Sara Buschner: In den letzten Jahren konnten Versicherer wohl kaum Gewinne erwirtschaften

Interview mit Sara Buschner
Sara Buschner ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei Buschner in Hagen. Mit ihr sprechen wir über D&O-Versicherung, Absicherung für Unternehmen sowie Organisationsverschulden.

Vor allem Manager, Vorstände und Geschäftsführer tragen viel Verantwortung. Eine D&O-Versicherung soll im Schadensfall schützen. In welchen Fällen greift eine D&O-Versicherung?

Sara Buschner: Eine D & O Versicherung ist der Art nach eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die ein Unternehmen zur Absicherung des persönlichen Haftungsrisikos seiner Organe oder leitenden Angestellten abschließt. Die D & O Versicherung gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass ein Vorstandsmitglied, Geschäftsführer, Aufsichtsrat, leitende Angestellte oder eine andere versicherte Person bei Ausübung der versicherten Tätigkeit eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und aufgrund von gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen in Anspruch genommen wird. Hier sind im Wesentlichen 3 Haftungsquellen zu nennen:

Organisationsverschulden (z. B. mangelhafte Unternehmensstrukturen mit fehlender Definition und Zuweisung von Aufgaben und daraus resultierend schlechte Ergebnisse, Fehleinschätzung von Unternehmensrisiken, fehlendes Risikomanagement),

Auswahlverschulden (z. B. fehlende Sorgfalt bei der Auswahl von Personal oder -Dienstleistern, fehlerbehaftete Investitionsentscheidungen, die eine Sondierung der Marktlage vermissen lassen oder das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht oder fehlerhaft einschätzen) und Überwachungsverschulden (z. B. Versäumen von Fristen im Zusammenhang von Subventionen oder Abgaben).

Bei der D & O Versicherung tritt der sogenannte Versicherungsfall allerdings erst ein, wenn ein solcher Anspruch aufgrund eines schädigenden Verhaltens auch tatsächlich mit einem Anspruchsschreiben geltend gemacht wird und nicht schon dann, wenn der Schaden eingetreten ist. Dies ist das sogenannte Claims-Made-Prinzip oder Anspruchserhebungsprinzip.

Wie würden Sie das einschätzen: Braucht wirklich jeder Manager eine D&O-Versicherung?

Sara Buschner: Ja, denn auch bei kleinen und mittelgroßen Firmen sowie bei Stiftungen ist es inzwischen üblich, die dortigen Entscheider in Anspruch zu nehmen.

Entscheider haften schon bei leichter Fahrlässigkeit gesamtschuldnerisch -also nicht nur für eigenes Verschulden- unbegrenzt mit ihrem privaten Vermögen im Innen- und Außenverhältnis und unterliegen dabei zusätzlich auch noch der Beweislastumkehr, müssen also beweisen, dass sie keinen Fehler begangen haben. Wer entscheidet, trägt Verantwortung und haftet für Fehler im Zweifel also mit seinem Privatvermögen. Anders als z. B. bei einem GmbH Gesellschafter ist die Haftung nicht beschränkt. Erfolgt eine Freistellung -was üblich ist-, hat der Entscheider noch nicht einmal mehr Zugriff auf entlastende Dokumente.

Worauf sollten Personen in Führungsposition bei der Wahl der D&O-Versicherung Ihrer Meinung nach achten? Welche Deckungssummen sind angebracht und welche Risiken verbergen sich im Kleingedruckten der Versicherungsverträge?

Sara Buschner: Zentral ist sicherlich, dass die D & O Versicherung zum Risikoprofil des Entscheiders/ der Entscheiderin passt. Ein kleines mittelständischen Unternehmen, das keine Risiken im Ausland hat, ergibt ein anderes Risikoprofil als ein Großunternehmen mit zahlreichen Auslandsrisiken und einer evtl. engagierten Finanzstrategie. Auch spielt es eine Rolle, in welcher finanziellen Größenordnung ein Unternehmen aufgestellt ist und wie man die eigenen Risiken bewertet. Die Beratung zu einer D & O Versicherung ist extrem komplex und sollte daher unbedingt von darauf tatsächlich spezialisierten Maklern erfolgen. Diese können sowohl die im konkreten Fall sinnvolle, aber auch ausreichende Deckungssumme ermitteln, wie auch die Bausteine identifizieren, die der Versicherungsschutz enthalten sollte. Als solche sind lediglich beispielhaft zu nennen:

•          Nachhaftungsfristen: sie regeln, wie lange nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen für Schadenfälle Versicherungsleistungen erbracht werden. Im Idealfall sollte sie unbegrenzt sein.

•          Gehaltsregelungen: bei Schadenfällen ist eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen oft nicht möglich oder es erfolgt eine Freistellung. Hier sollte die D & O Versicherung das Gehalt absichern. Mindestens für 1 Jahr, besser für mehrere Jahre. Geachtet werden muss auch auf die Summe, die für Gehaltsausfall versichert wird.

•          Der Schutzbereich des Vertrages sollte jeweils an die aktuelle Rechtsprechung angepasst sein

•          Nur Vorsatzausschluss: die Versicherung sollte im Falle leichter und grober Fahrlässigkeit leisten und nur den sog. „direkten Vorsatz“ ausschließen

•          Notfall- und Sofortleistung: sie stellen sicher, dass die Schadenregulierung im Schadenfall schnell geht und der Entscheider / die Entscheiderin schnell reagieren kann

•          Vorsorgliche Rechtsberatung und freie Anwaltswahl

•          Unbeschränkte Rückwärtsversicherung: sie bietet Versicherungsschutz für Verstöße bzw. Pflichtverletzungen in der Vergangenheit, die bei der Antragsstellung nicht bekannt waren. Nach dem Claims-Made-Prinzip oder Anspruchserhebungsprinzip wären ansonsten erst Schadenfälle versichert, wenn sie geltend gemacht wurden. Oft sind Schadenfälle aber schon entstanden, bevor der Entscheider / die Entscheiderin davon Kenntnis erlangt und daher ggf. schon bevor die Versicherung greift.

•          Verjährungsfristen: Die Schutzfristen aus dem Vertrag müssen unbedingt an die gesetzlichen Fristen der Organhaftung angepasst sein, also 5 bzw. bei börsennotierten Unternehmen 10 Jahre betragen

•          Kontinuitätsgarantie: sollte der Versicherer bei einer Vertragsverlängerung bestimmte Leistungen gekürzt haben stellt diese Klausel sicher, dass diese Kürzungen für rückwirkende Fälle nicht gelten. Sie konserviert sozusagen den Versicherungsschutz.

Das sogenannte Kleingedruckte sollte daher dahingehend überprüft werden, ob diese Bausteine enthalten sind.

In den letzten Jahren haben D&O-Versicherungen die Deckungssummen reduziert. Kam es vermehrt zu Schadenfällen oder gibt es andere Hintergründe?

Sara Buschner: In den letzten Jahren konnten Versicherer wohl kaum Gewinne erwirtschaften. Wie aus einer Übersicht des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervorgeht überstiegen die Schäden die Einnahmen insbesondere bei der D & O Versicherung beträchtlich. Aus diesem Grunde sahen sich die Versicherer gezwungen, ihre Vertragswerke anzupassen. Die D & O Versicherung deckt in der Regel Schäden ab, die aus Innen- oder Außenansprüchen entstehen können. In diesem Versicherungsbereich waren die Bilanzen der Versicherer in den letzten Jahren so negativ, dass viele D&O-Versicherungsanbieter inzwischen ganz aus dem Markt ausgestiegen sind. Die noch verbliebenen Versicherer sind an riskanteren Geschäften kaum noch interessiert oder zeichnen derzeit überhaupt kein Neugeschäft. Die Prämien sind zum Teil stark gestiegen, während die Versicherungssummen gekürzt und Bedingungswerke verschärft wurden.

Im Schadensfall sind die Interessen von Unternehmen und Managern nicht deckungsgleich. Lohnt es sich für Führungskräfte eine eigene D&O-Versicherung abzuschließen?

Sara Buschner: Man unterscheidet Unternehmens D & O Verträge und persönliche D & O Verträge. Erstere werden seitens des Unternehmens für aktuelle und künftige Vorstände, Geschäftsführer, leitenden Angestellten, Compliance Officer, Datenschutzbeauftragte, Leiter von Rechtsabteilung etc. abgeschlossen. Das Unternehmen ist Versicherungsnehmer. Die D&O-Versicherung verhindert, dass das Unternehmen im Schadensfall in eine finanzielle Schieflage gerät. Im Unterschied dazu ist bei einer Personal D&O nicht das Unternehmen, sondern die Führungskraft selbst Versicherungsnehmer. So besteht die Möglichkeit, wichtige Punkte (s. o.) selbstbestimmt zu verhandeln und man ist nicht (mehr) von der Unternehmens-D&O-Versicherung abhängig. Im Schadensfall muss die Deckungssumme nicht mit anderen Entscheidern geteilt werden. Insofern die versicherte Person in mehreren Unternehmen, Beiräten oder Stiftungen als Organ tätig ist, kann dies über einen oder mehrere D&O-Versicherungsverträge abgesichert werden. Es gibt Aspekte innerhalb eines D & O Versicherungsvertrages, auf die eine Führungskraft keinen Einfluss nehmen kann. Aus diesem Grunde kann eine eigene, persönliche D&O-Absicherung ggf. ergänzend, empfehlenswert sein, um im Schadenfall ausreichend abgesichert zu sein. Insbesondere nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen ist man so immer zu den aktuellen Bedingungen abgesichert. Es gibt wenige Versicherungen, die so komplex sind, wie die D&O Versicherung, weswegen man unternehmensseitig das Thema gerne schnell vom Tisch hat („wir haben eine D&O abgeschlossen“). Leider ist dies für die Führungskraft nicht immer das Beste. Qualitätsaspekte kommen so in der Regel zu kurz. Mit einer Persönlichen D&O Versicherung hat man es in der Hand, Haftungs- oder Deckungslücken zum eigenen Schutz zu schließen. Bei einem Unternehmenswechsel ändert sich das Risiko, so dass es auch einer neuen Bewertung bedarf, der Versicherungsschutz kann jedoch übertragen werden. Der wesentliche Nachteil ist die Tatsache, dass die Führungskraft als Versicherungsnehmer einer persönlichen D & O Versicherung die Prämie selbst bezahlen müssen. Die Höhe einer (evtl. auch zusätzlichen persönlichen) Versicherungssumme sollte daher sehr genau überlegt werden.

Frau Buschner, vielen Dank für das Gespräch!

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