Dr. Kerstin Dälken: Aufhebungsvertrag kann die bessere Wahl sein

Interview mit Dr. Kerstin Dälken
Dr. Kerstin Dälken ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Bauer & Kollegen in Lingen. Mit ihr sprechen wir über Kündigung, Unterschied zum Aufhebungsvertrag sowie gerichtliche Anfechtung.

Vielen ist der Begriff Aufhebungsvertrag zwar ein bekannter Begriff, doch die tatsächliche Bedeutung ist vielen unklar. Wie unterscheiden sich eine Kündigung und Aufhebungsvertrag?

Dr. Kerstin Dälken: Kündigung und Aufhebungsvertrag unterscheiden sich grundlegend in ihren rechtlichen Voraussetzungen. Während eine Kündigung einseitig von einer der Vertragsparteien – entweder von Seiten des Arbeitgebers oder von Seiten des Arbeitnehmers – ausgesprochen wird, bedarf der Aufhebungsvertrag zwingend der Zustimmung beider Vertragspartner. Der Aufhebungsvertrag ist also – wertfrei betrachtet – eine gemeinsame Entscheidung des Arbeitgebers und des betroffenen Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Jede Vertragspartei ist frei in ihrer Entscheidung, ob sie einen Aufhebungsvertrag schließen möchte oder nicht. Eine Verpflichtung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags besteht für keine Seite.

In einem Aufhebungsvertrag können viele Bedingungen geregelt werden. Können Sie uns die relevantesten Punkte nennen, die in einem Aufhebungsvertrag behandelt werden können?

Dr. Kerstin Dälken: Am wichtigsten ist zunächst die Festlegung des Beendigungsdatums, damit für alle Beteiligten klar erkennbar ist, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Aus Arbeitnehmersicht ist dann – um eine Sperrzeit bei der Bundesagentur für Arbeit möglichst zu vermeiden – unerlässlich, dass die für den betroffenen Arbeitnehmer geltende Kündigungsfrist eingehalten wird. Außerdem sollte der Hinweis aufgenommen werden, dass ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrages der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hätte. Dies ist deshalb wichtig, weil die Bundesagentur eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld verhängt, wenn der Arbeitnehmer freiwillig und ohne wichtigen Grund sein Arbeitsverhältnis beendet. Weitere klassische Regelungspunkte in einem Aufhebungsvertrag sind: Abfindungen, Urlaubsregelungen, Überstundenregelungen, die Weiterzahlung der Vergütung während des Laufs der Kündigungsfrist und deren Höhe, die Befreiung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung (sog. Freistellungen), Zeugnisregelungen und Ausgleichsklauseln mit Verzichtswirkung. Grundsätzlich sind diese weiteren Regelungen davon abhängig, wer der Initiator des Aufhebungsvertrages und was der Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages ist. Möchte beispielsweise der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auf eine für ihn risikolose und unkomplizierte Weise beenden, ist sicherlich die Aufnahme einer Abfindungsvereinbarung möglich. Wird dem Arbeitnehmer dagegen ein Fehlverhalten vorgeworden oder möchte er z.B. wegen eines neuen Jobs das Arbeitsverhältnis beenden, wird eine Abfindungsvereinbarung natürlich schwieriger zu verhandeln sein.

Was sind die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrages aus Sicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Dr. Kerstin Dälken: Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages bietet für den Arbeitgeber den entscheidenden Vorteil, dass die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, die Folgen des Aufhebungsvertrages zu beseitigen, sehr eingeschränkt sind. Anders als bei einer Kündigung kann der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erheben, weil eine Kündigung ja gerade nicht im Raum steht. Zwar kann der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nachträglich anfechten, die Erfolgsaussichten sind jedoch eher gering. Der Aufhebungsvertrag bietet dem Arbeitgeber daher sehr schnell Rechtssicherheit im Hinblick auf das Ende des Arbeitsverhältnisses. Nicht zu unterschätzen ist auch der Vorteil des Arbeitgebers, den Betriebsrat bei einem Aufhebungsvertrag nicht beteiligen zu müssen. Ein weiterer Vorteil besteht für den Arbeitgeber darin, mit Hilfe des Aufhebungsvertrages auch Arbeitsverhältnisse beenden zu können, bei denen eine Kündigung wegen einer durchzuführenden Sozialauswahl oder gar wegen einer Unkündbarkeit des Arbeitnehmers gar nicht möglich wäre und auch ein eventuell vorhandener Sonderkündigungsschutz nicht zum Tragen kommt. Auch muss die Kündigungsfrist nicht eingehalten werden (dies wirkt sich jedoch unter Umständen für den Arbeitnehmer später negativ aus). Aber auch für den Arbeitnehmer kann der Aufhebungsvertrag im Vergleich zur Kündigung die bessere Wahl sein. Möchte der Arbeitnehmer beispielsweise in ein neues Arbeitsverhältnis wechseln, hätte aber eine lange Kündigungsfrist einzuhalten, kann der Aufhebungsvertrag eine schnelle Lösung sein.

Wenn ein Aufhebungsvertrag erst einmal unterschrieben ist, denken viele Arbeitnehmer, dass dieser nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ist diese Annahme wahr und welche Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer bei einem schon unterschriebenen Aufhebungsvertrag?

Dr. Kerstin Dälken: Wie bereits gesagt sind die Möglichkeiten des Arbeitnehmers nachträglich gegen einen Aufhebungsvertrag vorzugehen sehr beschränkt. Ein Aufhebungsvertrag kann, wenn er einmal unterschrieben ist, nicht mehr widerrufen werden. Auch eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages kommt nur unter sehr strengen Voraussetzungen in Betracht. So kann der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums (§ 119 BGB) oder wegen Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) anfechten. Dabei hat der Arbeitnehmer jedoch im Streitfalle die Voraussetzungen für die berechtigte Anfechtung darzulegen und zu beweisen. Dies ist in der Praxis sehr schwierig. Auch reicht nicht jeder Irrtum und nicht jeder durch den Arbeitgeber ausgeübte Druck auf den Arbeitnehmer für eine Anfechtung aus. So hat beispielsweise das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass für eine Anfechtung nicht ausreichend ist, dass eine Frau bei der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages nicht wusste, dass sie schwanger ist. Auch das Drohen des Arbeitgebers mit einer Strafanzeige oder mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen reicht nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz nicht für eine Anfechtung aus. Diese Beispiele zeigen, dass ein einmal geschlossener Aufhebungsvertrag in der Praxis eigentlich kaum noch aus der Welt zu schaffen ist.

Oftmals drängen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zur Unterschrift auf dem Vertrag. Unter welchen Umständen könnte sich eine gerichtliche Anfechtung des Aufhebungsvertrages lohnen?

Dr. Kerstin Dälken: Allein das bloße Drängen des Arbeitgebers zum schnellen Abschluss des Aufhebungsvertrages berechtigt den Arbeitnehmer noch nicht zur Anfechtung, denn das bloße Drängen stellt noch keine Drohung dar. Eine Anfechtungsmöglichkeit besteht allein dann, wenn der Arbeitnehmer einen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum darlegen oder eine widerrechtliche Täuschung bzw. Drohung beweisen kann. Wenn er dies kann, dann lohnt sich eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Letztendlich ist der Arbeitnehmer am besten beraten, wenn er das Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages auch bei Drängen des Arbeitgebers nicht sofort annimmt, sondern um Bedenkzeit bittet und sich Rechtsrat einholt.

Frau Dr. Dälken, vielen Dank für das Gespräch!

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