Nina Kreutzfeldt: Häufig nehmen die Anzeichen mit der Zeit immer mehr zu

Interview mit Nina Kreutzfeldt
Nina Kreutzfeldt ist selbständiger Coach in Hamburg. Mit ihr sprechen wir über Hauptgründe für Arbeitsunzufriedenheit, mangelnde Wertschätzung sowie Fehlen der eigenen Persönlichkeit.

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Beschäftigte unzufrieden mit ihrem Job sind. Für viele ist aber eine berufliche Neuorientierung keine Option. Was sind die häufigsten Gründe, die zu einer Jobunzufriedenheit führen?

Nina Kreutzfeldt: Meiner Erfahrung nach gibt es zwei Hauptgründe, die dazu führen, dass Menschen bei ihrer Arbeit unzufrieden sind: Erstens führt häufig mangelnde Wertschätzung dazu, das Gefühl, von Vorgesetzten oder auch Teammitgliedern nicht gesehen und nicht für den Beitrag geachtet zu werden, den man leistet. In diesem Fall reicht es teilweise aus, den Arbeitgeber zu wechseln. Beim zweiten wichtigen Grund für Jobunzufriedenheit liegen die Ursachen tiefer: Hier schildern mir Betroffene häufig, dass sie das Gefühl haben, sich bei der Arbeit verbiegen zu müssen, dass die eigene Persönlichkeit, ihre persönlichen Stärken und Werte einfach nicht oder nicht mehr zu ihrer Arbeit passen. Oft geht dies einher mit einer subjektiven Über- oder auch Unterforderung. In solchen Fällen ist meist eine echte berufliche Neuorientierung die beste Lösung.

Woher weiß man, dass es Zeit ist den Job zu wechseln, um sich neuen Herausforderungen zu stellen?

Nina Kreutzfeldt: Häufig nehmen die Anzeichen mit der Zeit immer mehr zu, bis einem irgendwann klar ist: So geht es nicht weiter. Wenn man über längere Zeit – tatsächlich oder im übertragenen Sinne – „mit Bauchschmerzen“ zur Arbeit geht, am Sonntagabend regelmäßig so gar keine Lust auf den Montag hat oder sogar Angst vor der neuen Woche verspürt, wenn man sarkastisch über den eigenen Job spricht oder Freunde und Familie einen darauf ansprechen, dass man so viel Negatives über die Arbeit erzähle … dann sollte man diese Signale ernst nehmen und sich über einen Jobwechsel Gedanken machen. Ignoriert man diese Zeichen zu lange, kann es sein, dass sich irgendwann auch der Körper zu Wort meldet und es zu gesundheitlichen Problemen kommt. Spätestens dann ist es höchste Zeit, sich (auch) diesem Thema zu widmen – aber dann liegt häufig ein längerer Leidensweg hinter diesem Menschen. Daher wünsche ich jedem, dass es erst gar nicht so weit kommt.

Viele Beschäftigte über 35 haben Hemmungen sich neu zu orientieren. Kann man im fortgeschrittenen Alter noch adäquat Karriere machen?

Nina Kreutzfeldt: Na klar! Jüngere empfinden es häufig als leichter, sich beruflich neu zu orientieren, aber viele meiner Klientinnen und Klienten sind über 40, manche auch über 50. Bei der beruflichen Neuorientierung gibt es aus meiner Sicht keine Altersgrenze. Sie ist immer eine individuelle Entscheidung, und es hängt von vielen Faktoren ab, wann man an den Punkt kommt, an dem ein Berufswechsel richtig erscheint. Liegt schon ein gewisser Teil des Berufslebens hinter einem, hat dies den Vorteil, dass man sich selbst besser kennt, als dies bei der ersten Studien- oder Berufswahl der Fall war, bei der viele dem Rat von Eltern oder Freunden gefolgt sind. Hat man Erfahrung in seinem ersten Beruf gesammelt, bemerkt man vielleicht mit der Zeit, dass diese Wahl nicht richtig war oder es nicht mehr ist. Man kann dann viel leichter herausfinden, was wirklich zu einem passt. Zudem bringt man viel berufliche wie auch generell Lebenserfahrung mit, was auch in einer neuen Branche oder einem neuen Beruf geschätzt werden kann. Hinzu kommt, dass viele Menschen mit einer beruflichen Neuorientierung eben nicht die nächste Sprosse auf der klassischen „Karriereleiter“ verbinden, sondern – bildlich gesprochen – eher eine neue Abbiegung suchen, die sie vom bisherigen Weg hin zu etwas Neuem führt.

Ein Neuanfang ist immer schwer. Wie kann man mentale Hürden der Neuorientierung überwinden?

Nina Kreutzfeldt: Es beginnt damit, dass man sich bewusst machen, dass es in vielen Fällen „nur“ mentale Hürden sind – die einen aber gleichzeitig sehr wirkungsvoll davon abhalten, diesen Neuanfang zu wagen. Hilfreich ist, sich vor Augen zu führen, wovor man evtl. Angst hat und gleichzeitig, worauf man sich freut! Ein Neuanfang hat immer etwas mit Unsicherheit zu tun, das ist den meisten klar. Weniger bewusst ist vielen, dass das Verweilen im alten Job auch eine Unsicherheit birgt. Auch dort können Dinge passieren, die als Reaktion eine Veränderung erforderlich machen oder man leidet im schlimmsten Fall so sehr, dass dies nicht ohne Folgen bleibt. Wenn man bemerkt, dass man sich aufgrund der mentalen Blockaden selbst im Weg steht, aus dem Gedankenkarussell allein nicht herausfindet, gibt es dennoch etwas, was man aktiv tun kann: Man kann sich Unterstützung holen und sich bei der Neuorientierung von jemandem begleiten lassen, der u.a. auch Erfahrung damit hat, wie man diese gedanklichen Hürden mit einem guten Gefühl überwinden kann.

Was muss man also tun, damit eine berufliche Neuorientierung gelingt?

Nina Kreutzfeldt: Wichtig ist, dass man zunächst Klarheit über seine persönlichen Stärken und Kompetenzen gewinnt, gleichzeitig aber auch darüber, welche Werte und Bedürfnisse einem in Bezug auf den Job wichtig sind. Es gibt einige gute Bücher, die einen dabei begleiten können, auch Gespräche mit Familie und Freunden können sicher helfen. Die kennen und schätzen einen allerdings mit dem bisherigen Beruf, können häufig nicht so neutral und objektiv sein wie z.B. ein Coach, der es zu seinem Beruf gemacht hat, Menschen dabei zu begleiten, den weiteren beruflichen Weg genau so zu gestalten, wie es tatsächlich zu ihnen passt.

Viele Menschen leben im Job leider (noch) an ihrem eigenen Potenzial vorbei. Das heißt, dass ihre Stelle einfach nicht besonders gut zu dem passt, wer sie tatsächlich sind, was sie können, was ihnen wichtig ist und auch zu dem, was sie zu geben haben. Sie sind einfach nicht am richtigen Ort, nicht „in ihrem Element“. Dann gilt es herauszufinden, wo, bei welchen Tätigkeiten, unter welchen Menschen, das, was sie mitbringen, am besten zum Tragen käme, wo sie aufblühen und „in ihrem Element“ wären. Hat man dies herausgefunden, gilt es, die konkreten Schritte zu erarbeiten, mit denen man diesem Ideal näherkommen kann.

Was raten Sie Beschäftigten, die mit dem Gedanken spielen, den Beruf zu wechseln?

Nina Kreutzfeldt: Ich rate ihnen, zunächst herauszufinden, ob hinter diesem Gedanken der ehrliche Wunsch steht, nicht nur den Arbeitgeber zu wechseln, sondern beruflich etwas klar Neues zu machen. Ist Letzteres der Fall, dann sollte man diesen Wunsch ernst nehmen, daraus ein persönliches Projekt machen … und diesen Weg hin zu etwas Neuem selbst gestalten. Meine Erfahrung aus knapp zehn Jahren Coaching: Es lohnt sich. Rückblickend sagen viele, dass ihnen schon die Phase der Neuorientierung selbst viel Freude gemacht hat, sie auf dem Weg viel über sich herausgefunden haben – und sie im neuen Job montags nun mit einem ganz anderen Gefühl in die Woche starten.

Frau Kreutzfeldt, vielen Dank für das Gespräch!

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Nina Kreutzfeldt

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