Es gibt zahlreiche Gründe, warum Beschäftigte unzufrieden mit ihrem Job sind. Für viele ist aber eine berufliche Neuorientierung keine Option. Was sind die häufigsten Gründe, die zu einer Jobunzufriedenheit führen?
Anja Worm: Die Gründe, warum Menschen mit ihrem aktuellen Job unzufrieden sind, sind vielfältig. Sie reichen von systembedingten Gründen, wie starre Strukturen oder hoher Zeit- und Kostendruck und damit häufig auch unterdurchschnittlicher Bezahlung, bis hin zu unternehmensbedingten Gründen wie unflexible Arbeitszeiten und -orte. Weitere Gründe sind häufig arbeitsplatzbezogene wie keine Entwicklungsperspektiven oder ein schlechtes Miteinander im Team. Zuletzt gibt es noch die persönlichen Gründe wie fehlendes Sicherheitsempfinden oder eintönige Aufgaben, um mal ein paar aufzuzählen. Was mir in meiner Arbeit mit Klienten am häufigsten begegnet, ist allerdings die Unzufriedenheit mit mangelnder Anerkennung durch die Führungskraft, sinnlose Arbeit und die fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten.
Woher weiß man, dass es Zeit ist den Job zu wechseln, um sich neuen Herausforderungen zu stellen?
Anja Worm: Wenn ich nicht mehr zufrieden bin, ist es Zeit für eine umfassende Standortbestimmung. Was genau macht mich unzufrieden? Sind es Dinge, die ich anders gestalten könnte oder die in meiner Persönlichkeit oder eigenen Verhalten mit begründet liegen wie zum Beispiel mangelnde Konfliktfähigkeit oder mangelndes Abgrenzungsvermögen? Ich rate dazu, hier sehr ehrlich mit sich selbst zu sein, damit ich im neuen Job nicht vom Regen in die Traufe komme. Wenn ich das getan habe, weiß ich in der Regel sehr gut, ob es Zeit ist für einen Jobwechsel ist oder ob ich nicht zunächst im bestehenden Job etwas verändern sollte.
Viele Beschäftigte über 35 haben Hemmungen sich neu zu orientieren. Kann man im fortgeschrittenen Alter noch adäquat Karriere machen?
Anja Worm: Ich halte das für einen fatalen Glaubenssatz. Man kann in jedem Alter Karriere machen. Es ist vielmehr eine Frage der Haltung, des Selbstvertrauens und der Lust und Neugierde auf Neues. Natürlich werden Bewerber mit Mitte 50 häufig anders Bewerbungsprozess betrachtet als jüngere Mitbewerber. Es ist jedoch eine Frage, wie ich damit umgehe und meine Erfahrungen so attraktiv verpacke, dass ich überzeuge. Was häufig im fortgeschrittenen Alter wieder attraktiver wird, ist eine selbstständige Tätigkeit, die – gespeist aus den Erfahrungen und dem aufgebauten Netzwerk – erfolgreich werden kann.
Ein Neuanfang ist immer schwer. Wie kann man mentale Hürden der Neuorientierung überwinden?
Anja Worm: Ich möchte hier gerne drei Dinge nennen: Erstens sollte ich mich und meine Bedürfnisse sehr gut kennen. Mit der Klarheit über meine Wünsche verschwinden häufig auch die Zweifel, ob eine berufliche Neuorientierung das Richtige ist. Zweitens sollte ich die alternativen Job-Ideen gut auf Umsetzbarkeit und Stimmigkeit prüfen, bevor ich alle auf eine Karte setze. Und drittens hilft beim Sprung ins kalte Wasser immer die Frage nach dem Worst Case. Wenn ich mir diese ehrlich beantworte, stelle ich häufig fest, dass die Konsequenzen nicht so schlimm sind. Sollte mir der neue Job nicht gefallen, kann ich mir wieder einen Neuen suchen. Das ist ja kein Hals- und Beinbruch.
Was muss man also tun, damit eine berufliche Neuorientierung gelingt?
Anja Worm: Ich sollte mir erst mal Klarheit darüber verschaffen, welche Rahmenbedingungen ich brauche. Im nächsten Schritt sollte ich mir überlegen, welche Aufgaben mir Spaß machen und was ich gut kann. Davon ausgehend kann ich mir dann überlegen, in welchem Bereich Ich mich gerne bewerben möchte. Es macht Sinn, dann mit vielen Menschen aus diesem Bereich ins Gespräch zu kommen, damit ich mich sicherer fühle, was voraussichtlich auf mich zukommt. Außerdem ist Netzwerken DER Erfolgsgarant für einen guten nächsten Job.
Was raten Sie Beschäftigten, die mit dem Gedanken spielen, den Beruf zu wechseln?
Anja Worm: Ich rate auf jeden Fall immer, diesen Gedanken ernst zu nehmen. Wir verbringen so viel Zeit mit unserem Berufsleben, da ist es für eine gute Lebensqualität wichtig, dass wir darin auch zufrieden sind. Mut tut gut und ich kenne niemanden, der/die es im Nachhinein bereut hätte, sich auf den Weg zu machen.