Fondsratings – besser investieren

Interview mit Kevin Kronauer
Wir sprechen heute mit Kevin Kronauer, unabhängiger Honorarberater und Inhaber von finsparent in Heppenheim, über Fondsratings. Nach welchen Kriterien diese bewertet werden, ob sich diese für Anleger/-innen lohnen oder wo sie vielleicht besser mit ihrem Kapital aufgehoben wären, berichtet uns Herr Kronauer ganz genau. Seiner Meinung nach soll Investieren gar nicht so schwierig sein, wie meist gedacht. Er erklärt uns, wieso.

Fondsratings sollen Anlegern dabei helfen, aus tausenden von Produkten das Richtige auszusuchen. Nach welchen Kriterien arbeiten die Anbieter dieser Fondsratings?

Viele Anbieter bieten quantitative Ratings an, welche sich vor allem an der Vergangenheitsperformance orientieren. Manche Anbieter berücksichtigen allerdings auch weiche Faktoren, wie die zugrundeliegende Strategie und erstellen damit qualitative Ratings und/oder eine Mischung aus beiden. Bei den quantitativen Ratings werden die Fonds zunächst Fonds-Kategorien zugewiesen (bspw. Aktien Welt = Fonds, die meist in Aktien aus Industrieländern weltweit investieren) und dann die vergangene Rendite und das Risiko (einzeln und/oder im Verhältnis zueinander) innerhalb eines bestimmten Zeithorizonts (bspw. 3, 5 oder 10 Jahre) bewertet. Das Risiko wird dabei meistens anhand der Volatilität, also der Schwankung des Fonds gemessen. Die besten Fonds einer Kategorie bekommen dann die höchste Punktzahl oder die meisten Sterne. 

Aktuell stark verbreitet sind auch Nachhaltigkeitsratings, welche Anleger/-innen sagen sollen, in welche Fonds sie guten Gewissens investieren können.

Sind die Bewertungskriterien bei den großen Ratinganbietern gut nachvollziehbar?

Für Anleger/-innen sind die Kriterien meiner Erfahrung nach nicht gut nachvollziehbar, da es an einfach verständlichen und knappen, klaren Erklärungen mangelt. Der weltweit größte und wohl bekannteste Ratinganbieter ist Morningstar. Dieser bietet bspw. ein öffentliches Dokument mit ca. 20 Seiten zu seinem Rating-Prozess an. Allerdings werden sich Anleger/-innen solche Dokumente wohl nur sehr selten durchlesen, bevor sie in einen Fonds investieren. Selbst wenn Anleger/-innen solche Dokumente lesen, bezweifle ich stark, dass sie daraus einen Mehrwert ziehen bzw. einschätzen können, ob dieser Ratingprozess nun besser ist als ein anderer.

Die Nachhaltigkeits-Ratings sind aktuell noch sehr undurchsichtig und nur sehr schwer für Anleger/-innen nachvollziehbar.

Viele Anbieter werben mit guten Fondsratings. Wie aussagekräftig sind gute Fondsratings eigentlich wirklich?

In der Kapitalmarktforschung ist man sich einig darüber, dass die vergangene Performance eines Fonds keine Aussagekraft für die Zukunft hat. Im Kleingedruckten wird man das auch bei den Ratinganbietern jeweils so geschrieben finden. Es gibt auch einige Studien, die uns zeigen, dass grade Fonds, welche besonders gut performed haben, danach oft unterdurchschnittlich performen und andersherum. Wirtschafts-Nobelpreisträger William F. Sharpe brachte es gut auf den Punkt: „Das Einzige, was mit einiger Zuverlässigkeit vorhersagt, welche Investmentfonds in der Zukunft am besten abschneiden werden, sind ihre laufenden Kosten!“

Bei den Nachhaltigkeitsratings ist das Bild nicht wirklich besser. Eine Studie aus dem Jahr 2019 von Berg, Koelbel und Rigobon hat gezeigt, dass es immense Unterschiede in den Nachhaltigkeits-Ratings der verschiedenen Anbieter gibt. Die durchschnittliche Korrelation der Nachhaltigkeits-Ratings lag bei 0,61. Wären die Ratings identisch, wäre die Korrelation bei 1. Übersetzt bedeutet das, dass ein Unternehmen, das bei einem Anbieter besonders gut gerated ist, beim nächsten nicht zwangsläufig ebenfalls ein gutes Rating bekommt, obwohl es sich um dasselbe Unternehmen handelt. Die Korrelation von Kredit-Ratings liegt im Vergleich in der Regel bei 0,99, d.h. hier kann ich fast immer davon ausgehen, dass unterschiedliche Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit verschiedener Unternehmen und Länder nahezu immer identisch einschätzen. Die Unterschiede bei den Nachhaltigkeits-Ratings entstehen vor allem durch unterschiedliche Messmethoden und Gewichtungen.

Macht es als Anleger überhaupt Sinn, sich bei der Anlageentscheidung auf Fondsratings zu verlassen?

Wir hätten alle gerne eine Glaskugel, haben wir aber nicht. Welche Fonds in Zukunft am besten performen, wird uns auch kein Fondsrating zuverlässig sagen können. Natürlich gibt es immer wieder Ratings, welche richtig lagen. Allerdings ist auch Glück eine statistische Notwendigkeit. Mir gefällt hier ein Zitat von Prof. Dr. Hartmut Walz, Finanzprofessor an der Hochschule Ludwigshafen, sehr gut: „Auch eine kaputte Uhr zeigt zweimal am Tag die richtige Uhrzeit an.“ Er hat dies zwar in Bezug auf Crashpropheten geäußert, es passt aber auch bestens zu den Fondsratings. Untersuchungen der Mittelzuflüsse von „Outperformer-Fonds“ zeigen auch, dass viele Anleger/-innen erst dann investiert haben, als die Party vorbei war. Ein Fonds hat also in der Vergangenheit sehr gut performed, tolle Ratings bekommen und wurde medial in den Himmel gelobt und erst dann investieren die meisten Anleger/-innen. Dann läuft der Fonds nicht wie erhofft und die Anleger/-innen ziehen ihre Mittel wieder ab, weil sie vermutlich von ihrem Berater in den nächsten vermeintlichen Top-Fonds umgeschichtet werden. Meine kurze Antwort lautet also: Nein, ich würde mich nicht auf Fondsratings verlassen.

Mit Hilfe von Nachhaltigkeits-Ratings für sich passende Fonds auszuwählen, ist aktuell für Anleger/-innen sehr schwierig, da ein einheitlicher Standard fehlt, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet und vor allem, wie man diese misst und gewichtet. Einige jüngere „Greenwashing-Skandale“ zeigen, dass man sich auch auf diese Ratings nicht wirklich verlassen kann. Zudem gibt es noch wenig aussagekräftige Forschung, ob wir mit nachhaltigem Investieren die gewünschten und sicher sinnvollen Ziele erreichen können.

Welche Alternativen gibt es für Privatanleger, die Sie für sinnvoller erachten?

Die von der Wissenschaft empfohlene und deutlich entspanntere Alternative ist prognosefrei zu investieren. Da wir nicht zuverlässig vorhersagen können, welcher Fonds, welche Branche oder Wirtschaftsraum in Zukunft am besten performen wird, ist es am sinnvollsten, in alle verfügbaren Unternehmen zu investieren. Bestens für diese Anlagestrategie geeignet sind global gestreute ETFs, da sie besonders kostengünstig und transparent sind. Ein ETF bildet kurz gesagt einen beliebigen Index nach. Ein ETF auf den DAX würde z.B. einfach nur in die Unternehmen aus dem DAX in der entsprechenden Gewichtung investieren. Fällt ein Unternehmen raus, kommt ein Neues dazu oder ändert sich die Gewichtung zwischen den Unternehmen, führt der ETF diese Änderungen ebenfalls durch Käufe und Verkäufe durch. 

Möchte ich zusätzlich noch nachhaltig investieren, gibt es ETF-Produkte, welche bspw. die besonders unnachhaltigen Unternehmen herausfiltern. Ehrlichweise muss man aber sagen, dass es durch die bereits genannten Ratings hier nicht selten zu bösen Überraschungen kommen kann und auf einmal ein Öl-Produzent im ETF liegt, weil dieser bspw. besonders hohe Werte bei der Kategorie „Arbeitsbedingungen & Menschenrechte“ erhalten hat und/oder im Vergleich zu seinen Wettbewerbern in derselben Branche weniger Treibhausgase ausstößt.  

Und wie geht jetzt der Profi bei der Auswahl von Produkten vor?

Man muss definitiv kein Profi sein, um die für sich passenden Investmentprodukte zu wählen. Finanzberatung sollte man der Beratung wegen wahrnehmen und nicht, wie leider häufig von den Finanzvertrieben vermittelt, wegen der vermeintlich so großartigen und einzigartigen Produkte. Mir ist es deswegen wichtig, Informationen zu teilen, mit denen auch Do-it-Yourself-Anleger/-innen in der Praxis arbeiten können. Je nach Risikobereitschaft kann man sein Portfolio mit einer entsprechenden Mischung aus Aktien- und Anleihen-ETFs aufbauen. Eine gute Alternative zu Anleihen-ETFs kann auch ein Tagesgeld- oder Festgeldkonto sein, wenn man sich mit dem Thema Anleihen nicht beschäftigen möchte. Um prognosefrei zu investieren, ist es wichtig, keine Wetten einzugehen, indem man bspw. in einen Aktien-ETF ausschließlich bestehend aus amerikanischen Technologie-Unternehmen investiert. Bereits mit ein bis zwei Aktien-ETFs kann man sehr kostengünstig in über 85% der weltweit börsengehandelten Unternehmen investieren. So könnte man bspw. einen ETF auf die Industrieländer und einen auf die Schwellenländer besparen oder einen ETF auswählen, welcher beides abdeckt. Möchte man mit den Anleihen Sicherheit bei Aktienkursschwankungen ins Portfolio bringen, empfehlen sich für deutsche Anleger/-innen Anleihen-ETFs, welche europäische Staatsanleihen hoher Bonität und kurzer Laufzeit abbilden. Grundsätzlich würde ich Anleger/-innen raten, das Portfolio so simpel wie möglich zu gestalten. Viele ETFs und hohe Komplexität führen nicht automatisch zu besseren Anlageergebnissen. 

Hat man sein Portfolio auf der Meta-Ebene strukturiert, sind wichtige Kriterien bei der ETF-Auswahl die Fondsgröße, die Kosten und das Fondsalter. Um die Gefahr zu reduzieren, dass ein ETF aufgrund von Unrentabilität wieder geschlossen wird, sollte man ETFs wählen, welche ein Fondsvolumen von mindestens 100 Mio. € aufweisen und bestenfalls schon 3 Jahre am Markt sind. Bei großen ETF-Gesellschaften und einem hohen Fondsvolumen darf das Alter aber auch eine geringere Rolle spielen. Die Verwaltungskosten bei ETFs sind bereits sehr gering und liegen in der Regel unter 0,3% pro Jahr. Ein besserer Maßstab für die tatsächliche Kostenbelastung ist allerdings die sogenannte Tracking-Difference. Sie zeigt uns an, wie nah die Entwicklung des ETFs nach Abzug der Kosten in der Vergangenheit an der Wertentwicklung des zugrundeliegenden Index lag. Ein ETF kann nämlich besonders günstig sein, allerdings seinen Index sehr schlecht abgebildet haben, wodurch mir Kosten durch die entgangene Rendite entstanden sind. Da die Tracking-Difference für Anleger/-innen allerdings selten einsehbar ist und auch nur eine Vergangenheitsbetrachtung darstellt, ist es in der Praxis dennoch am sinnvollsten, sich an den Verwaltungskosten zu orientieren. Weitere individuell wichtige Kriterien können die Ertragsverwendung und die Replikationsmethode des ETFs sein. Um das Portfolio möglichst einfach und transparent zu gestalten, würde ich in der Regel zu thesaurierenden (d.h. Ausschüttungen in Form von Zinsen und Dividenden werden automatisch innerhalb des ETFs reinvestiert) und physischen ETFs raten. Bei ETFs mit hohen USA-Anteil lohnt es sich aufgrund eines besonderen Doppelbesteuerungsabkommens außerdem, ETFs mit dem Fondsdomizil Irland zu wählen.

Sofern Anleger/-innen noch einen Nachhaltigkeits-Filter in ihrem Portfolio einbauen möchten, könnten sie bspw. ESG- (ESG = Environmental, Social, Governance) oder SRI-ETFs (SRI = Socially Responsible Investing) nutzen. ESG-ETFs gibt es in verschiedenen Varianten (bspw. ESG Screened). Diese ETFs filtern zwar meist nur sehr wenige Unternehmen heraus, somit ist man aber trotzdem noch sehr diversifiziert und nah an der ursprünglichen Marktgewichtung dran. Bei SRI-ETFs wird deutlich strenger gefiltert, wodurch die Streuung natürlich ebenfalls stärker reduziert wird und man vom Markt stärker abweicht. Aber auch SRI-ETFs werden die eigenen Nachhaltigkeitspräferenzen wohl nicht zu 100% bedienen. Als Alternative bleiben dann nur aktiv gemanagte nachhaltige Fonds, welche allerdings wieder teurer sind und nicht dem Ansatz des prognosefreien Investierens entsprechen. Erst einmal die zukünftige Entwicklung beim nachhaltigen Investieren abzuwarten und lieber den Konsum nachhaltiger zu gestalten und den monatlichen Spendenbeitrag zu erhöhen, kann hier auch eine passende Lösung sein. Vor allem sollte man aber ehrlich zu sich sein. 200 € monatlich nachhaltig zu investieren, aber den Rest des Geldes in überwiegend nicht-nachhaltigen Konsum zu stecken, dient dann eher zur Beruhigung des eigenen Gewissens.

Und noch ein letzter Tipp für die eigene Recherche: gute Seiten zur ETF-Suche in Eigenregie sind justETF, extraETF und Finanzfluss („ETF-Suche“).

Herr Kronauer, vielen Dank für das Interview.

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Kevin Kronauer

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