Prof. Dr. Uwe Gail: Die Welt verändert sich dynamisch, natürlich auch in der Arbeitswelt

Interview mit Prof. Dr. Uwe Gail
Prof. Dr. Uwe Gail ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Professor an der Hochschule Coburg. Mit ihm sprechen wir über bestehendes Arbeitsverhältnis, Kündigungserklärung sowie Angebot der weiteren Zusammenarbeit.

Nicht jeder ist mit allen Formen einer Kündigung vertraut. Was versteht man unter einer Änderungskündigung?

Prof. Dr. Uwe Gail: Das besondere an der Änderungskündigung ist, dass damit einmal das bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt wird (Kündigungserklärung) und zum anderen ein Angebot für die weitere Zusammenarbeit aber zu geänderten Vertragsbedingungen gemacht wird (Vertragsangebot). Wie jede andere Kündigung auch, handelt es sich auch bei Kündigungserklärung im Rahmen der Änderungskündigung um eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer zur Wirksamkeit zugehen muss. Das Vertragsangebot an den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Vertragsbedingungen fortzusetzen, ist ein Angebot und daher nicht schon durch Übergabe an den Arbeitnehmer wirksam. Der Arbeitnehmer erhält also bei einer Änderungskündigung zum einen die Kündigungserklärung und zum anderen ein Vertragsangebot mit geänderten Vertragsbedingungen für die weitere Zusammenarbeit in der Zukunft.

Können Sie uns Gründe oder Situationen nennen, in denen eine Änderungskündigung häufig zum Einsatz kommt?

Prof. Dr. Uwe Gail: Gerne. Die Welt verändert sich dynamisch, das gilt natürlich auch für die Arbeitswelt. Der Arbeitsvertrag passt sich Änderungen aber nicht automatisch an, sondern grundsätzlich gilt dieser so, wie er einmal abgeschlossen wurde, wenn er nicht im gegenseitigen Einvernehmen geändert wird. Verlagert der Arbeitgeber seine Produktion an einen anderen Standort, möchte er aufgrund Auftragsmangel (oder wegen Coronaauswirkungen) die Arbeitszeit reduzieren, sollen Gehaltsbestandteile entfallen (z.B. ein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) oder Sachleistungen verändert werden (z.B. der Wegfall des Dienstwagens zur privaten Nutzung) so wird der Arbeitnehmer damit häufig nicht einverstanden sein. Scheitern die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und möchte der Arbeitgeber dennoch die Änderung umsetzen, so spricht er eine Änderungskündigung aus. Ich erlebe dies in der Praxis besonders häufig bei Betriebsverlagerung aber auch bei „Versetzungen“ von Arbeitnehmern in andere Unternehmensbereiche mit anderen Aufgaben.

Eine Änderungskündigung gemäß §2KSchG ist also eine „richtige“ Kündigung. Wann ist eine Änderungskündigung rechtmäßig und wann unwirksam?

Prof. Dr. Uwe Gail: Ja genau, es ist eine richtige Kündigung, denn das „alte“ Arbeitsverhältnis wird gekündigt. Damit hängt die Rechtmäßig der Änderungskündigung im Grund an den gleichen Voraussetzungen wie jede andere Kündigung auch, wesentlich ist z.B. dass sie schriftlich zu erfolgen hat sowie die Kündigungsfrist eingehalten und (wenn vorhanden) der Betriebsrat angehört werden muss. Außerdem darf die Änderung nicht sozial ungerechtfertigt sein. Dies bedeutet, dass es einen Kündigungsgrund geben muss, der in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegt, oder wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen.

Kommt es zu einer Änderungskündigung, hat der Arbeitnehmer wie bei einer konventionellen Kündigung verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Welche Optionen hat der Arbeitnehmer und was haben die einzelnen Reaktionen für Konsequenzen?

Prof. Dr. Uwe Gail: Der Arbeitnehmer hat vier Optionen: zum einen kann er die Kündigung „akzeptieren“, also nicht weiter dagegen vorgehen und auch das neue Vertragsangebot des Arbeitgebers nicht annehmen. Die Folge ist, dass er dann mit Ablauf der Kündigungsfrist aus dem Unternehmen ausscheidet, also sein Arbeitsverhältnis endet, und sich einen neuen Arbeitsplatz suchen muss. Ferner kann er gegen die Kündigung vorgehen und das neue Vertragsangebot nicht akzeptieren. Ist die Kündigung wirksam, so scheidet er dann aus dem Unternehmen aus, ist sie unwirksam, darf er zu seinen bisherigen vertraglichen Bedingungen weiter arbeiten. Dies ist also ein alles-oder-nicht Spiel. Dann kann der Arbeitnehmer die Kündigung und das neue Vertragsangebot akzeptieren, womit er dann mit Ablauf der Kündigungsfrist weiter beim Arbeitgeber aber zu den geänderten arbeitsvertraglichen Bedingungen beschäftigt ist. Und schließlich, und das ist die Besonderheit bei der Änderungskündigung, kann er das neue Vertragsangebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Diese in der Praxis häufig genutzte Reaktion führt dazu, dass die Kündigung geprüft wird. Ist sie wirksam, so arbeitet der Arbeitnehmer weiter zu geänderten Bedingungen beim Arbeitgeber, ist sie unwirksam, so kann er zu seinen bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterarbeiten. Er hat daher hier kein Risiko und die Chance, seinen alten Arbeitsvertrag zu erhalten.

Wie verhält es sich mit dem Kündigungsschutzgesetz bei Änderungskündigungen?

Prof. Dr. Uwe Gail: Das Kündigungsschutzgesetz regelt die Änderungskündigung ausdrücklich in § 2. Voraussetzung ist aber, dass das Kündigungsgesetz überhaupt auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Die wesentlichen Voraussetzungen hierfür sind, dass im Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer, ohne Azubis, beschäftigt werden und das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat.

Arbeitnehmer können verschieden mit der Änderungskündigung umgehen. Wann raten Sie Betroffenen dazu, eine Änderungskündigung abzulehnen und wie müssen diese dann dahingehend vorgehen?

Prof. Dr. Uwe Gail: Es ist immer sehr schwer, eine pauschale Empfehlung abzugeben, denn jeder Fall ist anders. Hat man aber schon einen besseren neuen Job in Aussicht, so kann ein Vorgehen gegen die Änderungskündigung zu einer Abfindung führen, die man ja nicht bekommt, wenn man selbst das Arbeitsverhältnis kündigt. Ebenfalls sollte man gegen die Änderungskündigung vorgehen, wenn die neuen Arbeitsbedingungen nicht tragbar sind, z.B. weil ein Umzug mit der Familie an den neuen Firmensitz nicht möglich ist oder weil man mit der herabgesetzten Stundenzahl und dem geringeren Verdienst keine auskömmlichen Einkünfte mehr hat. Ganz wichtig dabei ist, dass man die 3-Woche-Frist einhält, welche ab Zugang der Änderungskündigung zu laufen beginnt. Innerhalb dieser Frist muss man erklären, dass man die Änderung nur unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit der Kündigung annimmt bzw. gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht vorgehen und dort Kündigungsschutzklage erheben. Diese Frist darf auf keinen Fall verstreichen.

Herr Prof. Dr. Gail, vielen Dank für das Gespräch!

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