Gökhan Kula: Die GameStop-Aktie

Interview mit Gökhan Kula
Gökhan Kula ist Vorstand der ALPS Family Office AG. Mit ihm sprechen wir über Demokratisierung des Kapitalmarkts, technologischen Fortschritt sowie „Reddit Army“.

Eine Community auf Reddit hat für Turbulenzen bei der GameStop-Aktie gesorgt. Wird die Börse durch das Ereignis „GameStop“ mehr und mehr zum Casino?

Gökhan Kula: In der Tat hat es das organisierte Vorgehen von Privatanlegern in dieser Art und Weise noch nie gegeben und hat zu einigen Turbulenzen insbesondere bei Hedgefonds geführt, die auf fallende Kurse gesetzt haben. Sicherlich ist es so, dass die „Demokratisierung“ des Kapitalmarktes durch den technologischen Fortschritt, der Reduktion der Transaktionskosten und der Verfügbarkeit von Zugänglichkeit zu relevanten Informationen in den letzten Jahren sehr fortgeschritten ist und dies auch die Preisbildung an den Märkten mehr und mehr beeinflusst. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass durch diese Ereignisse die Kapitalanlage im Allgemeinen riskanter wird bzw. Märkte perspektivisch volatiler werden. Große Auswirkungen gibt es jedoch für spezielle Hedgefonds, die mit ihrer Strategie auf fallende Kurse bei strauchelnden Unternehmen setzen, wie auch die jüngsten Ereignisse rund um die „Reddit Army“ gezeigt haben. Diese werden ihre Anlagestrategie dahingehend anpassen müssen, dass die Stimmungen und Handlungen der Privatanleger-Community berücksichtigt werden, um nicht selbst auf horrenden Verlusten sitzen zu bleiben.

Sind Neotrader für diese Entwicklungen mitverantwortlich?

Gökhan Kula: Selbstverständlich, diese Entwicklung ist unter dem Begriff „Demokratisierung“ des Kapitalmarktes gemeint. Mittlerweile können Privatanleger über Apps jederzeit Aktien bzw. andere Wertpapiere zu sehr geringen Kosten handeln. Der kometenhafte Aufstieg der Robinhood Plattform in den USA ist das beste Beispiel dafür, welche auch im Zuge der GameStop Ereignisse eine Hauptrolle als Handelsplattform für Privatanleger gespielt haben. Gemeinsam mit der Möglichkeit, bei diesen Neo-Brokern auch kreditfinanziert Aktien kaufen zu können, ergibt sich in Kombination mit den systematischen Absprachen zwischen Privatanlegern eine beeindruckende Marktmacht, wie sie im Fall GameStop milliardenschwere Hedgefonds in die Knie gezwungen hat.

Wie realitätsnah ist der Wert der Aktie in Relation zu dem Unternehmen GameStop und was fängt das Unternehmen mit dem Erfolg jetzt an?

Gökhan Kula: Fakt ist, dass das alte Geschäftsmodell von GameStop durch den Digitalisierungstrend stark unter Druck gekommen ist, die Corona-Pandemie hat den Trend zum Online-Handel zusätzlich befeuert und traditionelle Retail-Geschäftsmodelle noch stärker belastet. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass GameStop aufgrund des deutlichen Rückgangs beim Verkauf von Videospielen massiv Umsatz verloren hat und schon mehrmals kurz vor der Insolvenz gestanden ist. Insofern hat der von den Privatanlegern in die Höhe getriebene Kurs sicherlich nicht die fundamentalen Aussichten widergespiegelt, was sich ja dann auch in der Normalisierung des Aktienkurses nach dem Hype gezeigt hat.

Es kann das Fazit gezogen werden, dass das GameStop Management durch den starken Support von Seiten der Privatanleger eine weitere -vielleicht letzte?- Chance bekommen hat, ihr strauchelndes Geschäftsmodell anzupassen und zukunftsfähig zu machen. Mit der Direktplatzierung von 5 Mio. neuen Aktien wurden ca. USD 1,3 Mrd. eingenommen, die dringend benötigt wurden und nun die Bilanz stärken. Nach Aussage des Managements soll der unerwartete Geldregen in Wachstumsinitiativen fließen, um das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen. Ob dies dem Management jedoch tatsächlich gelingen wird, wird erst in den kommenden Jahren zu beobachten sein.

Wird das Phänomen „GameStop“ ein einmaliges Ereignis bleiben, oder kann man davon ausgehen, dass über das Ereignis hinaus mit weiteren Aktien spekuliert wird?

Gökhan Kula: An der Börse kommt es immer wieder zu starken Unter- bzw. Überbewertungen von Anlageklassen bzw. Unternehmen, das ist ein generelles Phänomen, da an den Kapitalmärkten die Zukunft und Emotionen gehandelt werden. Diese starken Kursbewegungen und Übertreibungen hat es vor GameStop schon gegeben, man erinnere sich nur an die Technologieblase zum Ende der 90er Jahre, dessen Euphorie bei Privatanlegern stellenweise auch derzeit beobachtet werden kann. Man darf nicht außer Acht lassen, dass eine spezielle Markt-Konstellation zu der starken Reddit-Bewegung geführt hat: eine Vielzahl von sog. Short-Sellern, die auf fallende Kurse des Unternehmens gesetzt haben. Sobald diese Wetten zurückgeführt werden, wird der Bewegung jedoch die ursprüngliche Geschäftsgrundlage genommen. Es werden jedoch immer wieder neue Unternehmen nach diesem Muster ins Visier der Reddit-Army kommen, wie im Nachgang von GameStop auch bei anderen Unternehmen wie AMC zu beobachten war.

In was für eine Situation werden große Hedgefonds durch die „Online-Investment-Allianz“ aus dem Netz gebracht?

Gökhan Kula: In erster Linie waren Hedgefonds betroffen, die auf fallende Kurse gesetzt haben (sog. Short-Seller) und durch die starke Gegenmacht der organisierten Privatanlegern mit sehr hohen Verlusten ihre Positionen schließen mussten. Diese werden sicherlich ihr Risikomanagement dahingehend anpassen, dass entweder bei einer gegenläufigen Entwicklung die Positionen viel früher geschlossen werden bzw. die Wetten dieser Hedgefonds generell heruntergefahren und nicht mehr in diesem Ausmaß platziert werden. Im Nachgang der Ereignisse und um GameStop hat es sogar Hedgefonds gegeben, die zukünftig auf Spekulationen mit Leerverkäufen komplett verzichten werden. Insofern hat die „Online-Investment-Allianz“ in diesem Segment bereits jetzt schon zu deutlichen Veränderungen geführt.

Können sich Hedgefonds und investierende Firmen vor solchen Angriffen schützen? Wird jemand in der Lage dazu sein Widerstand zu geben?

Gökhan Kula: Die regulatorische Aufarbeitung der Vorfälle steht noch aus, die US-Börsenaufsicht SEC ermittelt derzeit und hat vor allem Onlineplattformen wie Robinhood im Visier. Die Fragestellung der Rechtmäßigkeit konzertierter Preisabsprachen zwischen Privatanlegern ist dabei entscheidend, da an den Börsen Kursmanipulationen strengstens untersagt sind, da sind gesetzliche Anpassungen in der Zukunft zu erwarten. Neben regulatorischen Änderungen werden Hedgefonds als professionelle Investoren aus ihrem eigenen Risikomanagement heraus angehalten sein, die jüngsten Entwicklungen in ihre Anlagestrategie mit zu berücksichtigen. Schützenswert sind Kleinanleger, die im blinden Vertrauen auf steigende Kurse aufgrund der spekulativen Käufen am Ende auf großen Verlusten sitzenbleiben – da wird der Regulator wohl ansetzen, insbesondere was gehebelte bzw. kreditfinanzierte Käufe von Aktien anbelangt.

Herr Kula, vielen Dank für das Gespräch!

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