Dr. Inés Calle Lambach: Für den Arbeitgeber ist der Aufhebungsvertrag vorteilhaft

Interview mit Dr. Inés Calle Lambach
Dr. Inés Calle Lambach ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei ICL Rechtsanwälte in Hamburg. Mit ihr sprechen wir über Unterschied zwischen Kündigung und Aufhebungsvertrag, Regelung von Bedingungen sowie Regelabfindung.

Vielen ist der Begriff Aufhebungsvertrag zwar ein bekannter Begriff, doch die tatsächliche Bedeutung ist vielen unklar. Wie unterscheiden sich eine Kündigung und Aufhebungsvertrag?

Dr. Inés Calle Lambach: Eine Kündigung ist eine einseitige Erklärung, mit der sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden können, ohne dass hierfür die Zustimmung der jeweils anderen Seite erforderlich ist. Ein Aufhebungsvertrag führt ebenfalls zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist aber – wie der Name sagt – ein Vertrag, der nur einvernehmlich geschlossen werden kann.

In einem Aufhebungsvertrag können viele Bedingungen geregelt werden. Können Sie uns die relevantesten Punkte nennen, die in einem Aufhebungsvertrag behandelt werden können?

Dr. Inés Calle Lambach: Neben dem Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden in Aufhebungsverträgen häufig Abfindungen geregelt, die der Arbeitnehmer als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsverhältnisses erhält. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben für die Berechnung solcher Abfindungen. Die sog. „Regelabfindung“ beträgt 0,5 Gehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers. Je nachdem, wie die Aussichten, für die eine oder andere Seite im Falle des Ausspruches einer Kündigung und eines etwaigen Kündigungsschutzverfahrens wären, werden in der Praxis aber auch geringere oder deutlich höhere Abfindungen vereinbart. Ist das Risiko für den Arbeitgeber hoch, ist er meist bereit, deutlich mehr als die sog. Regelabfindung zu zahlen. Häufig wird in Aufhebungsverträgen auch eine Freistellung des Arbeitnehmers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Fortzahlung der Vergütung geregelt. Auch ein sog. „vorzeitiges Lösungsrecht“ wird oft vereinbart, das dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, das Arbeitsverhältnis vor dem im Aufhebungsvertrag genannten Beendigungsdatum zu beenden (z. B., weil er bereits eine neue Stelle gefunden hat, die er antreten möchte). Normalerweise wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer in diesem Fall die ersparten Gehälter vollständig oder anteilig zusätzlich als Abfindung erhält. Auch Zeugnisregelungen sind oftmals Bestandteil von Aufhebungsverträgen. Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf einen Dienstwagen, wird im Aufhebungsvertrag regelmäßig festgelegt, wann der diesen zurückgeben muss. Der Aufhebungsvertrag kann aber auch Regelungen zum Umgang mit anderen Arbeitsmitteln (Mobiltelefone, Notebooks, Tablets etc.), zu etwaigen nachvertraglichen Wettbewerbsverboten, Verschwiegenheitspflichten oder Sprachregelungen enthalten.

Was sind die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrag aus Sicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Dr. Inés Calle Lambach: Für den Arbeitgeber ist der Aufhebungsvertrag vorteilhaft, weil er mit Unterzeichnung des Vertrags Gewissheit darüber hat, dass und wann das Arbeitsverhältnis endet. Bei einer Kündigung besteht für den Arbeitgeber das Risiko einer Kündigungsschutzklage, die mit einem erheblichen Prozessrisiko und dem sog. „Annahmeverzug“ verbunden sein kann. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer im Falle einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage weiterbeschäftigen und darüber hinaus in der Regel die Vergütung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur rechtskräftigten Entscheidung über die Kündigungsschutzklage nachzahlen.

Für den Arbeitnehmer ist ein Aufhebungsvertrag normaler Weise weniger attraktiv, weil die Agentur für Arbeit bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags regelmäßig eine Sperre für den Bezug von Arbeitslosengeld verhängt, die bis zu drei Monate dauern kann. In dieser Zeit erhält der Arbeitnehmer dann kein Arbeitslosengeld. Außerdem verkürzt sich der maximale Gesamtbezugszeitraum um die Dauer dieser Sperre, also z. B. von 12 auf 9 Monate, in denen der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Will sich der Arbeitnehmer vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags rechtlich beraten lassen, muss er die dafür erforderlichen Kosten regelmäßig auch dann selbst tragen, wenn er rechtschutzversichert ist. Die Versicherung übernimmt diese Kosten normalerweise nicht. Erst wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen hat, liegt ein sog. Rechtsschutzfall vor, für den die Versicherung die Deckungszusage erteilt.

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags ist daher für den Arbeitnehmer normaler Weise nur empfehlenswert, wenn darin eine Abfindung und ggf. zusätzliche Ansprüche geregelt sind.

Wenn ein Aufhebungsvertrag erst einmal unterschrieben ist, denken viele Arbeitnehmer, dass dieser nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ist diese Annahme wahr und welche Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer bei einem schon unterschriebenen Aufhebungsvertrag?

Dr. Inés Calle Lambach: Ein Aufhebungsvertrag kann nur unter engen Voraussetzungen „rückgängig“ gemacht werden. Der Aufhebungsvertrag kann wegen widerrechtlicher Drohung angefochten werden, wenn er unter Drohung einer sonst erfolgenden außerordentlichen Kündigung abgeschlossen wurde. Die Drohung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer durch das Arbeitsgericht unter bestimmten Bedingungen die Unwirksamkeit der Aufhebungsvertrages feststellen lassen.

Oftmals drängen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zur Unterschrift auf dem Vertrag. Unter welchen Umständen könnte sich eine gerichtliche Anfechtung des Aufhebungsvertrags lohnen?

Dr. Inés Calle Lambach: Ein Aufhebungsvertrag ist nach der Rechtsprechung unwirksam, wenn er unter Missachtung des „Gebots fairen Verhandelns“ zustande gekommen ist. Dieses Gebot wird verletzt, wenn der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Arbeitnehmers über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert oder unmöglich macht.

Als Beispiele für eine Missachtung des „Gebots fairen Verhandelns“ wird in der Rechtsprechung die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, genannt. Auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse könne einen solchen Verstoß darstellen. Die Nutzung eines Überraschungsmoments, also eine Überrumpelung kann ebenfalls zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führen.

In diesen Fällen kann es sich lohnen, die Unwirksamkeit der Aufhebungsvertrages gerichtlich feststellen zu lassen.  Der Arbeitnehmer ist dann so zu stellen, als hätte er den Vertrag nicht geschlossen.

Frau Dr. Calle Lambach, vielen Dank für das Gespräch!

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