Dr. Ralf Baur: Gründe einer Änderungskündigung

Interview mit Dr. Ralf Baur
Dr. Ralf Baur ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Stuttgart. Mit ihm sprechen wir über Änderungskündigung, weitere Beschäftigungsmöglichkeit sowie Kündigungsschutzgesetz.

Nicht jeder ist mit allen Formen einer Kündigung vertraut. Was versteht man unter einer Änderungskündigung?

Dr. Ralf Baur: Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung mit der, anders als bei einer „normalen“ Kündigung bzw. Beendigungskündigung nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern eine Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen unter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird. Für die Änderungskündigung gibt es eine ausdrückliche Regelung in § 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Nach § 2 KSchG liegt eine Änderungskündigung vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und zugleich dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet.

Können Sie uns Gründe oder Situationen nennen, in denen eine Änderungskündigung häufig zum Einsatz kommt?

Dr. Ralf Baur: Eine Änderungskündigung kommt immer dann in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer an seinem bisherigen Arbeitsplatz zu den bisherigen Konditionen nicht weiterbeschäftigt werden kann, es jedoch für ihn eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Arbeitsplatz oder zu geänderten Konditionen im Unternehmen gibt. In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber sogar aus Gründen der Verhältnismäßigkeit angehalten, anstatt eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzustreben, dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Konditionen anzubieten. Denkbar ist dies z.B., wenn es bei einem Unternehmen zu einer Standortschließung oder Verlegung eines Standorts kommt und an einem anderen Standort oder dem neuen Standort eine Beschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer besteht bzw. es dort einen freien Arbeitsplatz gibt.

Eine Änderungskündigung gemäß §2 KSchG ist also eine “richtige” Kündigung. Wann ist eine Änderungskündigung rechtmäßig und wann unwirksam?

Dr. Ralf Baur: Für eine Änderungskündigung gelten grundsätzlich dieselben Regelungen und Wirksamkeitskriterien wie für eine „richtige“ Beendigungskündigung. Solange das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, weil der betroffene Arbeitnehmer entweder noch nicht länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigt oder das Unternehmen ein Kleinbetrieb mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmer ist, braucht es für die Änderungskündigung keinen Grund im Rechtssinne, sodass die Änderungskündigung bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist grundsätzlich wirksam ist. Findet das Kündigungsschutzgesetz dagegen Anwendung, weil in dem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind und der betroffene Arbeitnehmer länger als sechs Monate dem Betrieb angehört, muss wie im Fall einer Beendigungskündigung ein verhaltensbedingter, personenbedingter oder betriebsbedingter Grund vorliegen.

Kommt es zu einer Änderungskündigung, hat der Arbeitnehmer wie bei einer konventionellen Kündigung verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Welche Optionen hat der Arbeitnehmer und was haben die einzelnen Reaktionen für Konsequenzen?

Dr. Ralf Baur: Bei einer Änderungskündigung hat der Arbeitnehmer drei Möglichkeiten zu reagieren:

Er kann die Änderungskündigung annehmen. Dann wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den neuen Konditionen, z.B. an einem neuen Arbeitsort, mit einer neuen Funktion oder einem verminderten Gehalt fortgesetzt.

Der Arbeitnehmer reagiert auf das Änderungsangebot nicht oder lehnt dieses ausdrücklich ab. Die Änderungskündigung „verwandelt“ sich dann in eine Beendigungskündigung. Möchte der Arbeitnehmer eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Änderungskündigung in dieser Konstellation verhindern, muss er rechtzeitig innerhalb von drei Wochen gemäß § 4 KSchG Kündigungsschutzklage erheben. Stellt sich in dem Kündigungsschutzprozess heraus, dass die Änderungskündigung zu Unrecht ausgesprochen wurde, wird das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Konditionen fortgesetzt. Stellt sich jedoch im Kündigungsschutzprozess heraus, dass die Änderungskündigung vom Arbeitgeber zu Recht ausgesprochen wurde, also die Kündigung im Rechtssinne sozial gerechtfertigt ist, stellt das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist geendet hat.

§ 2 KSchG sieht noch eine 3. Möglichkeit vor, damit ein Arbeitnehmer, der eine Änderungskündigung nicht akzeptieren will, nicht „hopp oder top“ spielen und den Bestand seines Arbeitsverhältnisses nicht riskieren muss. Er kann die Änderungskündigung unter Vorbehalt annehmen. Auch in diesem Fall muss er innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage einreichen. Gewinnt er das Kündigungsschutzverfahren, bleibt es bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den alten Konditionen. Verliert er den Kündigungsschutzprozess, wird das Arbeitsverhältnis fortgesetzt, allerdings zu den neuen Konditionen. Weiter ist zu beachten, dass bei einer Annahme unter Vorbehalt – solange der Kündigungsschutzprozess läuft und die Rechtmäßigkeit der Kündigung nicht gerichtlich überprüft ist – der Arbeitnehmer vorläufig zu den neuen Konditionen arbeiten muss.

Wie verhält es sich mit dem Kündigungsschutzgesetz bei Änderungskündigungen?

Dr. Ralf Baur: Wie bereits oben dargestellt, trifft das Kündigungsschutzgesetz eine ausdrückliche Regelung zu Änderungskündigungen. Auch bei einer Änderungskündigung muss das Arbeitsgericht unter Einhaltung der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG angerufen werden. Auch eine Änderungskündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, d.h. wirksam, wenn der Arbeitgeber die Kündigung mit personenbedingten Gründen, Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers oder betriebsbedingten Gründen begründen kann.

Arbeitnehmer können verschieden mit der Änderungskündigung umgehen. Wann raten Sie Betroffenen dazu, eine Änderungskündigung abzulehnen und wie müssen diese dann dahingehend vorgehen?

Dr. Ralf Baur: Grundsätzlich empfiehlt es sich, eine Änderungskündigung unter Vorbehalt anzunehmen, um nicht den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu riskieren. Da die Annahme unter Vorbehalt jedoch dazu führt, dass der Arbeitnehmer – zumindest vorläufig – zu den geänderten Konditionen arbeiten muss, kommt eine Annahme unter Vorbehalt in manchen Konstellationen aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht, z.B. wenn der Arbeitnehmer z.B. von Stuttgart nach Hamburg versetzt werden soll und dann auch vorübergehend in Hamburg arbeiten müsste, dies aber seine privaten oder familiären Lebensumstände nicht zulassen. Möchte ein Arbeitnehmer eine Änderungskündigung deshalb ablehnen, kann er entweder die Änderung der Arbeitsbedingungen ausdrücklich ablehnen oder auf das Änderungsangebot gar nicht reagieren. In jedem Fall muss er in dieser Konstellation innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage erheben, um nicht sein Arbeitsverhältnis gänzlich bzw. die Chance auf eine Abfindungszahlung zu verlieren.

Herr Dr. Baur, vielen Dank für das Gespräch!

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