Sparer in Deutschland müssen umdenken – Anita Rick-Blunck (MARTLUTHER INVESTMENT GmbH)

Interview mit Anita Rick-Blunck
Anita Rick-Blunck ist Geschäftsführerin der MARTLUTHER INVESTMENT GmbH. Im Interview spricht sie über die künftige Inflationsentwicklung und rät Sparern zu Alternativen.

Im Januar 2021 ist die Inflation von im Dezember 2020 noch 0,3% auf +1% gestiegen. Was hat es damit auf sich?

Anita Rick-Blunck: Der Preis-Sprung zum Jahreswechsel hat eine konkrete, politisch bedingte Ursache: Die CO2-Steuer für Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas, die zum 1. Januar 2021 wirksam wurde. Und zeitgleich die Rückführung der Mehrwertsteuer, die für 6 Monate reduziert worden war. Dazu kam ein sog. Basis-Effekt: Der Vergleichswert lag vor einem Jahr sehr niedrig, damit fällt die Steigerungsrate umso höher aus.

In den beiden Folgemonaten hat sich diese inflatorische Tendenz weiter verstärkt – für März auf 1,7% verglichen mit dem Vorjahr. Als Preistreiber ist der gestiegene Ölpreis hinzugekommen – und weitere Faktoren, die die Produktion auch in Europa verteuern: Lieferengpässe im Container-Handel oder bei wichtigen Vor-Produkten wie Halbleiter für die Automobil-Industrie. Dadurch verstärkt sich (wenn auch vorübergehend) besagter inflatorische Effekt.

Sachwerte, wie Gold oder Immobilien, wurden stets als inflationssicher angepriesen – behalten Sachwert-Fans unter den aktuellen Entwicklungen recht?

„Sachwerte“ gelten gemeinhin als „sicherer Hafen“, sollten jedoch differenzierter betrachtet werden: Gold zeigte sich im Zeitverlauf durchaus als volatil und spekulativ, der Goldpreis schwankt stark. Da er immer in Dollar ermittelt wird, kommt das Währungsrisiko hinzu. Gerade weil die Goldvorräte der Welt begrenzt sind, geht man von einer höheren Wertbeständigkeit aus als bei Geld, das – wie die Gegenwart zeigt – in seiner Menge erhöht und damit im Wert „verwässert“ werden kann. Die Erfahrung in Zeiten mit inflatorischen Tendenzen wie 1980 oder 2000 lehrt, dass dieser „Hafen“ so sicher nicht war.

Immobilie hingegen ist nicht gleich Immobilie: Hier spielen die Lage und die Nachfrage vor Ort eine große Rolle. Zu den Sachwerten gehören auch Aktien und Aktienfonds. Ob deren Entwicklung durch Inflation eher positiv oder negativ beeinflusst wird, hängt von der gleichzeitigen Zinsentwicklung ab. Nur ein steigender Zins ginge zulasten der Kurse, insbesondere bei den Unternehmen, die verstärkt auf Fremdkapital angewiesen sind.

Finanz-Untergangspropheten warnen jetzt hinsichtlich einer „Hyperinflation“, wie in den 20er Jahren. Erwartet uns solch ein Szenario?

Anita Rick-Blunck: Wohl eher nein: Unsere Welt von heute ist sehr viel globaler als die vor 100 Jahren, durch das Internet und Plattformen wie Amazon haben wir eine Preistransparenz, die die Preise nach unten nivelliert. Globaler Wettbewerb, Effizienzsteigerungen und technologischer Fortschritt bei der Produktion sorgen für ein hohes Angebot bei gleichzeitig – auch durch die zunehmend ältere Bevölkerung – eher geringer Nachfrage. Angesichts einer Arbeitsmarktsituation durch die Folgen der Pandemie, die alles andere als Lohn-treibend wirkt, ist nicht mit einer Lohn-Preis-Spirale nach oben zu rechnen. Das alles führt zu Prognosen, die eine durchschnittliche Inflation für das Jahr 2021 von ca. 2,2 % erwarten lassen.

Wenn nach der Coronakrise ein neuer Konjunkturzyklus einsetzt, werden dann die Verbraucherpreise steigen?

Anita Rick-Blunck: In einigen Sektoren durchaus: Nämlich überall da, wo die aufgestauten Konsumausgaben „von der Leine gelassen“ werden, wie zum Beispiel in der Reise-Branche – zumal sich das Angebot hier reduziert haben dürfte. Die Sparquote lag Ende 2020 mit 16% auf dem höchsten Wert seit der Wiedervereinigung, und die üppigen Konjunkturprogramme tun ihr Übriges, um Kaufkraft in die Märkte zu bringen. Das alles sind preistreibende Faktoren, die jedoch von den Notenbanken nicht als besorgniserregend angesehen werden. Bei den monatlichen Anstiegsraten gegenüber Vorjahr muss auch hier berücksichtigt werden, dass die Konsumausgaben (also die Basiswerte für die Berechnung) 2020 wegen Corona sehr niedrig lagen. Das wird nicht nur rechnerisch 2022 schon wieder anders aussehen. Wie schon erwähnt wirken zudem Unterbeschäftigung und Kurzarbeit alles andere als preistreibend.

Sollte in Deutschland die Inflation auf 3% hochgehen, wie manche Volkswirte erwarten: Was bedeutet das für Investoren in Deutschland?

Anita Rick-Blunck: In der Tat prognostiziert man bis Ende 2021 3% Inflation oder etwas mehr. Man rechnet jedoch damit, dass dann die Einmaleffekte wie z. B. die Rückkehr zur regulären Mehrwertsteuer verpufft sein werden. Auch wenn man die Risiken wie die überdimensionierten preistreibenden Hilfspakete durchaus sieht: An ihrer Null-Zins-Politik wollen – und können – die Notenbanken keine Abstriche machen; sie haben ihren tolerierbaren Inflationskorridor bereits angepasst – eine Zinserhöhung würde die Schuldendienste der Staaten untragbar verteuern.

Für die Sparer bedeutet das eine weitere Einbuße an realer Kaufkraft. Der Preisanstieg im 1. Quartal 2021 hat sie in Deutschland bereits über 8 Mrd. € gekostet. Weitere Real-Verluste auf Spareinlagen sind zu erwarten – bei durchschnittlich 0,11% Zinsen auf den Tages- und Festgeldkonten. Das bedeutet konkret: Auch die Sparer in Deutschland müssen umdenken und umschichten, wenn sie diesen Vermögensverlust begrenzen wollen.

Was ist, Ihrer Meinung nach, ein guter Schutz gegen Inflation?

Anita Rick-Blunck: So wichtig eine Bargeld-Reserve für alle Fälle ist: Sie sollte zugunsten von Sachwerten reduziert werden. Investments an der Börse bieten höhere Renditen und langfristig eine hinreichende Sicherheit, wie die Kursverläufe zeigen. Fonds wie ETFs bieten einen zusätzlich glättenden Effekt, der durch die zeitversetzten Investments eines Sparplans noch verstärkt wird. Bei der „Aktie“ sind das solche Einzelwerte, die strukturell von inflatorischen Einflüssen profitieren – insbesondere aus den Bereichen Energie (im Sog der Rohstoffpreise), Banken (die von steigenden Marktzinsen profitieren), Healthcare und die gefragten Halbleiter.

Zu nennen sind die bewährten wertbeständigen Anlagen wie Gold und Silber, die man physisch in den Safe packen oder als handelbare Zertifikate erwerben kann. Erstere sind weniger flexibel in der Handhabung und bei der Veräußerung; Erträge aus Wertsteigerungen sind jedoch steuerfrei. (Gründe für Wertschwankungen habe ich oben ausgeführt.) Wie auch Gold ist der Bitcoin zwar in seiner Menge limitiert und wird so für wertbeständig gehalten. Das wird jedoch durch die zunehmende Zahl an unterschiedlichen Krypto-Währungen etwas konterkariert, von spekulativen Schwankungen und regulatorischen Risiken nicht zu reden.

Bleibt noch die Immobilie, die eine eher illiquide, inflexible Anlageform darstellt. Die Lage spielt für den Marktwert eine große Rolle, die Frage der Verwaltung ist zu lösen. Immobilienfonds machen diese Anlageform etwas flexibler.

Insgesamt ist eine breite Streuung der genannten Anlageformen ratsam, auch im Hinblick auf unterschiedliche Währungen und Regionen – so, dass sie möglichst wenig miteinander korrelieren – sprich: sich bei Marktschwankungen nicht in die gleiche Richtung entwickeln. Die Sparer tun gut daran, sich mehr mit alternativen Anlageformen zu beschäftigen, wenn sie Vermögen aufbauen oder erhalten wollen. Auf dass wir auch in Deutschland bald eine positivere „Aktien-Kultur“ erleben!

Frau Rick-Blunck, vielen Dank für das Gespräch.

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