Kevin Reeder: Internationale Investoren haben die Lücke schnell erkannt

Interview mit Kevin Reeder
Kevin Reeder ist Geschäftsführer/CEO bei bm-t beteiligungsmanagement thüringen gmbh. Mit ihm sprechen wir im Interview über Risikokapital, internationale Kapitalanleger sowie Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft.

Von 2012 bis 2019 wuchs laut statista das Volumen von Venture Capital in Deutschland von 574 auf 1.740 Millionen Euro. Ist hierzulande ausreichend Risikokapital verfügbar, um den Kapitalbedarf innovativer Start Up Unternehmen zu decken?

Kevin Reeder: Deutschland ist ein guter Standort, um ein innovatives Start-Up zu gründen. Das Pre-Seed und Seed Kapital dafür zu bekommen, ist auch nicht so schwierig. Aber auch mit einem erfreulichen Anstieg des Venture Capital Volumens hier zu Lande, ist es immer noch viel zu schwer, eine 10+ Mio. EUR Runde hinzubekommen, ganz zu schweigen von einer 50-100 Mio. EUR Runde oder mehr. Und in der Tat sind solche Summen sehr oft notwendig, um einen schnellen Markteintritt zu schaffen und sich in einer marktführenden Rolle wiederzufinden. Der vom Bund angedachte 10 Mrd. € Zukunftsfonds könnte sicherlich für größere Tickets eine wichtige Rolle spielen.

Internationale Kapitalanleger interessieren sich vermehrt für Start Up Unternehmen aus der EU. Rund ein Viertel des Kapitals aus Finanzierungsrunden deutscher Start Up Unternehmen stammt beispielweise von US-Investoren. Handelt es sich um einen nachhaltigen Trend?

Kevin Reeder: Ich denke, die internationalen Investoren haben erkannt, dass es in der EU sehr viele spannende Start-Ups gibt, die zumindest teilweise auf Grund des Kapitalmangels nur begrenzt wachsen könnten. Die Stärke der hiesigen Start-Ups hat sich schneller entwickelt als die Summen und Vielfalt des vorhandenen VC Kapitals in Europa. Internationale Investoren haben diese Lücke schnell erkannt und klug gefüllt. Ob dieses Phänomen ein Trend oder eine kurze Phase ist, hängt maßgeblich davon ab, wie schnell sich die VC Industrie innerhalb der EU weiterentwickelt. Es ist auch nicht nur eine Frage von Geld, es geht um viel mehr. Die VCs in der EU müssen nämlich auch in der Lage sein, aufstrebende Start-Ups auf dem internationalen Parkett gut zu unterstützen. Bestimmt haben Start-Ups in Europa häufig US Investoren den Vorrang gegeben, auch wenn es andere Angebote aus der EU gab, weil sie glaubten, damit schneller und besser ihr Geschäft in den USA oder weltweit skalieren zu können.

Welche Stärken und Schwächen bietet Deutschland aus Sicht von Start Up Unternehmen und Investoren?

Kevin Reeder: Deutschland hat ein enorm starkes Engineering und technisches Talent auf so vielen Gebieten, das auch nicht als überteuert erachtet wird. Einerseits ist es ein sehr gut organisiertes Land mit klaren Regeln, die aber andererseits ein kleines Start-up mit begrenzten Personalressourcen einengen können. Letztlich hat ein Start-Up hier einen sehr stabilen Boden, um seine Technologien gut zu entwickeln, ohne zu viel Kapital investieren zu müssen. Historisch tritt immer die Schwäche ab dem Punkt zu Tage, wenn das internationale Marketing startet. Selbst die beste Technologie verkauft sich bekanntlich nicht von alleine. Aber ich kann zumindest aus meiner Perspektive als Geschäftsführer der bm|t in Thüringen eine deutliche Verbesserung an dieser Front in den letzten zehn Jahren feststellen. Es gibt auch mehr Gründer*innen, die nicht nur die Technologie an sich in den Vordergrund stellen, sondern die es auch verstanden haben, das Geschäft und Technologie eine notwendige Einheit sind, um eine erfolgreiche Firma aufzubauen.

In welchen Bereichen ist die deutsche Wirtschaft innovationsstark und die heimischen Start Up Unternehmen international wettbewerbsfähig?

Kevin Reeder: In sehr viele Bereichen ist die deutsche Wirtschaft innovationsstark: High-tech Engineering, Hardware (bestimmt auch mittlerweile Software), Maschinenbau, Robotics, Optik, Materials Sciences, Chemie, Logistik, und und und …

Deutschland (ohne Frage mit ein paar nennenswerten Ausnahmen) hat sicherlich bis jetzt unter seinen Möglichkeiten in neueren Kategorien wie E-Commerce, Big Data, und KI performed. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir in vielen von diesen Kategorien gut aufholen werden und eigentlich sind wir auch schon dabei, das zu tun.

Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft? Welche Rolle spielen universitäre Ausgründungen in der Start Up Landschaft?

Kevin Reeder: In der Tat sehe ich einen reibungslosen Transfer zwischen Forschung (Unis, Institute, etc.) und der Wirtschaft als den Punkt, an dem ein enormes Potential in Deutschland herauszuholen ist. Ausgründungen aus den Universitäten, Instituten und Forschungseinrichtungen spielen schon eine bedeutende Rolle, aber es müssen noch mehr werden. Bei der bm|t gehen ungefähr ein Drittel unserer Start-Up Investments in solche Ausgründungen. Wir haben hier in Thüringen sehr starke Universitäten, Fachhochschulen und Institute in Relation zu unserer Wirtschaftsgröße, sodass diese Zahl vielleicht nicht auf ganz Deutschland zu extrapolieren wäre.

Ab und zu begegnet man in der Forschung einer Mentalität, bei der die Kommerzialisierung der dort entwickelten Technologien sogar als kritisch betrachtet wird. Ich denke, es muss möglich sein, die Reinheit der akademischen Forschung, die ohne Frage für die Menschheit wichtig ist, und die Offenheit, die daraus resultierenden Errungenschaften in den Märkten nützlicher für die breite Gesellschaft zu machen, zu kombinieren. Daran können wir alle zusammenarbeiten.

Welche zusätzlichen Impulse könnte der Gesetzgeber geben, um Deutschland für Gründer und Investoren noch attraktiver zu machen?

Kevin Reeder: Start-Ups in Deutschland könnten Talente besser akquirieren und behalten, wenn sie Stock Options häufiger, breiter und aggressiver einsetzen würden. Aber dafür braucht es auch steuerliche Verbesserungen vom Gesetzgeber. Die relativ neue Bewegung aus der VC Szene #ESOPasap adressiert genau diesen Punkt und ich hoffe sehr, dass wir deutliche Verbesserungen erreichen können.

Herr Reeder, vielen Dank für das Gespräch!

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