Dr. Patrizia Chwalisz: Kündigung und Aufhebungsvertrag

Interview mit Dr. Patrizia Chwalisz
Dr. Patrizia Chwalisz ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Mit ihr sprechen wir über Aufhebungsverträge, Unterschied zur Kündigung sowie Bedingungen.

Vielen ist der Begriff Aufhebungsvertrag zwar ein bekannter Begriff, doch die tatsächliche Bedeutung ist vielen unklar. Wie unterscheiden sich eine Kündigung und Aufhebungsvertrag?

Dr. Patrizia Chwalisz: Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass eine Kündigung von einer Seite ausgesprochen wird, also im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer. Vorausgesetzt die Kündigung ist wirksam, beendet sie einseitig das Vertragsverhältnis. Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung beider Vertragsparteien. Das setzt voraus, dass Einigkeit erzielt werden kann. Ein Aufhebungsvertrag kann nicht gegen den Willen der anderen Vertragspartei zustande kommen.

In einem Aufhebungsvertrag können viele Bedingungen geregelt werden. Können Sie uns die relevantesten Punkte nennen, die in einem Aufhebungsvertrag behandelt werden können?

Dr. Patrizia Chwalisz: In der Tat können die Parteien eines Aufhebungsvertrages sehr kreativ sein. In komplexen Fällen sind Aufhebungsverträge manchmal viele Seiten lang. Die wesentlichen Regelungspunkte bezogen auf ein Arbeitsverhältnis sind aber die Folgenden: der Zeitpunkt und Grund, zu dem der Arbeitsvertrag endet, die Leistungen, die der Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt noch erhält, eine etwaige bezahlte Freistellung, eine etwaige Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, Zeugnisnote und Zeugnisinhalt sowie die vollständige Erledigung aller Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis. Häufig wird auch das Recht des Mitarbeiters zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen vollständig oder anteilige Auszahlung der Restvergütung als Einmalzahlung vereinbart für den Fall, dass der Mitarbeiter rasch eine neue Anstellung findet.

Was sind die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrages aus Sicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Dr. Patrizia Chwalisz: Wesentlicher Vorteil für beide Seiten ist, dass ein langwieriger Streit über die Wirksamkeit einer einseitigen Beendigung, also einer Kündigung, vermieden werden kann. Ein sog. Kündigungsschutzverfahren vor den deutschen Arbeitsgerichten kann mehrere Jahre dauern. Das kostet nicht nur Geld (Honorare der Anwälte und Gerichtskosten), sondern vor allem Nerven der Beteiligten. Solange das Verfahren – ggf. durch mehrere Instanzen – läuft, wissen die Parteien nicht, ob die Kündigung wirksam ist. Der Arbeitgeber hat das Risiko, das Arbeitsverhältnis doch noch fortbesteht. Er muss den Mitarbeiter im Falle des Unterliegens weiterbeschäftigen und die Vergütung für die gesamte Dauer des Verfahrens nachzahlen. Der Mitarbeiter hingegen muss einkalkulieren, ggf. nach jahrelangem Streit mit leeren Händen dazustehen. Denn einen Anspruch auf eine Abfindung hat der Arbeitnehmer bei wirksamer Kündigung nicht. Ausnahmen bestehen z.B. bei einer Betriebsänderung mit Sozialplan. Mit einem Aufhebungsvertrag können beide Parteien die Bedingungen Ihrer Trennung klar und schnell regeln. Der Mitarbeiter bekommt etwas dafür, dass er dem Arbeitgeber das Risiko einer unwirksamen Kündigung nimmt. In der Regel ist dies eine Abfindung. Es können aber auch Outplacement- und Sachleistungen sein, ein besonders gutes Zeugnis oder der Verzicht des Arbeitgebers auf Ansprüche gegen den Mitarbeiter, z.B. auf die Rückzahlung von Fortbildungskosten oder ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot.

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages muss vom Mitarbeiter allerdings gut überlegt sein. Es lohnt sich vor Abschluss einer solchen Vereinbarung Rechtsrat einzuholen. Nimmt der Mitarbeiter das Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages an, ohne eine gesetzlich anerkannte Rechtfertigung dafür zu haben, muss er mit Nachteilen beim Bezug von Arbeitslosengeld rechnen. Es können eine Sperrzeit und eine Kürzung der Bezugsdauer verhängt werden. Besonders nachteilig wirkt es sich aus, wenn sich der Arbeitnehmer auf eine Beendigung vor Ablauf der anwendbaren Kündigungsfrist einlässt. Es gibt aber durchaus Fälle, bei denen ein Aufhebungsvertrag ohne Nachteile beim Arbeitslosengeld geschlossen werden kann, z. B. wenn er – unter Einhaltung bestimmter Vorgaben – zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden, betriebsbedingten Kündigung geschlossen wird.

Wenn ein Aufhebungsvertrag erst einmal unterschrieben ist, denken viele Arbeitnehmer, dass dieser nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ist diese Annahme wahr und welche Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer bei einem schon unterschriebenen Aufhebungsvertrag?

Dr. Patrizia Chwalisz: Zunächst sollte geprüft werden, ob der Aufhebungsvertrag überhaupt ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform, d.h. beide Parteien müssen auf demselben Dokument im Original unterschrieben haben. Ferner muss die Arbeitgeberseite richtig vertreten sein, also von ihren gesetzlichen Vertretern, der Personalleitung oder von einer bevollmächtigten Person. Sind diese Voraussetzungen gewahrt, kommt ggf. noch eine Anfechtung in Betracht.

Oftmals drängen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zur Unterschrift auf dem Vertrag. Unter welchen Umständen könnte sich eine gerichtliche Anfechtung des Aufhebungsvertrags lohnen?

Dr. Patrizia Chwalisz: Die Hürden für eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer sind durchaus hoch. Denkbar ist eine Anfechtung, wenn der Arbeitgeber widerrechtlich mit dem Ausspruch einer Kündigung droht, falls der Mitarbeiter nicht unterschreibt. Dies ist dann anzunehmen, wenn ein vernünftiger Arbeitgeber nach der Sachlage den Ausspruch einer Kündigung nicht ernsthaft hätte erwägen dürfen. Ein Irrtum des Mitarbeiters, welche Rechtsfolgen sich aus dem Abschluss des Aufhebungsvertrages ergeben, z.B. mit Blick auf seinen Arbeitslosengeldanspruch, berechtigt grundsätzlich nicht zur Anfechtung. Dies kann aber anders sein, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter bei Abschluss des Vertrages arglistig täuscht, in dem er den Eindruck erweckt, er werde den Mitarbeiter keinen erheblichen Risiken ohne ausreichende Aufklärung aussetzen. Einem solchen Eindruck kann das Unternehmen zuvorkommen, wenn es den Mitarbeiter das Vertragsangebot mitgibt und ihn auffordert, es zu prüfen. Der Arbeitgeber sollte sich auch Mutmaßungen zu den sozialversicherungsrechtlichen Folgen des Aufhebungsvertrages gegenüber dem Mitarbeiter verkneifen. Hingegen rechtfertigt Zeitdruck, also eine sehr kurze Annahmefrist, allein keine Anfechtung, wenn der Arbeitgeber dabei nicht widerrechtlich droht oder arglistig täuscht.

Frau Dr. Chwalisz, vielen Dank für das Gespräch!

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