Lutz Honstetter: Nachhaltigkeit hat einen sehr hohen Stellenwert in der Finanzbranche

Interview mit Lutz Honstetter
Lutz Honstetter ist Chief Investment Officer bei der Zurich Gruppe Deutschland. Mit ihm sprechen wir über umweltfreundliche Investitionen, nachhaltige Geldanlagen sowie Klimaschutz.

Welche Investitionen sind umweltfreundlich und was zählt zu nachhaltigen Geldanlagen?

Lutz Honstetter: Es gibt verschiedene Formen von umweltfreundlichen Investitionen bei Zurich. Beispiele hierfür sind sogenannte Impact Investments, also Investitionen, welche neben ihren ordentlichen Renditen gezielt und messbar Umweltrisiken verringern, und/oder die Widerstandsfähigkeit einzelner Kommunen gegen Umweltkatastrophen fördern. Dazu zählen unter anderem sog. Green Bonds, welche entweder von einem Staat (oder staatsnahen Emittenten) oder einem Unternehmen emittiert werden, um Kapital an den Kapitalmärkten einzusammeln, mit dem Ziel, ökologische Projekte zu finanzieren. Auch die Finanzierung von Wind- oder Solarparks zur Gewinnung nachhaltiger Energie zählt zu unseren umweltfreundlichen Investitionen dazu. Der Begriff nachhaltige Geldanlage ist bei der Zurich noch etwas breiter gefasst, da er generell Investitionen einschließt, bei denen Nachhaltigkeitsaspekte wie bspw. ESG Faktoren (Umwelt, Soziales, gute Unternehmensführung) beurteilt und bei Anlageentscheidungen berücksichtigt werden.

Der Umweltgedanke wird in vielen Bereichen immer wichtiger. Welche Rolle spielt der Klimaschutz bei Geldanlagen?

Lutz Honstetter: Eine sehr wichtige, da wir durch das zu investierende Kapital die Realwirtschaft auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen können. Als ein großer und global agierender Investor haben wir die Möglichkeit, entweder direkt oder indirekt über unsere externen Vermögensverwalter mit dem Management der Unternehmen, in die wir investieren, in den Dialog zu treten. Wir sprechen gezielt an, inwiefern der Aspekt Nachhaltigkeit in der Strategie der einzelnen Unternehmen berücksichtigt wird. Dabei werden auch Bedenken und Verbesserungsvorschläge adressiert und diskutiert. Eine zusätzliche Option zur Mitbestimmung bei der Unternehmensstrategie haben wir, wenn wir Aktionär, also (Mit)-inhaber eines Unternehmens sind. In einem solchen Fall üben wir auf der Hauptversammlung des Unternehmens unsere Stimmrechte aus. Bei Bedarf stimmen wir gegen eine Unternehmensstrategie, sofern die vom Vorstand des investierten Unternehmens vorgestellte Strategie unserer Ansicht nach den Aspekt Nachhaltigkeit nicht ausreichend berücksichtigt. Aber auch dadurch, dass wir weiterhin zum Teil in weniger nachhaltige Unternehmen investiert bleiben, können wir die Strategie dieser Unternehmen beeinflussen und so unseren aktiven Beitrag dazu leisten, ganze Sektoren auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft zu unterstützen.

Wie wird das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche behandelt?

Lutz Honstetter: Das Thema Nachhaltigkeit hat einen sehr hohen Stellenwert in der Finanzbranche und wir gehen auch davon aus, dass dies so bleiben wird. Durch die Bereitstellung von Kapital hat die Finanzwirtschaft eine tragende Rolle bei der Transition zu einer emissionsärmeren Realwirtschaft. Dennoch geht es uns auch darum, nachhaltiges Investieren stetig weiterzuentwickeln und in der Industrie noch präsenter zu machen. Dies machen wir durch verschiedene Initiativen, bspw. durch die Net-Zero Asset Owner Alliance, bei der wir uns gemeinsam mit anderen Investoren das Ziel auferlegt haben, bis 2050 ein klimaneutrales Investment Portfolio aufzuweisen, aber auch die UN Principles for Responsible Investment, die wir seit 2012 unterzeichnet haben.

Wie rentabel und sicher sind nachhaltige Geldanlagen im Vergleich zu klassischen Kapitalanlagen?

Lutz Honstetter: Nachhaltig zu investieren bedeutet nicht, auf Rendite zu verzichten. Stattdessen beschäftigt sich die Analyse von Nachhaltigkeitsaspekten damit Risiken, aber auch Chancen frühzeitig zu erkennen und dies neben den klassischen Finanzkennzahlen in der Investitionsentscheidung zu berücksichtigen. Daher sind wir der Meinung, dass eine fundamentale Analyse von Unternehmen ergänzt um Nachhaltigkeitsaspekte langfristig bessere risiko-adjustierte Erträge generiert. Das wird auch durch akademische Studien untermauert: Ein Portfolio, das neben klassischen Finanzkennzahlen darüber hinaus auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt, weist im Schnitt drei zentrale Charakteristika auf: (i) eine ganzheitlichere Risikobetrachtung, da neben konventionellen Risiken auch ESG-Risiken (z.B. Klima- oder Reputationsrisiken) berücksichtigt werden, (ii) eine höhere durchschnittliche Qualität im Portfolio („fundamental gesündere Unternehmen können sich mehr ESG leisten“) und (iii) eine stärkere Zukunftsorientierung durch ein implizites Übergewicht von Wirtschaftssektoren der „New Economy“ (z.B. IT) und ein Untergewicht im Segment der „Old Economy“ (wie fossile Energieträger). Somit liefert die ESG-Integration in die Investmentstrategie strukturell höhere risikoadjustierte Renditen. Diese Erkenntnisse decken sich auch mit unseren praktischen Erfahrungen im Investment Management.

Was steckt hinter dem FNG-Siegel und für wie sinnvoll halten Sie diese Zertifizierung?

Lutz Honstetter: Insbesondere der Markt für nachhaltige Investmentfonds ist aufgrund des stark wachsenden Angebots sowie der zum Teil noch vage und auf Eigenverantwortung bei der Fondsklassifikation ausgelegten Regulatorik für den Privatanleger vergleichsweise unübersichtlich. Unabhängige, externe Ratings von Investmentfonds wie das „FNG-Siegel“ können hier eine wertvolle Orientierungsgröße für Privatkunden sein. Das FNG-Siegel verfolgt dabei sicherlich einen vergleichsweise ganzheitlichen Ansatz, der viele Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt und zudem durch die Kooperation mit der Universität Hamburg durchaus auch Glaubwürdigkeit ausstrahlt.

Für uns als institutioneller Investor ist jedoch die eigenständige Fondsanalyse und -selektion als fester Bestandteil unseres Investmentprozesses unumgänglich. Wir prüfen jeden Investmentfonds vor einer Aufnahme in unser Fondsuniversum auf Herz und Nieren. Dazu arbeiten wir auch mit externen Datenanbietern, die unsere Fondsanalyse quantitativ untermauern. Bei nachhaltigen Investmentfonds ist neben der Qualitäts- und Performancedimension essenziell, dass der verfolgte Nachhaltigkeitsansatz des Fonds unseren Zurich internen Nachhaltigkeitsstandards für Fondspolicen genügt. Unser Investmentprozess sieht dabei zudem eine kontinuierliche Überwachung der von uns ausgewählten Investmentfonds vor. So stellen wir sicher, dass diese Fonds unsere strengen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsansprüche fortlaufend erfüllen. Dabei sind wir nicht kompromissbereit: Steht bei einem nachhaltigen Investmentfonds beispielsweise eine Verletzung unserer Nachhaltigkeitskriterien im Raum und liefert der Engagement-Dialog mit dem Fondsanbieter keine Abhilfe, wird der Fonds aus dem Fondsuniversum entfernt. Darauf können sich unser Kunde verlassen. In jedem Fall ist es bei externen Ratinganbietern äußert wichtig, ganz genau auf die Methodologie zu schauen und sich ein eigenes, fundiertes Bild zu machen. Nicht selten tauchen in diesem Kontext Widersprüche auf. Beispielsweise kommt es vor, dass Fondsanbieter zwar strenge Umsatzschwellen für kontroverse Sektoren für die Titel im Fondsportfolio versprechen, sich diese aber nicht verbindlich in den Anlagerichtlinien des Fonds wiederfinden. Diese Aspekte prüfen wir vor einem Engagement ganz genau – und verlassen uns dabei nicht auf externe Siegel.

Herr Honstetter, vielen Dank für das Gespräch!

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