Prof. Dr. Bernd Sandmann: Änderungskündigung

Interview mit Prof. Dr. Bernd Sandmann
Prof. Dr. Bernd Sandmann ist Rechtsanwalt in der Kanzlei HSK Arbeits- und Wirtschaftsrecht in Augsburg. Mit ihm sprechen wir über Änderungskündigung, Direktionsrecht sowie betriebsbedingte Gründe.

Nicht jeder ist mit allen Formen einer Kündigung vertraut. Was versteht man unter einer Änderungskündigung?

Prof. Dr. Bernd Sandmann: Mit einer Änderungskündigung möchte der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Änderung des bestehenden Arbeitsvertrages herbeiführen. Eine solche Änderungskündigung ist immer dann notwendig, wenn die Änderungen für den Arbeitnehmer so schwerwiegend sind, dass sie nicht mehr durch bloße Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungs- bzw. Direktionsrechts herbeigeführt werden können.

Wird z.B. ein Arbeitnehmer in einem Betrieb in Berlin als Facharbeiter beschäftigt und wird dort seine Arbeitskraft nicht mehr benötigt, könnte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Wege des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, soweit im Unternehmen vorhanden, auch eine vergleichbare Arbeitsstelle im Unternehmen in der näheren Umgebung von Berlin zuweisen. Will der Arbeitgeber den gleichen Arbeitnehmer aber von Berlin nach Hamburg versetzen, dann wird dies in aller Regel nur noch durch eine Änderungskündigung und nicht mehr im Wege des Direktionsrechts möglich sein. Wo die genaue Grenze zwischen einer noch zulässigen arbeitgeberseitigen Weisung und einer schon notwendigen Änderungskündigung liegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Geht es um eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort und ist dieser nicht schon vertraglich festgeschrieben, kann man sich als Faustformel 100 bis 150 km als Grenze merken.

Technisch erfolgt eine Änderungskündigung dadurch, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum Arbeitnehmer (in der Regel bei Einhaltung der Kündigungsfrist) kündigt und dem Arbeitnehmer gleichzeitig das Angebot macht, das bisher bestehende Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen (die jeweils genau benannt werden müssen) fortzusetzen. Die geänderten Bedingungen müssen sich nicht zwingend auf den Arbeitsort beschränken. Auch bei einer grundlegenden Änderung am Inhalt der Arbeitsleistung, z.B. wenn der Arbeitnehmer künftig eine Tätigkeit einer geringeren Lohngruppe erbringen soll, oder aber einer Absenkung der (Wochen-)Arbeitszeit des Arbeitnehmers (verbunden mit einem geringeren Verdienst) durchgesetzt werden soll, ist eine Änderungskündigung notwendig.

Können Sie uns Gründe oder Situationen nennen, in denen eine Änderungskündigung häufig zum Einsatz kommt?

Prof. Dr. Bernd Sandmann: Der klassische Fall einer Änderungskündigung betrifft, wie auch die oben genannten Beispiele zeigen, den Fall, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen eine andere Arbeit zuweisen möchte. Betriebsbedingte Gründe sind z.B. eine Betriebsstilllegung an einem bestimmten Standort bzw. eine (künftige) Änderung der dortigen Arbeitssituation, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der bisherigen Form nicht zulässt.

Gelegentlich kann eine Änderungskündigung auch durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers oder aber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Denken Sie z.B. daran, dass ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Der Arbeitgeber kann dann, wenn er den Arbeitnehmer für seinen Betrieb erhalten möchte, und er sich vorstellen kann, dass sich der Arbeitnehmer auf einem anderen, gegebenenfalls geringer bezahlten, Arbeitsplatz einsetzen lässt, eine entsprechende Änderungskündigung aussprechen. Oder aber der Arbeitgeber stellt fest, dass die Arbeitnehmer einer bestimmten Abteilung regelmäßig streiten und dadurch der Betriebsfrieden erheblich belastet wird. Dann kann der Arbeitgeber dem Schuldigen gegebenenfalls nach Ausspruch einer Abmahnung durch Änderungskündigung (soweit eine solche erforderlich ist) einen neuen Arbeitsplatz zuweisen.

Eine Änderungskündigung gemäß § 2KSchG ist also eine “richtige” Kündigung. Wann ist eine Änderungskündigung rechtmäßig und wann unwirksam?

Prof. Dr. Bernd Sandmann: Eine Änderungskündigung unterscheidet sich von einer Beendigungskündigung dadurch, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht einfach kündigt, sondern zusätzlich mit dem Angebot verbindet, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen weiterzuführen. Die Änderungskündigung ist dann rechtmäßig, wenn zur Änderungskündigung keine milderen Mittel bestanden (wie z.B. eine Versetzung im Wege des Direktionsrechts) und der Arbeitgeber sich auf einen ausreichenden betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Grund für die begehrte Änderung der Arbeitsbedingungen stützen kann. Letzteres ist dann der Fall, wenn dem Arbeitgeber, vereinfacht ausgedrückt, ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen aufgrund des bestehenden, nicht anderweitig behebbaren Kündigungsgrunds nicht zuzumuten ist.

Kommt es zu einer Änderungskündigung, hat der Arbeitnehmer wie bei einer konventionellen Kündigung verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Welche Optionen hat der Arbeitnehmer und was haben die einzelnen Reaktionen für Konsequenzen?

Prof. Dr. Bernd Sandmann: Bei einer Beendigungskündigung, oder wie Sie es nennen, konventionellen Kündigung, muss der Arbeitnehmer, wenn er sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen möchte, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Dort muss er beantragen festzustellen, dass die Kündigung unrechtmäßig und deshalb unwirksam ist. Das Gericht trifft, wenn die Parteien sich nicht einigen, eine Alles-oder-Nichts-Entscheidung. D. h. entweder die Kündigung war wirksam und das Arbeitsverhältnis wurde beendet oder aber die Kündigung war unwirksam und das Arbeitsverhältnis besteht fort.

Grundsätzlich kann sich der Arbeitnehmer bei einer Änderungskündigung in gleicher Weise verhalten und bei Gericht die Feststellung begehren, das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet wurde. Dieses Verhalten hat für den Arbeitnehmer aber selbst dann Risiken, wenn er den Prozess gewinnt, da er sich als Zwischenverdienst dasjenige anrechnen lassen muss, was er im Rahmen der geänderten Beschäftigung verdient hätte. Die Annahmeverzugsrisiken des Arbeitgebers, d.h. die Gefahr für die Dauer des Prozesses den (gesamten) Lohn nachzahlen zu müssen, sind also in dieser Variante deutlich geringer als bei einer Beendigungskündigung.

Dies ist aber nicht die einzige Möglichkeit. Bei der Änderungskündigung wird die Palette um einen Zwischenschritt erweitert. Der Arbeitnehmer hat nicht nur die Möglichkeit, sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu wenden und deswegen Kündigungsschutzklage einzureichen, er kann sich auch darauf beschränken, lediglich die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung durch Klage beim Arbeitsgericht infrage zu stellen. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer, solange vom Gericht nicht über die Rechtmäßigkeit der Kündigung entschieden worden ist, nach Ablauf der Kündigungsfrist vorläufig schon zu den geänderten Arbeitsbedingungen weiterarbeiten. Er stellt so sicher, dass das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall weiterbesteht. Stellt dann das Arbeitsgericht zudem noch fest, dass die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt war, bekommt er seinen alten Arbeitsplatz wieder. War die Kündigung dagegen wirksam, muss der Arbeitnehmer zwar die geänderten Arbeitsbedingungen akzeptieren, er verliert aber seine Beschäftigung nicht.

Wie verhält es sich mit dem Kündigungsschutzgesetz bei Änderungskündigungen?

Prof. Dr. Bernd Sandmann: Das Kündigungsschutzgesetz regelt die Voraussetzungen für eine Änderungskündigung ebenso wie die Voraussetzungen für eine Beendigungskündigung. Dem Grunde nach ist eine Änderungskündigung ebenso wie eine Beendigungskündigung nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber sich als Kündigender zur Begründung der Kündigung auf einen betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Grund berufen kann. Allerdings ist der Maßstab unterschiedlich. Bei einer Beendigungskündigung muss der Arbeitgeber sich dafür rechtfertigen, dass er das Arbeitsverhältnis beenden möchte. Bei einer Änderungskündigung muss er sich nur dafür rechtfertigen, dass er einzelne Arbeitsbedingungen ändert. Für eine Änderungskündigung genügt also gegenüber einer Beendigungskündigung eine tendenziell geringere Rechtfertigung, sprich es ist für den Arbeitgeber oftmals leichter, eine Änderungskündigung zu begründen, als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zudem hat der Arbeitgeber oft nicht einmal die Wahl. Hat der Arbeitnehmer nämlich zwar einen betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Kündigungsgrund, wird dieser aber schon durch den Ausspruch einer Änderungskündigung wieder beseitigt, darf der Arbeitgeber ohnehin nur zum milderen Mittel, nämlich der Änderungs- anstatt der Beendigungskündigung greifen.

Die aufgezeigte rechtliche Wertung stimmt oftmals nicht mit der subjektiven Wahrnehmung bzw. dem subjektiven Empfinden der Arbeitnehmer überein. Für einen Arbeitnehmer ist nämlich eine Änderungskündigung oftmals nicht weniger einschneidend und unangenehm, wie eine Beendigungskündigung.

Arbeitnehmer können verschieden mit der Änderungskündigung umgehen. Wann raten Sie Betroffenen dazu, eine Änderungskündigung abzulehnen und wie müssen diese dann dahingehend vorgehen?

Prof. Dr. Bernd Sandmann: Aufgrund der kurzen Klagefrist von drei Wochen, kann sich ein Arbeitnehmer schon de facto nur dann gegen eine Kündigung wehren, wenn er bereit ist, beim Arbeitsgericht gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage einzureichen. Hier unterscheiden sich Beendigungskündigung und Änderungskündigung nicht.

D. h. der Arbeitnehmer muss die grundlegende Entscheidung treffen, ob er bereit ist, gegen seinen Arbeitgeber zu klagen. Ohne diesen Schritt kommt der Arbeitnehmer nie weiter, sodass dem Arbeitnehmer in aller Regel (wenn es sich nicht eindeutig um eine offensichtlich wirksame Kündigung handelt und der Arbeitnehmer die Kosten scheut) geraten werden muss/kann, gegen die Kündigung zu klagen.

Klagt der Arbeitnehmer nicht, dann muss er sich entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll oder ob er das Änderungsangebot vorbehaltlos annimmt. Weitere Optionen hat der Arbeitnehmer dann nicht mehr.

Klagt der Arbeitnehmer, kommt bei der Änderungskündigung dagegen noch die Entscheidung hinzu, ob sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung insgesamt wehren möchte oder ob er sich darauf beschränkt, die soziale Rechtfertigung der Kündigung bei Gericht überprüfen zu lassen. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile, wobei es aber nicht nur auf die abstrakten rechtlichen Unterschiede, sondern auch auf die Prozessrisiken und häufig viel wichtiger noch darauf ankommt, in welcher Situation sich der Arbeitnehmer befindet und was für ihn Ziel der Auseinandersetzung ist. Von daher verbieten sich auf dieser zweiten Stufe pauschale Ratschläge. Ich versuche hier im Rahmen der Beratung des Mandanten vielmehr erst zu eruieren, was für den Mandanten interessant und wichtig ist. Daran orientiert sich dann, unter Beachtung und Beratung über die Vor- und Nachteile sowie Risiken, auch das weitere Vorgehen.

Herr Prof. Dr. Sandmann, vielen Dank für das Gespräch!

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