Prof. Dr. Jürgen Höser: Betriebsbedingte Änderungskündigungen

Interview mit Prof. Dr. Jürgen Höser
Prof. Dr. Jürgen Höser ist Rechtsanwalt in der Kanzlei KUBUS.LEGAL in Frechen. Mit ihm sprechen wir über schriftlichen Arbeitsvertrag, Grenzen des Direktionsrechts sowie Kündigungsschutzgesetz.

Nicht jeder ist mit allen Formen einer Kündigung vertraut. Was versteht man unter einer Änderungskündigung?

Prof. Dr. Jürgen Höser: Der Arbeitsvertrag (jede/r Arbeitnehmer/in hat einen Rechtsanspruch auf einen schriftlichen Arbeitsvertrag nach dem Nachweisgesetz) regelt die Grenzen des Direktionsrechts nach § 106 der Gewerbeordnung. Innerhalb dieses Direktionsrechts bzw. Weisungsrechts können die Arbeitsbedingungen durch Weisung des Arbeitgebers geändert werden. Sollten jedoch diese Grenzen überschritten werden, so kann dies nur durch eine Änderungskündigung erfolgen. Je enger, je konkreter der Arbeitsvertrag die Arbeitsbedingungen regelt, umso mehr schränkt dies den Arbeitgeber auch ein. Dies gilt z.B. für den konkret vereinbarten Arbeitsort oder konkret vereinbarte Arbeitszeiten. Die Änderungskündigung ist gesetzlich geregelt in § 2 des Kündigungsschutzgesetzes. Der Arbeitgeber kündigt das bestehende Arbeitsverhältnis und bietet an, nach Ablauf der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis fortzusetzen zu den neuen, in dem Kündigungsschreiben genannten Arbeitsbedingungen.

Können Sie uns Gründe oder Situationen nennen, in denen eine Änderungskündigung häufig zum Einsatz kommt?

Prof. Dr. Jürgen Höser: Der häufigste Fall einer Änderungskündigung sind betriebsbedingte Änderungskündigungen, z.B. nach innerbetrieblichen Umstrukturierungen mit der Folge der Notwendigkeit neuer Arbeitsbedingungen betr. Arbeitszeit, Arbeitsort oder Art der Beschäftigung.

Eine Änderungskündigung gemäß §2KSchG ist also eine “richtige” Kündigung. Wann ist eine Änderungskündigung rechtmäßig und wann unwirksam?

Prof. Dr. Jürgen Höser: Ein/e Arbeitnehmer/in der eine Änderungskündigung erhält, kann diese unter dem Vorbehalt annehmen, „dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist „. Er/sie muss dann fristgerecht eine Kündigungsschutzklage erheben. Das Arbeitsgericht prüft die Gründe für die Beendigungskündigung und z.B. auch, ob der Arbeitgeber alle sozialen Aspekte, bezogen auf die nun angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen beachtet hat oder eben nicht. So prüft das Gericht auch, ob der Arbeitgeber ein Angebot betreffend der neuen Arbeitsbedingungen so gemacht hat, dass das Angebot klar ist, so klar, dass nur noch mit „ja oder mit „nein“ geantwortet werden müsste. Es gibt vielfältigste Gründe, warum eine Änderungskündigung unwirksam sein kann.

Kommt es zu einer Änderungskündigung, hat der Arbeitnehmer wie bei einer konventionellen Kündigung verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Welche Optionen hat der Arbeitnehmer und was haben die einzelnen Reaktionen für Konsequenzen?

Prof. Dr. Jürgen Höser: Nach Zugang einer Änderungskündigung hat der betroffene /die betroffene Arbeitnehmer/in folgende Möglichkeiten:
a) Das Angebot der geänderten Vertragsbedingungen wird akzeptiert. diese gelten dann nach Ablauf der Kündigungsfrist. 

b) Das Änderungsangebot wird abgelehnt oder der Arbeitnehmer/die ArbeitnehmerIn reagiert gar nicht. Dann wird aus der Änderungskündigung eine Beendigungskündigung.

Nach Ablauf der Kündigungsfrist endet das Arbeitsverhältnis.

c) Der/die Arbeitnehmer/in nimmt das Angebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt an… s. oben zu 3…“    …. „.

und erhebt Klage. Gewinnt er/sie den Prozess, wird das Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen wieder fortgesetzt. Wird der Prozess verloren, verliert der/die Arbeitnehmer/in nicht den Arbeitsplatz, weil dann ja die geänderten Arbeitsbedingungen (im Übrigen schon nach Ablauf der Kündigungsfrist, also unabhängig wie lange der Prozess dauert) akzeptiert wurde. Der Arbeitsplatz bleibt erhalten, wenn auch zu den geänderten Bedingungen.

Wie verhält es sich mit dem Kündigungsschutzgesetz bei Änderungskündigungen?

Prof. Dr. Jürgen Höser: Das Kündigungsschutzgesetz findet auch bei Änderungskündigungen Anwendung. Denn der Arbeitgeber kündigt ja und bietet gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu neuen Bedingungen an.

Diese Kündigung wird nach den Kriterien des Kündigungsschutzgesetzes vom Gericht geprüft; also z. B.  hatte der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund?, ist die soziale Auswahl beachtet, sind die Kündigungsfristen eingehalten etc.

Arbeitnehmer können verschieden mit der Änderungskündigung umgehen. Wann raten Sie Betroffenen dazu, eine Änderungskündigung abzulehnen und wie müssen diese dann dahingehend vorgehen?

Prof. Dr. Jürgen Höser: Auf eine Änderungskündigung sollte immer reagiert werden. Fristgerecht muss der Vorbehalt erklärt und die Klage erhoben werden.

Ein Vorbehalt ist nur dann nicht notwendig (denn bei neuem Vorbehalt muss ja nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den geänderten Bedingungen die Arbeit angeboten werden), wenn es sich sicher um eine verhaltensbedingte und fristgerechte, ordentliche Kündigung handelt und der /die ArbeitnehmerIn nie zuvor abgemahnt wurde. Denn die Rechtsprechung verlangt bei einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich eine vorherige Abmahnung.

Im Übrigen, wenn die neuen Arbeitsbedingungen grundsätzlich auch akzeptabel sind, so hat ein Arbeitnehmer/in nichts zu verlieren, wenn er den Vorbehalt erklärt und Klage erhebt – außer, dass das Arbeitsverhältnis schon belastet, wird aus Sicht des Arbeitgebers. Es ist aber immer besser, sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis anderweitig zu bewerben, als aus der Arbeitslosigkeit. Wenn dann während eines Prozesses ein neuer Arbeitgeber gefunden wurde, bietet dies die Möglichkeit, um eine Abfindung (auf die es grundsätzlich keinen Rechtsanspruch gibt) mit guten Erfolgsaussichten zu verhandeln.

Herr Prof. Dr. Höser, vielen Dank für das Gespräch!

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