Führungscoaching: Gute Führung muss gelernt sein!

Interview mit Katrin Funke
Chef sein ist nicht einfach. Führungskräfte müssen selbstverständlich fachliche, aber vor allem auch persönliche Fähigkeiten mitbringen, um sein Team kompetent führen zu können. Manchmal kommt es trotz großer Bemühungen zur Unzufriedenheit in der Belegschaft. Um dies zu vermeiden, gibt es Führungscoachings wie das von Katrin Funke. Als Psychotherapeutin und Coach aus Duisburg mit über 25 Jahren Erfahrung kann sie uns einiges über die verschiedenen Herausforderungen von Führungskräften sowie bewährte Methoden, Techniken und Praktiken zur Bewältigung dieser Herausforderungen erzählen.

Wie würden Sie die Rolle eines Chefs als Coach definieren, und welche Vorteile kann dies für das Unternehmen und die Mitarbeiter haben?

Ich würde den „Chef als Coach“ als die zentrale Figur eines Teams beschreiben: Er oder sie arbeitet eng mit dem gesamten Team, aber auch individuell mit jedem einzelnen Mitarbeiter zusammen und geht Probleme konstruktiv an. Der Schwerpunkt liegt darauf, die Kollegen zu unterstützen und ihre Stärken und Schwächen, aber auch ihre manchmal versteckten Potenziale zu erkennen und zu entwickeln. Dabei ist es entscheidend, den Kollegen auf Augenhöhe zu begegnen und sie nicht nur als Leistungserbringer, sondern als Menschen wahrzunehmen. Ein solcher Coaching-Ansatz bringt für alle Beteiligten qualitative und quantitative Bereicherungen: Die Motivation steigt, das Engagement und die Ergebnisse verbessern sich. Die Bindung der Mitarbeiter nimmt zu, da der Beitrag und die Qualitäten jedes Einzelnen wertgeschätzt werden. Als positiver Nebeneffekt macht die Arbeit mehr Spaß und sowohl berufliches als auch persönliches Wachstum werden gefördert. Dieser Führungsstil basiert nicht auf Autorität, sondern auf Ermächtigung. Mitarbeiter werden ermutigt, eigene Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden. Ich habe festgestellt, dass sich das in der Theorie einfach und „zu schön, um wahr zu sein“ anhört. Ich lebe diesen Führungsstil selbst, habe aber (auch am eigenen Leibe) festgestellt, dass die Praxis häufig Risiken in sich birgt. Es besteht die Gefahr, sich im Kreis zu drehen. Führungskräfte, die sich als Coach verstehen, möchten es jedem recht machen und meiden unangenehme Entscheidungen. Dies ist weder produktiv noch hilfreich für das Team. Es erfordert Erfahrung, Menschenkenntnis und Empathie, um zu erkennen, welche Herangehensweise eine Situation und ein Mitarbeiter benötigt, und dies dann auch dem Unternehmen und den Mitarbeitern kommunizieren zu können. Meiner Meinung nach ist dies nur möglich, wenn alle Beteiligten auf politische Spielchen verzichten, die Unternehmenskultur solch einen Führungsstil fördert und maximale Transparenz als ungeschriebenes Gesetz gelebt wird.

Welche spezifischen Fähigkeiten und Qualitäten sollten Führungskräfte entwickeln, um erfolgreich als Coaches für ihre Teams zu fungieren?

Alles beginnt mit der Einstellung der Führungskraft und ihrem Menschenbild. Sie sollte den Mitarbeiter als ganzheitlichen Menschen sehen, nicht zur als Leistungsträger. Für mich ist die wichtigste Fähigkeit die Empathiefähigkeit, verbunden mit einer wertfreien Neugier, seine Mitarbeiter kennenzulernen. Systemisches Denken ist besonders vorteilhaft bei größeren Teams und Unternehmen, doch dieser Aspekt wird leider oft vernachlässigt. Um dies umzusetzen, muss die Führungskraft immer den professionellen und persönlichen Kontext einbeziehen. Es ist sehr hilfreich, gute und kreative Fragen stellen zu können. Als Inspiration kann ich das Buch „Book of beautiful questions“ von Warren Berger empfehlen. In diesem Zusammenhang steht auch die Fähigkeit des aktiven Zuhörens. Das bedeutet, das Handy wegzulegen und mit allen Sinnen zuzuhören, um zu verstehen (auch den Subtext) und nicht nur um zu antworten. Dies erfordert Zeit und Energie. Auf der anderen Seite stehen die kommunikativen Kompetenzen. Führungskräfte müssen in der Lage sein, ihre Ideen und Erwartungen klar zu formulieren und Feedback auf eine konstruktive und motivierende Weise zu geben. Beim Coaching geht es immer darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Die Führungskraft sollte in der Lage sein, dem Reflex zu widerstehen, entweder zu viel zu erwarten oder gleich alles selbst lösen zu wollen. Sie sollten ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, Lösungen zu finden und diese umzusetzen. Dies trägt zur Förderung des eigenständigen Denkens und Handelns bei.

Gibt es ein „Coaching-Mindsets“? Welche Schritte oder Ansätze empfehlen Sie Führungskräften, um dieses Mindset zu kultivieren und in den Alltag zu integrieren?

Tatsächlich gibt es eine „Coaching-Mentalität“, die über das Erlernen von Fähigkeiten und Techniken hinausgeht. Im Mittelpunkt dieser Mentalität steht die Konzentration auf Wachstum und Entwicklung. Anstatt den kurzfristigen Erfolg in den Vordergrund zu stellen, konzentriert sich eine Coaching-Mentalität auf nachhaltige Verbesserungen und langfristige Ziele. Sie betont die Bedeutung des Einzelnen im Team und hat das Ziel, das volle Potenzial jedes Mitarbeiters auszuschöpfen. Das Kernstück dieser Mentalität deckt sich mit den Fähigkeiten und Werten, die viele erfolgreiche Führungskräfte auszeichnen: Hilfsbereitschaft, eine wertfreie Einstellung, Neugierde, Empathie und Selbstkenntnis. Führungskräfte sollten sich selbst, ihre Einstellungen und Glaubenssätze reflektieren und die Offenheit besitzen, auch an sich selbst zu arbeiten. Dabei sollten sie mutig genug sein, ihre eigenen Schwächen ihren Mitarbeitern gegenüber zu kommunizieren. Durch eine tiefe Selbstreflexion können Führungskräfte wertfreie Perspektiven entwickeln, was für ein positives Arbeitsumfeld unerlässlich ist. Das Ego des Chefs muss in den Hintergrund treten. Der Chef als Coach sollte einen unstillbaren Hunger nach Wissen, Verbesserung und Neugierde auf seine Mitarbeiter und die unternehmerischen Herausforderungen haben.

Die Umsetzung von Coaching-Prinzipien in der Führung kann eine Herausforderung sein. Wie können Führungskräfte diese Veränderung effektiv kommunizieren und in ihren Teams implementieren?

Die größten Hindernisse sind meiner Meinung nach Zeitmanagement-Probleme, Widerstand gegen Veränderungen und die Angst aller Beteiligten, sich zu öffnen (einschließlich der Führungskraft). Mein Ratschlag ist, klein anzufangen und das Team direkt einzubeziehen. Im ersten Schritt sollte überlegt werden, welche Ergebnisse erhofft werden. Den Mitarbeitern muss klar und transparent kommuniziert werden, welche Vorteile das Coaching bietet. Gleichzeitig sollte der zeitliche Rahmen für das Coaching festgelegt werden. Es ist entscheidend, dass vereinbarte Coaching Termine dann auch eingehalten werden. Meiner Erfahrung nach hat es sich bewährt, zunächst mit einzelnen motivierten Mitarbeitern anzufangen und das Coaching später auf das gesamte Team auszuweiten. Es kann auch hilfreich sein, dass die Führungskraft zunächst selbst gecoacht wird und/oder einen Coach an die Seite gestellt bekommt. Dadurch bekommt sie ein Gespür für den Wert dieses Führungsstils und erlernt gleichzeitig die Techniken. Auf jeden Fall darf die Führungskraft mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden.

Inwiefern kann eine Kultur, in der Führungskräfte als Coaches agieren, die Mitarbeiterbindung, die Leistung und die Innovation im Unternehmen beeinflussen? Gibt es konkrete Beispiele oder Erfahrungen, die dies verdeutlichen?

Eine Kultur, in der Führungskräfte als Coaches agieren, kann sich erheblich auf die Mitarbeiterbindung, die Leistung und die Innovation in einem Unternehmen auswirken. Denn in so einer Kultur fühlen sich Mitarbeiter wertgeschätzt, gefördert und engagiert, was zu einer verbesserten Leistung und mehr Innovation führen kann.

Unternehmen, die die Coaching-Kultur als zentralen Bestandteil ihrer Führung verstehen, gelten häufig als die attraktivsten Arbeitgeber, z.B. Google oder Netflix.

Studien zeigen, dass Mitarbeiter, die sich unterstützt und wertgeschätzt fühlen, eher dazu neigen, langfristig im Unternehmen zu bleiben. Ein Coach unterstützt seine Mitarbeiter in ihrer Entwicklung, erkennt ihre Stärken und hilft ihnen, ihre Fähigkeiten zu verbessern. Diese Art der Wertschätzung und Unterstützung kann dazu führen, dass Mitarbeiter sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren und weniger wahrscheinlich das Unternehmen verlassen.

In Bezug auf die Leistung ist eine Coaching-Kultur ebenfalls effektiv. Wenn Mitarbeiter durch ihren Vorgesetzten ständig gefördert und herausgefordert werden, neigen sie dazu, sich effizienter zu entwickeln und besser zu arbeiten. Zudem fördert ein Coach eher die Problemlösungskompetenzen der Mitarbeiter, was zu einer verbesserten Arbeitsleistung führt.

Schließlich können Coaching-Kulturen auch die Innovation fördern. Das liegt daran, dass Führungskräfte, die als Coaches agieren, in der Regel eine offene und kollaborative Arbeitsumgebung fördern, die es den Mitarbeitern ermöglicht, ihre Ideen und Kreativität auszudrücken. In einer solchen Umgebung ist es wahrscheinlicher, dass innovative Ideen und Lösungen entstehen.

Welche bewährten Praktiken oder Ratschläge würden Sie an Führungskräfte weitergeben, die ihre Coaching-Fähigkeiten weiterentwickeln und ihre Teams erfolgreicher führen möchten?

Hier meine Top 3 Tipps:

1.       Fangen Sie ganz einfach an: packen Sie ihr Handy weg und nehmen Sie sich die Zeit, Ihren Mitarbeitern zuzuhören. Fragen Sie, was die Mitarbeiter bewegt, was sie sich erhoffen.

2.       Wenn Sie zur Arbeit kommen, stellen Sie sich die Frage: „Wie kann ich helfen?“

3.       Nehmen Sie sich selbst einen Coach.

Frau Funke, vielen herzlichen Dank für das Interview.

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Katrin Funke

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