Conduct, der für die DEICHMANN-Lieferanten verpflichtender Bestandteil der Lieferverträge ist. Der Kodex bindet die Lieferanten zum Beispiel an Produktionsverfahren und Bestimmungen zum Schutz der Arbeiter. Auf diese Weise fördert das Unternehmen den Schutz der Gesundheit und der Umwelt, die Arbeitssicherheit, geregelte Arbeitszeiten und klar geregelte Vergütung nach den nationalen Gesetzen. Der Kodex basiert auf den Normen der International Labour Organization (ILO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die damit beauftragt ist, soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte zu fördern und zu entwickeln. Um in Entwicklungsregionen dieser Welt Arbeitsbedingungen zu verbessern und Ressourcenverbrauch zu reduzieren, setzt DEICHMANN darüber hinaus seit vielen Jahren auf die Zusammenarbeit mit starken und unabhängigen Partnern. Gemeinsam mit der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, die heute mit zwei weiteren Entwicklungshilfeorganisationen in die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) übergegangen ist, hat das Unternehmen im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (Public Private Partnership: PPP) ein Projekt in Indien durchgeführt. Ziel dieses Pilotprojekts waren langfristig bessere Arbeits- und Umweltbedingungen in acht Zulieferbetrieben. Die Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt flossen in den Code of Conduct ein.  Auf europäischer Ebene ist die DEICHMANN-Gruppe Mitglied in der amfori BSCI (Business Social Compliance Initiative). Damit hat sie sich unter anderem verpflichtet, alle Lieferanten regelmäßig durch unabhängige Prüfer kontrollieren zu lassen. Lieferanten, die alle BSCI-Anforderungen erfüllen, werden ermutigt, weiter zu gehen und sich nach SA 8000 zertifizieren zu lassen. Diese Zertifizierung von Social Accountability International (SAI) ist ein internationaler Standard mit dem Ziel, Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern zu verbessern. Im Gegensatz zu nationalen Gesetzen und Verordnungen ist SA 8000 eine internationale Norm, deren Zertifizierung und Befolgung für die Unternehmen verbindlich ist. Sie basiert auf Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Vereinten Nationen (UN). Unabhängige Prüfer gehen – mal mit, mal ohne Voranmeldung – in die Betriebe und kontrollieren, ob der Code of Conduct und die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Hier arbeitet DEICHMANN unter anderem mit den technischen Überwachungsvereinen im In- und Ausland wie TÜV Süd, SGS , Intertek  und STR  zusammen. Werden Verstöße gegen den Code of Conduct festgestellt, wird ein Korrekturprozess eingeleitet, der das Ziel hat, solche Verstöße zukünftig auszuschließen – unter anderem durch Nachschulungen. Nur wenn diese Maßnahmen keine Abhilfe bringen, wird der Liefervertrag beendet. Das Abstellen von Missständen hilft den Lieferanten, sich auf dem Weltmarkt zu bewähren. So erhalten sie gemeinsam mit ihren Mitarbeitern ihre Chance, am globalen Wohlstand teilzuhaben. Die Erfahrungen aus mittlerweile fast 20 Jahren Arbeit mit dem Code of Conduct zeigen, dass der größte Teil der Lieferanten seinen Nutzen für den betrieblichen Alltag erkennt: Die Belegschaft arbeitet effizienter und produziert bessere Qualität, wenn sie die Erfahrung macht, dass ihr Arbeitgeber zuverlässige und für sie angemessene Rahmenbedingungen schafft. Hinzu kommt: Durch die höhere Effizienz stärkt der Lieferant seine Position im Wettbewerb. Den Kodex finden Sie im Internet.

Frau Leyendecker, vielen Dank für das Gespräch.

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Michele Leyendecker

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