Jan von Mallinckrodt: Die Umwelt möglichst wenig belasten

Interview mit Jan von Mallinckrodt
Jan von Mallinckrodt ist Head of Sustainability bei Union Investment Real Estate. Mit ihm sprechen wir über Nachhaltigkeitskriterien, Recyclingfähigkeit sowie eingesetzte Baumaterialien.

Was bedeutet „nachhaltig“ beim Bauen überhaupt?

Jan von Mallinckrodt: Grundsätzlich bedeutet nachhaltiges Bauen, in allen Phasen des Lebenszyklus des jeweiligen Gebäudes, den Einsatz von Rohstoffen und Energie zu optimieren. Von der Planungsphase über den Bau bis zur Nutzung des Gebäudes und dessen Rückbau gilt es, die Umwelt möglichst wenig zu belasten.

Wie wichtig ist Nachhaltigkeit beim Bauen, was sind die allgemeinen Vorteile?

Jan von Mallinckrodt: Beim Neubau sollten die Nachhaltigkeitskriterien am besten schon in der frühen Planung und Durchführung berücksichtigt werden. Denn werden hier bestimmte Kriterien außer Acht gelassen, die beispielsweise der Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums der Europäischen Union im Rahmen der sogenannten Taxonomie fordert, kann dies im Nachhinein nicht korrigiert und das Gebäude auch später nicht mehr als nachhaltig im Sinne der Taxonomie klassifiziert werden: Dazu zählen unter anderem Kriterien wie die Recyclingfähigkeit des Bau- und Abbruchmülls oder die Kreislaufwirtschaftsfähigkeit der eingesetzten Baumaterialien. Geht man – wie wir – davon aus, dass die Regulierung in Richtung Nachhaltigkeit künftig zunehmend verschärft werden wird, sollte schon beim Bau das entsprechende Fundament gelegt werden. Zudem sind nachhaltige Gebäude meist auch im Betrieb kostengünstiger und haben einen höheren Nutzerkomfort. Am nachhaltigsten ist aber immer noch das Gebäude, das nicht gebaut wurde. Denn die meisten CO2-Emissionen entstehen bei der Herstellung von Stahl und Beton, abgesehen vom Abfall, der beim Abriss des Gebäudes anfällt.

Geht es beim nachhaltigen Bauen nur um den Umweltaspekt, oder gibt es andere Kriterien?

Jan von Mallinckrodt: Beim nachhaltigen Bauen geht es vor allem um Umweltaspekte, so dass der potenzielle Neubau resilient ist und die zukünftigen Nutzeranforderungen erfüllt. Ein nachhaltiges Gebäude hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass neben Umweltaspekten auch soziale Faktoren eine Rolle spielen. Auf letzteres zahlt beispielsweise der Nutzerkomfort ein: Wurden Baumaterialien verwendet, die keine Schadstoffe ausdünsten? Wie sind die Lichtverhältnisse an den Arbeitsplätzen? Ist die Tiefgarage ausreichend beleuchtet? Gibt es Duschen und Fahrradstellplätze? Hier steht der Mieter im Mittelpunkt.

Bei Gewerbeimmobilien, so heißt es, wird noch nicht umfassend auf Nachhaltigkeit geachtet. Was hat der Markt vor?

Jan von Mallinckrodt: Fakt ist: Es gibt keine Alternative zur Dekarbonisierung des Immobilienbestands. Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das von Deutschland einen strengeren Klimaschutz einfordert, hat dies noch einmal deutlich gemacht – ebenso wie der Bericht des UN-Klimarats, der nun bestätigt, dass der Mensch das Klima verändert und schnell gehandelt werden muss.

Früher war Neubau das vorherrschende Thema. Jetzt kommt es darauf an, dass wir den Bestand transformieren und dies sozialverträglich. Das heißt, wir müssen einen Weg finden, der auch unser Geschäftsmodell ermöglicht. Hier gilt es, eine ausgewogene Lösung zu finden, die Kosten gerecht zu verteilen und Hürden, insbesondere auch im Aufsichts- und Steuerrecht zu minimieren. Verlangsamt wir die nachhaltige Transformation des Immobilienbestands beispielsweise durch das Investor-Nutzer-Dilemma: Der Investor zahlt die Kosten für die Dekarbonisierung der Immobilie, kann die Aufwendungen in der Regel aber nicht auf den Nutzer umlegen, der wiederum in Form von niedrigeren Nebenkosten profitiert.

Uns allen ist klar, dass die Dekarbonisierung des Immobilienbestands Geld kosten wird. Wir können aber nicht aus dem Stehgreif das gesamte Portfolio resilient machen. Wir brauchen einen Weg und auch noch Innovationen, also technische Möglichkeiten, um tatsächlich klimaneutral modernisieren beziehungsweise bauen zu können.

Welche Rolle nehmen Vermieter bei nachhaltigen Gebäuden ein? Welche Vorteile bietet die Vermietung nachhaltig errichteter Häuser?

Jan von Mallinckrodt: Eigentümer beziehungsweise Vermieter können ihre Gebäude nur gemeinsam im fortlaufenden Dialog mit ihren Nutzern – den Mietern – weiterentwickeln. Die Nachhaltigkeitskriterien müssen dabei objektindividuell umgesetzt werden, denn nicht jedes Kriterium ist für jede Immobilie sinnvoll. Eine nachträgliche Integration von Grauwassernutzung beispielsweise ist für Büroimmobilien in aller Regel ökonomisch nicht sinnvoll. Geothermie ist auch nicht an jedem Standort machbar.

Gleichzeitig werden immer mehr große Unternehmen Druck auf die Immobilieneigentümer beziehungsweise Vermieter ausüben, um ihre Flächen nachhaltig zu gestalten – teilweise gezwungenermaßen: So hat das Bezirksgerichts von Den Haag beispielsweise den Ölkonzern Shell dazu verurteilt, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken. Nicht nachhaltige Flächen dürften darum zunehmend schwieriger zu vermieten sein.

Herr von Mallinckrodt, vielen Dank für das Gespräch!

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