Wiltrud Pekarek: Preisentwicklung von Krankenversicherungen

Interview mit Wiltrud Pekarek
Wiltrud Pekarek ist Mitglied der Vorstände HALLESCHE Krankenversicherung e.G. Mit ihr sprechen wir über Beitragserhöhung, wenige Rücklagen sowie Sozialgarantie.

Es braut sich etwas zusammen über den deutschen Krankenkassen, das wie eine exklusive Beitragserhöhung aussieht. Das wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherung (WIP) spricht von bis zu 40% Erhöhung. Was ist dran an diesem Schreckensszenario?

Wiltrud Pekarek: Die Gesundheitsausgaben steigen Jahr für Jahr. 1998 waren es laut Statistischem Bundesamt erstmals mehr als 200 Milliarden Euro. 2012 waren es 300 Milliarden, 2019 400 Milliarden Euro. Der Anstieg der Ausgaben hat sich stark beschleunigt. Setzt sich diese Entwicklung fort, sind wir schon 2022 bei 500 Milliarden Euro. Im März warnte der Chef der DAK, Andreas Storm, vor einem „Beitragstsunami“, sollten für 2022 keine Steuerzuschüsse für die Gesetzliche Krankenversicherung eingeplant werden. Mittlerweile sind im Bundeshaushalt 7 Milliarden Euro für die Krankenkassen reserviert. Laut GKV-Spitzenverband wird das jedoch nicht reichen, um den Zusatzbeitrag bei durchschnittlich 1,3 Prozent im Jahr 2022 zu halten. Den Ausgaben der GKV stehen nicht genügend Einnahmen gegenüber, weil in einer alternden Bevölkerung zu wenige Beitragszahler im Umlagesystem für die Kosten der Alten und Kranken aufkommen. Insofern lastet ein gewaltiger Druck auf dem System der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Glaube, die Krankenkassen in Deutschland seien kerngesund und würden rentabel arbeiten, ist offenbar falsch. Warum sind so wenig Rücklagen da?

Wiltrud Pekarek: Zwischen 2011 und 2019 betrugen die Rücklagen im Gesundheitsfonds zwischen neun und dreizehn Milliarden Euro jährlich. Dass die Rücklagen oberhalb der Mindestreserve nun aufgebraucht sind, hängt nicht nur mit Corona, sondern auch damit zusammen, dass Finanzreserven entnommen wurden, um weitere Aufgaben zu finanzieren, beispielweise den Innovationsfonds oder den Krankenhausstrukturfonds. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts erbringen die Gesetzlichen Krankenversicherungen einen staatlichen Auftrag und sie entscheiden nicht allein darüber, wie die Rücklagen verwendet werden.

Immer neue und häufig teure Behandlungsformen, dank derer wir länger leben, kosten viel Geld. Eine alternde Gesellschaft – Deutschland ist nach Japan, bezogen auf das Durchschnittsalter, das zweitälteste Land der Erde – führt zu steigenden Gesundheitsausgaben. Das Gesundheitssystem muss deshalb effizienter werden. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet die Chance auf verbesserte Versorgungsstrukturen.

Wie sieht es mit der sogenannten „Sozialgarantie“ der schwarz-roten Regierungskoalition aus, welche die Höhe der Beiträge begrenzt?

Wiltrud Pekarek: Die „Sozialgarantie“ dürfte schwer zu halten sein. Schon jetzt wird die Krankenversicherung mit Steuermitteln bezuschusst. Seit der jüngsten Reform in diesem Jahr ist das auch in der Pflegeversicherung der Fall. Die Steuermittel stehen jedoch in Konkurrenz zu anderen wichtigen Aufgaben: Bildung, Sicherheit, Digitalisierung – und sie sind konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Trotzdem ist es wichtig, alles dafür zu tun, die Beitragssätze zu begrenzen, damit wir nicht der Wirtschaft das Wasser abgraben.

Da Alterung, technischer Fortschritt und teure Reformen, die Kosten im Gesundheitswesen in die Höhe treiben, muss der/die Arbeitnehmer/in die Suppe auslöffeln? Ist das fair?

Wiltrud Pekarek: Die Beitragszahler von heute können nicht davon ausgehen, dass für sie morgen genauso viele Beitragszahler bereitstehen werden. Sie müssen zusätzlich zu ihren Sozialversicherungsbeiträgen privat vorsorgen und Lücken schließen. Im Gegenzug ist der Lebensstandard in Deutschland hoch, wir bleiben heutzutage häufig fit bis ins hohe Alter.

Deutschland steht vor der großen Herausforderung, die Versorgungsqualität auf hohem Niveau zu erhalten und gleichzeitig eine nachhaltige Finanzierung zu sichern. Das Kapitaldeckungsprinzip der PKV ist mit dem Aufbau von Alterungsrückstellungen dem Umlagesystem in Sachen Generationengerechtigkeit in einer alternden Gesellschaft einen Schritt voraus. Auch für nachfolgende Generationen haben wir eine Verantwortung und wir müssen uns fragen, wie viele Schulden wir ihnen hinterlassen wollen.

Ganz hart trifft es die privat-Versicherten, deren Beiträge noch deutlicher steigen. Kann man da alles als Grund auf Corona schieben?

Wiltrud Pekarek: Die Beiträge der privat Versicherten steigen nicht mehr als die der gesetzlich Versicherten. Zwischen 2011 und 2021 stiegen die Beitragseinnahmen in der PKV je Versicherten um durchschnittlich 3 Prozent pro Jahr. In der GKV liegt der Wert bei 3,3 Prozent. Beitragserhöhungen werden in der GKV weniger wahrgenommen. Während sie in der PKV in einem Brief mit Vorher-Nachher-Beitrag angekündigt und direkt vom Konto abgebucht werden, ziehen die Kassen den Beitrag vom Bruttogehalt ab. Jede Gehaltserhöhung ist eine Beitragserhöhung, das ist nur vielen gar nicht bewusst. Ebenso wenig wie die Höhe des Zusatzbeitrages. Wann das letzte Schreiben ihrer PKV kam, wissen die Versicherten in der Regel ganz genau. Fakt ist: Medizinisch-technischer Fortschritt und steigende Gesundheitsausgaben betreffen GKV und PKV. Ein wichtiger Unterschied ist, dass in der PKV jeder für das Alter vorsorgt, indem Alterungsrückstellungen aufgebaut und verzinst werden.

Wie könnte man deutsche Rentner und Rentnerinnen bei den Beiträgen mehr entlasten, weil sie in der Regel deutlich weniger Rente als Einkommen erhalten?

Wiltrud Pekarek: In der PKV führen verschiedene Mechanismen zu einer Beitragsentlastung im Alter. Die Kosten für das Krankentagegeld entfallen ersatzlos, ebenso der gesetzliche 10-Prozent-Zuschlag, der zwischen 21 und 60 Jahren bezahlt und ab Alter 65 dafür eingesetzt wird, Beitragserhöhungen abzumildern oder Beiträge zu senken. Hinzu kommen beitragsentlastende Effekte, finanziert aus Überschussmitteln und angesparten Zinsüberschüssen. In der GKV ist dagegen gerade für freiwillig Versicherte die Beitragslast hoch, denn sie müssen sämtliche Einkünfte, z.B. Kapitalerträge und Mieten, verbeitragen. Es lohnt sich deshalb für diese Zielgruppe, schon früh über einen Wechsel in die PKV nachzudenken.

Frau Pekarek, vielen Dank für das Gespräch!

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