Michael Neumann: Käufer und Bauherren sind bereit, mehr für die eigenen vier Wände zu bezahlen

Interview mit Michael Neumann
Michael Neumann ist Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG. Mit ihm sprechen wir über steigende Immobilienpreise, niedrige Zinsen sowie Vergabe von Krediten.

Die Preise für Wohn-Immobilien steigen seit Jahren, zudem steigen die Bauzinsen laut einer Studie von Interhyp. Dennoch sind Käufer scheinbar jeden Preis bereit zu zahlen, um die Immobilie erwerben. Ist das ein Trend, den Sie ebenso im geschäftlichen Alltag bestätigen können?

Michael Neumann: Aufgrund der seit vielen Jahren ultralockeren Geldpolitik der EZB sind die Zinsen – trotz eines leichten Anstiegs in der ersten Jahreshälfte – auf einem absolut niedrigen Niveau, und die steigenden Immobilienpreise sind auch darauf zurückzuführen. An den extrem niedrigen Zinsen und den steigenden Immobilienpreisen wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern. In dem Zug stellen wir besonders in den letzten Jahren fest, dass die Darlehenssummen ebenfalls immer weiter in die Höhe klettern. Käufer und Bauherren sind bereit, mehr für die eigenen vier Wände zu bezahlen als früher: Besonders, wenn sich die Suche schon über eine längere Zeit hinzieht, verschiebt sich im einen oder anderen Fall auch die Schmerzgrenze nach oben. Dennoch bleiben die Interessenten vernünftig und wägen genau ab, was sie sich leisten können und möchten. Ich würde nicht sagen, dass jeder Preis bezahlt wird. Wenn die Wunschimmobilie das eigene Budget schlicht übersteigt und der Gürtel für eine Finanzierung tendenziell zu eng geschnallt werden müsste, raten wir von dem Vorhaben ab und empfehlen, noch weiter zu suchen.

Gibt es durch Corona Auswirkungen auf die Kreditvergabe bei Baukrediten und gibt es andere Fremdkapitalgeber als Banken für Bauherren?

Michael Neumann: In den ersten Corona-Wochen im Frühjahr 2020 sind Banken kurzfristig etwas vorsichtiger bei bestimmten Konstellationen geworden, weil zu der Zeit überhaupt nicht sicher war, was auf uns zukommen und wie sich die Pandemie entwickeln würde. Das hat sich aber ziemlich schnell wieder normalisiert und Corona hat im Großen und Ganzen keine Auswirkung mehr auf die Kreditvergabe. Einzige Ausnahme sind Beschäftigte oder Selbstständige in Branchen, die immer noch von Einschränkungen betroffen sind, wie zum Beispiel die Messewirtschaft oder die Gastronomie. Hier braucht es zum Teil zusätzliche Bestätigungen oder Nachweise für die Institute. Neben Banken, Sparkassen und der Kreditanstalt des Bundes bieten auch Versicherungen, Pensionskassen und Bausparkassen Baufinanzierungen an. In der Regel sind bei letztgenannten keine hohen Beleihungsausläufe, also zum Beispiel Kaufpreisfinanzierungen möglich, aber wir vermitteln ihnen viele Kunden, die sich eine besonders lange Zinsbindungen wünschen.

Laut dem statistischen Bundesamt vergeben Banken Kredite in deutlich anderen Sphären als noch im vergangenen Jahr. Ist das angesichts der von Kurzarbeit und möglicher Firmeninsolvenzen ein Risiko?

Michael Neumann: Das Neugeschäftsvolumen der Baukredite an private Haushalte steigt mit den Immobilienpreisen seit vielen Jahren sukzessive an, wächst aber im Vergleich zu den Preisen unterdurchschnittlich.  Bei der Vergabe von Krediten gehen die Banken sehr konservativ vor und legen strenge Kriterien an – und nicht jeder Finanzierungswunsch wird erfüllt. So waren die Institute zum Teil auch zurückhaltend beim Thema Kurzarbeitergeld: Während dies für einige als Ausschlusskriterium galt, haben andere bestimmte Unterlagen oder Bestätigungen des Arbeitgebers eingefordert, um das Risiko zu minimieren. Die Gefahr drohender Firmeninsolvenzen sehe ich nicht in der Breite gegeben, denn verschiedene Maßnahmen der Bundesregierung wirken dagegen – nicht zuletzt das Kurzarbeitergeld.

Manche Fachleute meinen, dass das böse Erwachen meist in der Phase nach zehn Jahren kommt, wenn die Zinsbindung endet. Können Sie uns das näher erklären?

Michael Neumann: Wer ein Darlehen für die Finanzierung der Immobilie aufnimmt, schließt einen Vertrag mit der Bank nur für die Dauer der Zinsbindung – das sind zehn, in der momentanen Niedrigzinsphase oft 15 oder 20 Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit ist der Kredit häufig noch nicht getilgt und für den Restbetrag ist eine Anschlussfinanzierung notwendig, die auch bei einem anderen Kreditinstitut erfolgen kann. In jedem Fall gilt das dann gültige Zinsniveau, und gerade wenn die Erstfinanzierung extrem günstige Konditionen hatte, kann das Zinsänderungsrisiko relativ hoch sein. Ein „böses Erwachen“ lässt sich allerdings weitestgehend ausschließen. Denn zum einen achten die Banken bereits bei der Erstfinanzierung darauf, dass der Kredit über die Gesamtlaufzeit bis zu seiner vollständigen Tilgung tragbar ist – dazu sind sie schon allein durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie verpflichtet. Hierfür berücksichtigen sie einen zukünftig höheren Zins und rechnen fiktiv mit einer Annuität von fünf oder sechs Prozent, die sich aus Tilgung und Zins zusammensetzt. Zum anderen gibt es verschiedene Modelle, mit denen besonders sicherheitsorientierte Kreditnehmer das Zinsänderungsrisiko ausschließen oder minimieren können: beispielsweise mit Volltilgerdarlehen, langen Zinsbindungen oder Bausparverträgen.

Könnten Sie sich Szenarien, wie die US-Immobilienblase von 2008, auch in Deutschland vorstellen?

Michael Neumann: Der Immobilienfinanzierungsmarkt in den USA hat generell andere Voraussetzungen als der in Deutschland, deswegen werden wir eine solche Situation hier nicht erleben. Ein wichtiger Unterschied ist die Art der Darlehen. Während in Deutschland Annuitätendarlehen mit gleichbleibenden Raten und langen Laufzeiten der Standard sind, sind in den USA Finanzierungsmodelle mit kurzen Laufzeiten oder variablen Zinsen verbreitet. Ansteigende Zinsen während der Vertragslaufzeit führen in den USA zu ungeplant höheren Raten und damit oft zur Überschuldung. Neben der großen Planungssicherheit der Finanzierungsprodukte in Deutschland führen auch die strengen Richtlinien der Banken dazu, dass die Darlehen hierzulande sehr solide konzipiert sind und Kreditausfälle die absolute Ausnahme darstellen. Die Bonität spielt eine wichtige Rolle und wer sich ein Darlehen nicht leisten kann, erhält es auch nicht. Das schützt den Darlehensnehmer ebenso wie die Bank.

Herr Neumann, vielen Dank für das Gespräch!

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