In Krisenzeiten können die Barbestände erhöhen – Holger Kuke

Interview mit Holger Kuke
Holger Kuke ist Honorarberater in Berlin. Im Interview spricht er über Vor- und Nachteile von ETFs im Vergleich mit aktiv gemanagten Fonds.

ETF gelten als einfaches und kostengünstiges Vehikel, um Aktien zu erwerben. Wie genau funktionieren diese Produkte?

Holger Kuke: Ein Exchange trade fund (ETF) ist ein an der Börse gehandelter Investmentfonds, der einen Index (z.B. DAX) über eine passive Anlagestrategie in der Regel 1:1 abbildet. Anders als bei den klassischen Investmentfonds, werden die Anteile nicht über eine Investmentgesellschaft, sondern an der Wertpapierbörse gehandelt.

ETF werden passiv gemanagt. Welche Vorteile ergeben sich für Investoren?

Holger Kuke: Keine Abhängigkeit vom Fondsmanagement: Im Gegensatz zu aktiven Investmentfonds ist die Performance eines ETFs nicht von der Qualität des Fondsmanagements abhängig. Das Risiko von Fehlinvestitionen oder durch einen Wechsel der Fondsmanager bestehen für den Anleger nicht.

Kosten: ETFs sind deutlich kostengünstiger als aktiv gemanagte Investmentfonds. Im Vergleich zu aktiv gemanagten Investmentfonds gibt es in der Regel keine Ausgabeaufschläge. Die Verwaltungsvergütungen sind im Vergleich zu aktiv gemanagten Investmentfonds aufgrund des geringeren Verwaltungsaufwandes wesentlich geringer. Die Verwaltungsvergütungen liegen bei ETFs meistens zwischen 0,2% und 0,6%, bei aktiv gemanagten Investmentfonds meistens zwischen 0,8% und 2,0%. Die Managementgebühren werden bei ETFs nicht benötigt, da der Referenzindex bei der Investition vorgegeben ist und das Fondsmanagement keine ständigen Umschichtungen bzw. kostenpflichtige Analyse von Wertpapieren vornehmen muss. Es gibt bei ETFs kein Portfoliomanagement.

Handelbarkeit: ETFs sind, wie zum Beispiel Aktien, jederzeit an der Börse handelbar.

Transparenz: ETFs haben das Ziel, den zugrundeliegenden Index möglichst genau nachzubilden und die gleiche Entwicklung vor Kosten wie der Index zu erzielen. Steigt der Index um 1%, dann müsste im Optimalfall der ETF (ohne Berücksichtigung der Kosten) um 1% steigen. Die Wertentwicklung von ETFs sind für den Anleger nachvollziehbar und damit sehr transparent.

Welche Arten von ETF gibt es bzw. worin unterscheiden sich die Produkte?

Holger Kuke: Nach Anlagesegmenten:

ETFs gibt es mittlerweile auf fast alle Anlageklassen. Es gibt neben den Index¬fonds auf die Aktienmärkte wie zum Beispiel den „DAX“ oder den internationalen Index „MSCI World“ auch Indexfonds auf Rohstoffe, Devisen, Anleihen oder spezielle Fonds auf Regionen oder Anlagestrategien.

Nach Ausschüttungsarten:

THESAURIERENDE INDEXFONDS: Thesauriende ETFs legen die Erträge, zum Beispiel Dividendenzahlungen, sofort wieder im Fondsvermögen an. Anleger profitieren so von einer Art Zinseszinseffekt, da sich das Vermögen nicht nur durch die eingezahlten Beträge und die Kursgewinne erhöht, sondern auch durch die erzielten Erträge.

AUSSCHÜTTENDE INDEXFONDS: Ausschüttende ETFs schütten die Erträge wie Aktiendividenden, Anleihezinsen und andere Erträge regelmäßig an den Anleger aus. Die Erträge kann der Anleger wieder in den ETF anlegen oder zum Beispiel für den Konsum nutzen.

Nach Bauarten:

PHYSISCHER ETF: Ein physischer ETF bildet einen Index nach, indem er die im Index enthaltenen Werte tatsächlich kauft (direkte Replikation). Kauft der ETF-Anbieter (Emittenten) tatsächlich alle im Index enthaltenen Wertpapiere, dann wird das als Vollreplikation bezeichnet. Manche Emittenten kaufen und verkaufen nur die im Index gelisteten Aktien, die einen gewichtigen Einfluss auf die Indexentwicklung haben. Das nennt sich optimiertes Sampling. Diese Vorgehensweise kann allerdings leichter zu Abweichungen bei der Kursentwicklung zwischen ETF und Index führen.

SYNTHETISCHER ETF: Synthetisch replizierende ETFs kaufen die Titel, die im zugrundeliegenden Index enthalten sind, nicht. Sie bilden die Indexentwicklung über Tauschgeschäfte, sogenannte Swaps, ab. Das Swap-Geschäft (auch Total-Return-Swap genannt) ist ein Derivategeschäft, das zwischen dem ETF-Anbieter und einem Swap-Kontrahenten abgewickelt wird. In der Praxis ist der Swap-Kontrahent des ETFs häufig der Mutterkonzern des ETF-Anbieters.

Das Swap-Geschäft funktioniert so: Die in einem synthetischen ETF liegenden Anlegergelder werden in einen Wertpapierkorb investiert. Dieser dient als Sicherheit für das Swap-Geschäft. Die Wertpapiere im Sicherheiten-Portfolio müssen nicht zwangsweise mit den Titeln des nachgebildeten Index‘ übereinstimmen. Ein synthetischer ETF auf den MSCI Europe kann im Sicherheiten-Portfolio also auch amerikanische Aktien enthalten. Der Swap-Kontrahent zahlt dem ETF die Indexrendite inklusive aller Dividendenzahlungen und erhält dafür im Austausch eine Gebühr (Swap-Gebühr) sowie die Rendite der Wertpapiere im Sicherheiten-Portfolio.

WAS IST BESSER? Die synthetische Replikation ist günstiger als der physische Kauf und Verkauf, das Risiko ist allerdings höher als bei der direkten Replikation. Sollte der Swap-Kontrahent nämlich zahlungsunfähig werden, gehen Anlegern mitunter ihre kompletten Einlagen verloren.

Worin investieren Menschen derzeit mehr, in Aktien- oder Renten-ETF?

Holger Kuke: Bei der aktuellen Niedrigzinsphase auf den weltweiten wichtigsten Rentenmärkten (USA, Europa, Japan) wollen die Menschen überwiegend in Aktien-ETFs investieren. Aus Gründen der Risikodiversifikation empfehle ich den Anlegern trotz des Niedrigzinsniveaus und den geringen Ertragsaussichten eine Investition in Renten- und Geldmarkt-ETFs, um die Risiken für die Anleger zu minimieren.

Skeptiker sprechen von Gefahren, im Zusammenhang mit ETFs. Sehen Sie ebenfalls Risiken in der Assetklasse? Welche?

Holger Kuke: Es gibt verschiedenen Risiken bei der Geldanlage in ETFs.

Währungsrisiken:

Einige ETFs auf die internationalen Aktienindizes wie zum Beispiel „MSCI World“ oder wie zum Beispiel auf die amerikanischen Renten- bzw. Geldmärkte notieren in USD. Ein Euro-Anleger kann unter Umständen nicht vollständig von der positiven Entwicklung der Referenzindizes profitieren oder sogar Verluste erleiden, wenn der Euro gleichzeitig zur positiven Wertentwicklung des Fonds aufwertet. Langfristig gleichen sich die Wechselkursschwankungen aber aus. Es gibt bei ETFs in der Regel keine Währungsabsicherungen.

Liquidität/Barreserven:

ETFs halten weniger Barreserven als aktiv gemanagte Fonds. Bei den jüngsten Abverkäufen in Verbindung mit der „Corona-Pandemie“ gab es bei ETFs auf einigen illiquiden Märkten wie zum Beispiel bei Renten-ETFs auf Hochrisikoanleihen (Junkbonds) deutliche Abweichungen zwischen dem Fondspreis und dem Preis der im Fonds befindlichen Wertpapiere.

Monopolisierung der Märkte:

Durch die steigende Nachfrage nach ETFs zum Beispiel auf den internationalen Index „MSCI World“ werden Aktien wie zum Beispiel „Apple, Facebook, Amazon“ immer stärker gewichtet und es führt zu Kursübertreibungen und starken Überbewertungen von einigen Aktienwerten.

Studien besagen, dass Fondsmanager den Markt auch nicht schlagen. Gibt es trotzdem Vorteile, die für aktive gemanagte Fonds sprechen?

Holger Kuke: Es gibt aktiv gemanagte Investmentfonds, die eine bessere Performance als die Benchmark (Referenzindex) aufweisen. In Krisenzeiten können die Fondsmanager bei den aktiv gemangten Investmentfonds die Barbestände erhöhen und die möglichen Abwärtsrisken für den Anleger reduzieren. Durch die Nutzung von Absicherungsinstrumenten (Optionen, Futures, usw.) können die Risiken minimiert und die Wertentwicklung verbessert werden. Auch das Risiko von überwerteten Aktien in den Referenzindizes (aktuell Technologieaktien wie Apple, Facebook, Amazon usw.) kann das aktive Fondsmanagement durch eine Reduzierung der Aktienbestände entgegenwirken und Ungleichgewichte an den Kapitalmärkten besser ausgleichen.

Anlagetip: Der Anleger sollte aktiv gemangte Investmentfonds über Discountbroker bzw. über Honorarberater erwerben. Bei der Geldanlage über einen Honorarberater erhält der Anleger die Vertriebsvergütungen („Kickbacks“) erstattet. Auch die Ausgabeaufschläge bekommt der Anleger erstattet.

Herr Kuke, vielen Dank für das Gespräch.

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