Dr. Susanne Clemenz: Jede Kündigung eines Arbeitsvertrages muss schriftlich erklärt werden

Interview mit Dr. Susanne Clemenz
Dr. Susanne Clemenz ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei T/S/C Fachanwälte für Arbeitsrecht Schipp & Partner Rechtsanwälte mbB in Gütersloh. Mit ihr sprechen wir über Aufhebungsvertrag, außerordentliche Kündigung sowie Anfechtung von Verträgen.

Vielen ist der Begriff Aufhebungsvertrag zwar ein bekannter Begriff, doch die tatsächliche Bedeutung ist vielen unklar. Wie unterscheiden sich eine Kündigung und Aufhebungsvertrag?

Dr. Susanne Clemenz: Eine Kündigung ist die Erklärung eines der Vertragspartner, mit der er das Vertragsverhältnis einseitig beendet. Für Arbeitnehmer ist die ordentliche Kündigung unter Einhaltung der gesetzlich, tariflich oder vertraglich vorgesehenen Kündigungsfrist jederzeit ohne Grund möglich. Für eine fristlose, sogenannte außerordentliche Kündigung bedarf es gem. § 626 BGB eines sogenannten wichtigen Grundes, der Arbeitgeber muss also eine besonders schwere Vertragspflichtverletzung begangen haben, die es aus Sicht eines objektiven Dritten dem Arbeitnehmer unmöglich macht, die geltende Kündigungsfrist einzuhalten. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber fristlos kündigen will. Anders als der Arbeitnehmer, muss der Arbeitgeber, wenn er regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt und das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht, auch für die ordentliche Kündigung einen Grund haben, den das Gesetz anerkennt. Jede Kündigung eines Arbeitsvertrages muss schriftlich erklärt werden. Es braucht also ein vom Kündigenden unterzeichnetes Papierdokument zur Wirksamkeit. Einfach nicht mehr zur Arbeit gehen reicht ebenso wenig, wie eine mündliche oder eine in elektronischer Form (also bspw. per E-Mail, Fax, SMS oder WhatsApp) abgegebene Mitteilung. Einen Aufhebungsvertrag können die Arbeitsvertragsparteien jederzeit abschließen. Dafür ist erforderlich, dass sie sich schriftlich darüber verständigen, zu wann und zu welchen Bedingungen sie den bestehenden Arbeitsvertrag beenden wollen. Es braucht also ein von beiden Seiten unterzeichnetes Papierdokument zur Wirksamkeit. Mündliche Aufhebungsverträge oder solche in elektronischer Form (also bspw. per E-Mail, Fax, SMS oder WhatsApp) sind unwirksam.

In einem Aufhebungsvertrag können viele Bedingungen geregelt werden. Können Sie uns die relevantesten Punkte nennen, die in einem Aufhebungsvertrag behandelt werden können?

Dr. Susanne Clemenz: Der kürzeste Aufhebungsvertrag regelt nur das Ende des Arbeitsvertrages und verweist darauf, dass bis zum Ende weiterhin das zu beachten ist, was arbeitsvertraglich an Rechten und Pflichten für beide Seiten gilt. Ein ausführlicher Aufhebungsvertrag sollte folgende Punkte bzw. Themen regeln und die Details für die Abwicklung beschreiben:

•          Termin der Vertragsbeendigung

•          Arbeitspflicht, Freistellung, Urlaub

•          Vergütung (fix und variabel)

•          Nebenleistungen (z. B. Versicherungen)

•          Dienstwagen (weitere Nutzung, Herausgabe etc.)

•          IT-Equipment, mobile devices

•          Betriebliche Altersversorgung

•          Zwischenzeugnis, Zeugnis

Was sind die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrag aus Sicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Dr. Susanne Clemenz: Der Vorteil für beide Seiten liegt darin, dass – wenn man das möchte – das Vertragsverhältnis schnell zu jedem Termin, mit dem beide einverstanden sind, und zu den von beiden gewünschten Bedingungen beendet werden kann.

Ein sehr gravierender Nachteil auf Arbeitnehmerseite besteht darin, dass wenn nicht sofort im Anschluss ein neues Arbeitsverhältnis begründet wird, das Arbeitslosengeld für drei Monate gesperrt wird (und der Anspruch sich um 25 % der vorgesehenen Bezugsdauer insgesamt verringert), weil das Arbeitsverhältnis „schuldhaft“, weil freiwillig, aufgegeben wurde. Zu den (auch weiteren) Folgen einer solchen Sperrfrist kann man sich auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit informieren (und sollte es in jedem Fall tun, bevor man unterschreibt!).

Wenn ein Aufhebungsvertrag erst einmal unterschrieben ist, denken viele Arbeitnehmer, dass dieser nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ist diese Annahme wahr und welche Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer bei einem schon unterschriebenen Aufhebungsvertrag?

Dr. Susanne Clemenz: Wenn es nicht besondere Gründe gibt, warum die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags gerichtlich angegriffen werden kann, ist die Unterschrift in der Tat nicht mehr rückgängig zu machen. Es sei denn, der Arbeitgeber ist bereit, den Arbeitnehmer erneut einzustellen und wieder in das Arbeitsverhältnis „zurück zu nehmen“. Gründe, die Wirksamkeit eines unterschriebenen Vertrages in Frage zu stellen, sind bspw.:

•          Der Vertrag wurde im Rahmen einer sogenannten Massenentlassung unterzeichnet und der Arbeitgeber hat die ihn hier treffenden (sehr komplexen und schwer einzuhaltenden) gesetzlichen Vorgaben der §§ 17 ff KSchG nicht eingehalten

•          Auf Arbeitgeberseite hat jemand unterschrieben, der dazu nicht berechtigt ist (dann kann der Arbeitgeber diese Unterschrift aber unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich genehmigen und damit zur Wirksamkeit verhelfen)

•          Der Aufhebungsvertrag verstößt gegen besondere gesetzliche Vorgaben, ist also bspw. sittenwidrig oder hält einer sogenannten AGB-Kontrolle nicht statt

•          Der Arbeitnehmer wurde durch eine widerrechtliche Drohung oder arglistige Täuschung zu Unterschrift bewegt (siehe unten)

Anders als viele denken reicht es nicht aus, wenn man sich im Zeitpunkt der Unterzeichnung überrumpelt fühlte, nicht über die möglichen Folgen nachgedacht oder informiert hatte, krank war oder psychische Probleme hatte. Die eigene Unterschrift ist nur dann unwirksam, wenn man nachweisen kann, dass man zu dieser Zeit im juristischen Sinn geschäftsunfähig war. Das ist so gut wie nie der Fall.

Oftmals drängen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zur Unterschrift auf dem Vertrag. Unter welchen Umständen könnte sich eine gerichtliche Anfechtung des Aufhebungsvertrags lohnen?

Dr. Susanne Clemenz: Die Anfechtung von Verträgen ist im BGB geregelt. Nach § 119 BGB ist eine Anfechtung wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums denkbar. Hierfür gilt aber eine denkbar kurze Frist, nach § 121 BGB muss die Anfechtung unverzüglich erklärt werden, nachdem man den Irrtum bemerkt hat. Unverzüglich heißt ohne schuldhaftes Zögern, in der Praxis geht es hier um wenige Tage, d.h. die Frist ist regelmäßig abgelaufen, wenn ein Anwalt dem Betroffenen die Rechtslage erklärt. Erfolgversprechender ist die Anfechtung gem. § 123 BGB, weil für diese ein Frist von einem Jahr gilt. Allerdings muss der Betroffene dann nachweisen, dass er entweder durch eine arglistige Täuschung oder eine widerrechtliche Drohung zum Vertragsabschluss gebracht wurde. Der erste Fall ist sehr selten, eine widerrechtliche Drohung kann allerdings dann vorliegen, wenn ein Arbeitgeber mit einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung gedroht hat. Die Drohung ist dann widerrechtlich, wenn aus Sicht eines objektiven Dritten ein verständiger Arbeitgeber in der jeweiligen Situation nicht davon ausgehen durfte, dass er ein Recht zur fristlosen Kündigung hat.

Frau Dr. Clemenz, vielen Dank für das Gespräch!

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