Thomas Pliester: Für beide Seiten gilt das Rücksichtnahmegebot

Interview mit Thomas Pliester
Thomas Pliester ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Kanzlei Koch & Partner Partnergesellschaft mbB. Mit ihm sprechen wir über Erhaltungsmaßnahmen, Duldungspflicht sowie Sonderkündigungsrecht.

Im Bereich des Wohnraummietrechts ergibt sich eine Duldungspflicht des Mieters bei Erhaltungsmaßnahmen. Dafür wurde der Paragraph § 555a Abs. 1 BGB erlassen. Der Vermieter darf damit vermieteten Wohnraum zur Erhaltung renovieren. Der Mieter muss dem zustimmen. Was tut der Gesetzgeber für einen Interessensausgleich?

Thomas Pliester: Erhaltungsmaßnahmen sind das Ausbessern und die Erneuerung schadhafter Teile. Zu den Erhaltungsarbeiten gehören sowohl Instandsetzungsmaßnahmen wie auch Instandhaltungen, nicht aber Modernisierungen, die durch § 555 b BGB erfasst werden.

Die Duldungspflicht des Mieters nach § 555 a BGB korrespondiert mit der Verpflichtung des Vermieters nach § 535 Abs. 1. S. 2 BGB, die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Dieser Verpflichtung kann der Vermieter nur nachkommen, wenn ihn der Mieter immer dann, wenn es erforderlich ist, dazu auch in die Wohnung lässt. Insofern bedarf es eigentlich keines Interessenausgleichs, da durch das Duldungsrecht im Prinzip auch das Interesse des Mieters an der Erhaltung der Mietsache in einem vertragsgemäßen Zustand Rechnung getragen wird.

Darüber hinaus gilt natürlich für beide Seiten auch das Rücksichtnahmegebot. Das kann sowohl die Maßnahme selbst betreffen als auch die Art und Weise der Ausführung. So müssen Arbeiten nach Feierabend selbst durch den Vermieter oder im Wege der Nachbarschaftshilfe nicht hingenommen werden.

Den Interessen des Mieters wird auch dadurch natürlich Rechnung getragen, dass Aufwendungen, die er infolge einer Erhaltungsmaßnahme machen muss, vom Vermieter in angemessenem Umfange zu ersetzen sind. Wenn im Rahmen der Erhaltungsmaßnahme der Mietgebrauch beeinträchtigt wird, steht dem Mieter ebenfalls ein Mietminderungsrecht zu.

Wann können Vermieter mit einer Duldungsklage drohen, um die Instandhaltungsmaßnahmen durchzusetzen?

Thomas Pliester: Anders als Modernisierungsmaßnahmen müssen Erhaltungsmaßnahmen nicht innerhalb einer bestimmten Frist angekündigt werden. Die Duldungspflicht kann auch unmittelbar eintreten, wenn es sich um Notmaßnahmen handelt, etwa bei einem Rohrbruch oder einem Heizungsausfall. Die Drohung mit einer Duldungsklage macht immer dann Sinn, wenn der Mieter sich weigert bestimmte Maßnahmen zu dulden, insbesondere den Vermieter oder dessen Handwerker nicht in die Wohnung lassen will. Das ist bei Erhaltungsmaßnahmen allerdings nicht die Regel, denn der Mieter hat insoweit vielfach ein ureigenes Interesse daran, dass kaputte Teil der Mietsache ersetzt werden und letztendlich droht dem Mieter nach einer Erhaltungsmaßnahme keine Mieterhöhung. Auch wenn keiner Ankündigung gesetzlich vorgeschrieben ist, wird man selbstverständlich dem Mieter die Maßgabe bekannt geben und versuchen, zunächst einmal mit ihm Termine abzustimmen. Das funktioniert bei Erhaltungsmaßnahmen auch eigentlich fast immer. Ausnahmen gibt es bei den s.g. Mietnomaden, die vielfach Mietmängel anzeigen und dann deren Beseitigung aber verweigern, um weiter die Miete mindern zu können oder vorgebliche Rechtfertigungsgründe für die Nichtzahlung der Miete zu haben und damit den Räumungsrechtstreit in die Länge zu ziehen.

Es heißt, Vermieter streben oft eine Modernisierung an, um die Miete einer Immobilie erhöhen zu können. In welchen Fällen hat ein Mieter das Recht Baumaßnahmen zu verhindern?

Thomas Pliester: Bei den Modernisierungsmaßnahmen sieht es schon anders aus. Die Modernisierungsmaßnahmen, so wie sie in § 555 b BGB dargestellt sind, sind bauliche Veränderungen die normalerweise dem Vermieter nicht gestattet sind. Der Mieter hat grundsätzlich ein Anrecht darauf, dass die Mietsache so bleibt wie er sie angemietet hat und wie sie ihm übergeben wurde. Die Aufzählung von Modernisierungsmaßnahmen in § 555 b BGB ist daher abschließend. Nur in diesen dort genannten Fällen darf eine bauliche Veränderung stattfinden, weil die Auswirkung dieser baulichen Veränderungen vom Gesetzgeber ausdrücklich gewünscht ist. Wenn man sich die Aufzählung anschaut, dann geht es im Wesentlichen darum, Energie sowohl in Form von Endenergie wie auch Primärenergie sowie Wasser einzusparen oder aber auch den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig zu erhöhen. Aber selbst in diesen Fällen besteht keine Duldungspflicht des Mieters, wenn die Modernisierungsmaßnahme für ihn, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen sowohl des Vermieters als auch anderer Mieter in dem Gebäude sowie von Belangen der Energieeinsparung des Klimaschutzes nicht zu rechtfertigen ist. Hier gibt es also ein echtes Abwägungsgebot. Der Gesetzgeber hat dadurch versucht, einen Kompromiss zu finden, zwischen den Interessen des Vermieters an der Modernisierung seines Wohnbestandes und den Interessen des Mieters vor Luxussanierung und einem Herausmodernisieren. Je länger die zu beabsichtigenden Maßnahmen andauern und je umfangreicher die Modernisierungsmaßnahmen sind, desto eher wird man eine Härte annehmen können aber auch die Zeitpunkte, an denen die Arbeiten durchgeführt werden, müssen auf die Mieterinteressen Rücksicht nehmen. So ist ein Fensteraustausch in den Wintermonaten unzumutbar. Ist das Mietverhältnis bereits gekündigt, so ist es dem Vermieter grundsätzlich zuzumuten, den Auszug des Mieters abzuwarten und erst dann mit den Arbeiten zu beginnen. Eine Körperbehinderung oder schwere Erkrankung oder auch nur hohes Alter des Mieters können umfangreiche, die Nutzung der Wohnung stark beeinträchtigende Maßnahmen, ebenfalls unzumutbar machen. Ein spezieller Fall ist der, wenn der Vermieter die Wohnung nur deshalb modernisiert, um sie nach Umwandlung in eine Eigentumswohnung zu einem höheren Verkaufspreis veräußern zu können. Für den Mieter erhöht sich in diesem Falle das Risiko einer Eigenbedarfskündigung, so dass hier der Tatbestand des Herausmodernisierens schon sehr nahe liegt. In diesen Fällen wird man sehr stark den Einzelfall betrachten müssen inwieweit eine derartige Modernisierungsmaßnahme noch zulässig ist und vom Mieter geduldet werden muss.

Wann gewährt das Gesetz dem Mieter ein Sonderkündigungsrecht, wenn beispielsweise eine Mieterhöhung für diesen nicht finanzierbar ist?

Thomas Pliester: Ein Sonderkündigungsrecht besteht nach § 555 e Abs. 1 BGB in allen Fällen der Modernisierung. Der Mieter kann nach Zugang der Modernisierungsankündigung das Mietverhältnis außerordentlich zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen. Die Kündigung muss bis zum Ablauf des Monates erfolgen, der auf den Zugang der Modernisierungskündigung folgt. Die Überlegungsfrist des Mieters liegt also zwischen 29 und 59 Tagen. Das ist in aller Regel sehr knapp bemessen, weil er in der Zeit eine neue Wohnung finden muss.

Wie lange dürfen Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen dauern, um den Mieter nicht zu lange zu belasten? Kann dieser ansonsten eine Entschädigungsleistung erhalten?

Thomas Pliester: Die Dauer von Umbau und Renovierungsmaßnahmen ist nicht festgelegt. Die Arbeiten müssen so lange und können auch so lange andauern, bis sie abgeschlossen sind. Unnötige Verzögerungen sind dabei zu vermeiden. Das gilt insbesondere für eine nicht fachgerechte Ausführung der Arbeiten im Wege der Eigenleistung am Wochenende und nach Feierabend oder sonstige, immer wieder auftretende Verzögerungen. Bei größeren Bauprojekten ist für eine ausreichende Anzahl an Personal auf der Baustelle Sorge zu tragen, damit die Arbeiten zügig beendet werden können. Sowohl bei der Erhaltungsmaßnahme wie auch bei der Modernisierungsmaßnahme erhält der Mieter diejenigen Aufwendungen, die er aufgrund der Maßnahme treffen musste, ersetzt. Das sind insbesondere Kosten für einen Hotelaufenthalt, wenn die Wohnung unbewohnbar ist. Darüber hinaus bestehen die allgemeinen Gewährleistungsrechte des Mietrechtes, insbesondere also das Minderungsrecht. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Mieter nur zur Duldung verpflichtet ist, nicht aber zum aktiven Tun. D.h., das Wegräumen von Möbeln oder das zur Seite stellen von Gegenständen, ist nicht Aufgabe des Mieters, sondern das muss der Vermieter durch seine Handwerker oder sonstige Dritten leisten. Ob der Mieter bei wertvollen Gegenständen, wie Bilder o.ä. nicht besser beraten ist, das selbst zu machen, muss jeder Mieter selbst entscheiden. Kosten für derartige Tätigkeiten die überobligatorisch sind, bekommt er dann allerdings nicht erstattet. Beschädigen die Handwerker Möbel, die sie zur Seite rücken, dann gibt es natürlich Schadenersatz, aber das sind vielfach sehr aufwendige und auch sich länger hinziehende Verhandlungen oder sogar Rechtstreitigkeiten, die man möglicherweise vermeiden kann, wenn man hier auch überobligatorisch von Mieterseite aus tätig wird, jedenfalls bei den Dingen, die man für wertvoll hält und die man jedenfalls vernünftig gesichert wissen will.

Ist es richtig, dass eine zu frühzeitige Ankündigung von Umbauarbeiten für den Vermieter von Nachteil sein kann?

Thomas Pliester: Der Bundesgerichtshof hat sich unlängst mit einem Urteil vom 18.03.2021 (VIII ZR 305/19) zum zeitigen Vorlauf einer Modernisierungsankündigung geäußert. Der Vermieter muss nach § 555 c Abs. 1. S. 2 BGB die Art und den voraussichtlichen Umfang der Modernisierungsmaßnahme in wesentlichen Zügen, den voraussichtlichen Beginn und die voraussichtliche Dauer der Modernisierungsmaßnahmen und den Betrag der zu erwartenden Mieterhöhung sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten mitteilen. Je früher er diese Modernisierungsmaßnahmen mitteilt, umso problematischer wird es für ihn, den voraussichtlichen Umfang der Modernisierungsmaßnahme in seinen wesentlichen Zügen mitzuteilen, zumal die Rechtsprechung hier zwar nicht einheitlich ist, aber doch schon eine deutliche Konkretisierung zum Teil bis zur Vorlage von Rohrleitungsplänen verlangt. Der Bundesgerichtshof hat in der angesprochenen Entscheidung daher geurteilt, dass eine Modernisierungsankündigung in zeitlicher Hinsicht dann zulässig ist, wenn die Planungen soweit fortgeschritten sind, dass die inhaltlichen Anforderungen des § 555 c Abs. 1. S. 2 BGB eingehalten werden können.  Er hat einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen einer Modernisierungsankündigung und dem dort angekündigten voraussichtlichen Beginn der Modernisierungsmaßnahme im Sinne einer Höchstfrist oder eines fortgeschrittenen Planungsstands verneint. Es bleibt also im Ermessen des Vermieters, wie früh er eine solche Maßnahme ankündigt. Besondere Nachteile bestehen für den Vermieter nicht, wenn man einmal davon absieht, dass er, wenn er zu früh ankündigt und die Maßnahme deswegen nicht hinreichend konkret beschreiben kann, er im Nachhinein dann keine Modernisierungsmieterhöhung durchführen kann.

Herr Pliester, vielen Dank für das Gespräch!

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