Dr. Martina Dreher: Arbeitgeber erhält durch den Aufhebungsvertrag Planungssicherheit

Interview mit Dr. Martina Dreher
Dr. Martina Dreher ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei Dreher Lutz Rechtsanwälte in Darmstadt. Mit ihr sprechen wir über Aufhebungsvertrag, tatsächliche Bedeutung sowie Unterschied zur Kündigung.

Vielen ist der Begriff Aufhebungsvertrag zwar ein bekannter Begriff, doch die tatsächliche Bedeutung ist vielen unklar. Wie unterscheiden sich eine Kündigung und Aufhebungsvertrag?

Dr. Martina Dreher: Beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin enden wird. Beide zeigen durch die Unterschrift unter den Vertrag, dass sie hiermit einverstanden sind. Nur in besonderen Ausnahmefällen lässt sich hieran noch etwas ändern. Im Gegensatz hierzu wird eine Kündigung entweder nur durch den Arbeitgeber oder nur durch den Arbeitnehmer ausgesprochen. Kündigt der Arbeitgeber, so steht es dem Arbeitnehmer frei, die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Möchte der Arbeitnehmer dies tun, so muss er zwingend spätestens drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben. Die Frage, ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich zu dem Zeitpunkt endet, den der Arbeitgeber durch den Ausspruch der Kündigung anstrebt, bleibt damit offen. Immer dann, wenn der Arbeitgeber mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt oder fristlos kündigen will, braucht er hierfür triftige Gründe. Für ihn besteht daher das Risiko, das Gehalt nach Ablauf der Kündigungsfrist nachzahlen zu müssen, obwohl der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat. Um dies zu verhindern, bemühen sich Arbeitgeber oftmals zunächst um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit dem Arbeitnehmer.

In einem Aufhebungsvertrag können viele Bedingungen geregelt werden. Können Sie uns die relevantesten Punkte nennen, die in einem Aufhebungsvertrag behandelt werden können?

Dr. Martina Dreher: Wichtig sind neben der Festlegung des Beendigungstermins die Klärung der Fragen, wie das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung fortgesetzt und welche Leistungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht werden sollen. Regelungsbedürftig ist regelmäßig, welche Zahlungen der Arbeitgeber noch wann zu erbringen hat. Zu denken ist dabei neben dem regelmäßigen Gehalt z.B. an Sonderzahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, Bonus- und Prämienzahlungen, aber natürlich auch an die Abfindung, die als Ausgleich dafür gezahlt wird, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verloren hat. Beantwortet werden sollten auch folgende Fragen: Soll der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter arbeiten oder wird er freigestellt? Wird der Urlaub noch genommen oder ist er auszuzahlen? Kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis auch vor Ablauf der Kündigungsfrist beenden und in welchem Umfang erhöhen sich hierdurch Abfindungszahlungen? Welchen Inhalt soll das Zeugnis haben? Gibt es eine Betriebsrente und was passiert hiermit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses? Oftmals schließt ein Aufhebungsvertrag auch mit der Klausel, dass über die geregelten Punkte hinaus keine weiteren Ansprüche mehr bestehen. Dann gilt es besonders aufzupassen, dass wirklich alle Ansprüche im Aufhebungsvertrag erfasst wurden.

Was sind die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrag aus Sicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Dr. Martina Dreher: Der Arbeitgeber erhält durch den Aufhebungsvertrag regelmäßig Planungssicherheit. Er weiß genau, welche finanziellen Verpflichtungen er gegenüber dem gekündigten Mitarbeiter hat. Für den ausgeschiedenen Mitarbeiter kann er einen neuen Arbeitnehmer einstellen, ohne das Risiko eingehen zu müssen, dass der gekündigte Mitarbeiter zu einem späteren Zeitpunkt nochmal Anspruch auf dieselbe Stelle erhebt. Diese Planungssicherheit erkauft er sich allerdings regelmäßig durch die Zahlung einer Abfindung. Oftmals ist dies jedoch nur ein scheinbarer Nachteil, da spätestens im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses nach Erhebung einer Klage durch den Arbeitnehmer erneut Abfindungszahlungen in Rede stehen. Arbeitnehmern ist eher in Ausnahmefällen der Abschluss eines Aufhebungsvertrags anzuraten. Haben sie keinen neuen Job, so müssen sie im Hinblick auf das Arbeitslosengeld regelmäßig mit einer Sperrzeit rechnen. Folge ist, dass sich die Dauer des Bezugs des Arbeitslosengelds um ¼ reduziert. Im Normalfall erhält der Arbeitnehmer dann nur 9 statt 12 Monate Arbeitslosengeld, bei älteren Arbeitnehmern können es auch nur 18 statt 24 Monate sein. Darüber hinaus entfällt bei der Verhängung einer Sperrzeit nach Ablauf des ersten Monats nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der gesetzlichen Krankenversicherung der Versicherungsschutz, so dass sich der Arbeitnehmer selbst versichern muss. Auch wird die Dauer der Sperrzeit in der Rentenversicherung nicht als Beitragszeit angerechnet. Vor diesem Hintergrund ist dringend davon abzuraten, einen Aufhebungsvertrag ohne vorherige rechtliche Beratung abzuschließen. Jedoch ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrags unter dem Strich nicht in allen Fällen nachteilig. Vorteile kann ein Aufhebungsvertrag z.B. dann haben, wenn der Arbeitnehmer ohnehin bereits einen neuen Job gefunden hat. In diesen Fällen ist die regelmäßig in Aussicht gestellte Abfindungszahlung ein willkommenes Zubrot. Manchmal spielen auch gesundheitliche Gründe eine Rolle. Dann lässt sich unter Einbeziehung des Arztes regelmäßig auch eine Sperrzeit vermeiden. Daneben können jedoch auch noch andere Faktoren von Bedeutung sein. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass die Entscheidung eines Arbeitnehmers, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, immer erst dann getroffen werden kann, wenn in seinem speziellen Fall alle Vor- und Nachteile auf dem Tisch liegen und gegeneinander abgewogen werden konnten.

Wenn ein Aufhebungsvertrag erst einmal unterschrieben ist, denken viele Arbeitnehmer, dass dieser nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ist diese Annahme wahr und welche Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer bei einem schon unterschriebenen Aufhebungsvertrag?

Dr. Martina Dreher: Es ist richtig, dass ein Aufhebungsvertrag nach seiner Unterzeichnung selten wieder rückgängig gemacht werden kann. Trotzdem gibt es durchaus Fälle, in denen dies möglich ist. In der Praxis immer wieder von Bedeutung ist zunächst die Anfechtung. Die wichtigsten Konstellationen, in denen eine Anfechtung in Betracht kommt, sind die Täuschung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, so z.B. über den Wegfall des Arbeitsplatzes, und die Drohung, z.B. mit einer unberechtigten fristlosen Kündigung oder einer Strafanzeige. In Betracht kommt auch eine Anfechtung wegen eines Irrtums, z.B. wenn die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags durch den Arbeitnehmer in der Annahme erfolgt, er habe lediglich den Empfang einer Kündigung bestätigt. Da im Rahmen der Anfechtung Fristen zu beachten sind, die im Rahmen der Anfechtung wegen Irrtums zudem extrem kurz sind, sollte hier immer sofort rechtlicher Rat eingeholt werden. Ein weiterer, praktisch wichtiger Grund den Aufhebungsvertrag zu Fall zu bringen, ist die Verletzung des Gebots fairen Verhandelns durch den Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht geht hiervon aus, wenn der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Arbeitnehmers erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Als Beispiele nennt das Bundesarbeitsgericht arbeitgeberseitig geschaffene, besonders unangenehme Rahmenbedingungen, die Ausnutzung einer erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche, unzureichende Sprachkenntnisse oder schlichtweg die Überrumpelung des Arbeitnehmers. Ist das Gebot fairen Verhandelns verletzt, ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam. Ein weiterer Grund, der dem Arbeitnehmer seinen Job im Ergebnis doch noch sichern kann, ist eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Stellt sich bspw. nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags innerhalb der Kündigungsfrist heraus, dass es entgegen den Erwartungen doch noch eine Möglichkeit gibt, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, so ist zwar der Aufhebungsvertrag nicht unwirksam. Der Arbeitnehmer kann dann aber einen Anspruch darauf haben, wiedereingestellt zu werden. Letztlich möchte ich auch den Fall nicht unerwähnt lassen, in dem der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus dem Aufhebungsvertrag nicht erfüllt, also z.B. die versprochene Abfindung nicht zahlt. Der Arbeitnehmer hat dann die Möglichkeit, dem Arbeitgeber eine Frist zur Zahlung zu setzen. Zahlt der Arbeitgeber auch dann nicht, so kann der Arbeitnehmer regelmäßig vom Aufhebungsvertrag zurücktreten.

Oftmals drängen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zur Unterschrift auf dem Vertrag. Unter welchen Umständen könnte sich eine gerichtliche Anfechtung des Aufhebungsvertrags lohnen?

Dr. Martina Dreher: Wie bereits erwähnt, sind Drohungsszenarien oftmals ein Grund, über eine Anfechtung des Aufhebungsvertrags nachzudenken. Die Frist hierfür beträgt ein Jahr und wird meist mit der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags durch beide Parteien beginnen. Auch die genannten Beispiele, die das Gebot fairen Verhandelns verletzen, bieten für den Arbeitnehmer Chancen, den Aufhebungsvertrag doch noch ungeschehen lassen zu machen. Da der Arbeitgeber regelmäßig die Auffassung vertreten wird, alles sei mit rechten Dingen zugegangen, wird man um ein gerichtliches Verfahren in beiden Fällen nicht herumkommen.

Frau Dr. Dreher, vielen Dank für das Gespräch!

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