Auch bei Abmahnung und Kündigung muss man sich an gewisse Regeln halten

Interview mit Pascal Croset
Abmahnungen vom Arbeitgeber sind oft ein heikles Thema und führen unweigerlich zu einem Drahtseilakt zwischen Stillschweigen, Widerspruch, Klage oder sogar Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Welche Rechte und Chancen haben Arbeitnehmer im Falle einer Abmahnung? Ist eine Abmahnung vom Arbeitgeber immer rechtens oder gibt es Handlungsspielraum für den Arbeitnehmer in Bezug auf Widerspruch und Klage? Mit seiner Expertise und seinen Tätigkeitsschwerpunkten wie unter anderem Führung von Beendigungsauseinandersetzungen ist Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Inhaber von Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht, der richtige Ansprechpartner, um diese Fragen zu klären.

Arbeitsrecht ist ein breites Fachgebiet. Welches sind die typischen Betätigungsfelder für Anwälte?

Sie haben vollkommen Recht, dass Arbeitsrecht ist ein breites Fachgebiet. Wir unterscheiden zum einen das kollektive vom individualen Arbeitsrecht. Ersteres regelt die Rechte und Beziehungen zwischen den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie der Betriebs- und Personalräte zu ihren Mitgliedern und den Arbeitgebern. Das individuelle Arbeitsrecht betrifft die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Hier finden sich die meisten Gesetze, die von uns Anwälten und natürlich den Gerichten zu beachten sind, wie z.B. das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), dass Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), das Bundesurlaubsgesetz (BurlG) um nur einige zu nennen. Dann gibt es unzählige Richtlinien aus dem EU-Recht, welche unser innerdeutsches Recht bestimmen. Sogar ganze Gesetze, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) haben ihren Ursprung in Brüssel. Natürlich müssen wir Fachanwälte uns auch in den Grundzügen des Sozialrechts und des Verfahrensrechts auskennen.

Demnach sind auch die Betätigungsfelder für uns Fachanwälte für Arbeitsrecht vielfältig. Unser Tagesgeschäft sind Themen wie Kündigungen von Arbeitsverhältnissen und damit einhergehende Kündigungsschutzklagen, Fragen zu Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen, das rechtliche Vorgehen bei Abmahnungen, die Gestaltung von Arbeitsverträgen, das Aushandeln von Abfindungen bei Kündigungen, Fragen zu Mutterschutz und Elternzeit. Wir beraten und unterstützen aber auch Betriebsräte unter anderem bei der Durchsetzung ihrer Mitbestimmungsrechte.  

Rund um das Thema Kündigungen und Abmahnungen kursiert viel Halbwissen. Welche Mythen begegnen Ihnen im Berufsalltag regelmäßig?

Ein weitverbreiteter Mythos, der sich hartnäckig hält, ist der, dass viele Arbeitnehmer meinen, sie hätten im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung Anspruch auf eine Abfindung. Zwar sieht das Gesetz in einigen wenigen Fällen eine Pflicht zur Zahlung einer Abfindung vor. Diese Fälle beschäftigen uns Anwälte jedoch nur wenig. D.h. grundsätzlich ist die Zahlung einer Abfindung eine freiwillige Sache. Sie macht häufig Sinn, um entweder Streit zwischen den Parteien zu vermeiden oder einen solchen einvernehmlich zu beenden und nicht durch ein Urteil des Arbeitsgerichts entscheiden zu lassen. Vielfach unterstützen die Gerichte die Parteien auch beim Aushandeln einer Abfindungszahlung.

Ein weiterer bemerkenswerter Mythos betrifft die Abmahnung. In vielen Köpfen hält sich die Auffassung, der Arbeitgeber müsse zunächst dreimal den Arbeitnehmer abmahnen, bevor er eine Kündigung aussprechen darf. Ob es an der Besonderheit der Zahl 3 liegt, 3-mal anzählen und erst dann ist Schluss, können wir nur schwer beurteilen. Es kommt jedenfalls entscheidend auf die Schwere des Verstoßes bzw. der Verstöße an. Einem besonders schweren Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, wie z.B. der Unterschlagung von Firmeneigentum, kann mit einer sofortigen, sogar fristlosen Kündigung begegnet werden. Das Thema Abfindung kommt dann überhaupt nicht zum Tragen.

Etwas anderes gilt bei leichteren Pflichtverstößen, wie z.B. Zuspätkommen, nicht Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung etc. Hier muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor abgemahnt haben, bevor er wegen eines erneuten, gleichartigen Pflichtverstoß kündigen darf. Wie oft er im Vorfeld abgemahnt haben muss, ist eine Frage des Einzelfalls.

Abmahnungen sind ein beliebtes Disziplinierungsmittel von Arbeitgebern. Welche Voraussetzungen müssen für eine wirksame Abmahnung erfüllt sein?

In der Tat, die Abmahnung kann ein effektives disziplinarisches Instrument des Arbeitgebers sein. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Arbeitnehmer zunächst schockiert sind, wenn sie von ihrem Arbeitgeber abgemahnt werden. Das umso mehr, wenn das Arbeitsverhältnis zurückliegend ohne Störungen verlaufen ist. Der Schock und die Empörung über die Abmahnung hängen damit zusammen, dass der Arbeitgeber für den Wiederholungsfall mit einer Kündigung gedroht. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses scheint in Gefahr.

Eine wirksame Abmahnung muss 3 Voraussetzungen erfüllen:

a.       Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten eindeutig und unmissverständlich vor Augen führen. Dazu sind höchst präzise Angaben über Zeit, Ort und Art des Fehlverhaltens erforderlich (sog. Rügefunktion der Abmahnung).

b.       Darüber hinaus muss dem Arbeitnehmer aufgezeigt werden, aus welchen Gründen das vorgeworfene Verhalten vertragswidrig gewesen sein soll und welches Alternativverhalten künftig von ihm erwartet wird (sog. Hinweisfunktion).

c.       Schließlich muss eine Abmahnung einen Hinweis auf die Folgen erneuter Pflichtverletzungen enthalten (sog. Warnfunktion). Der Arbeitgeber muss den Mitarbeiter darüber aufklären, dass er bei einem ähnlichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten sogar mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss.

Lohnt es sich als Arbeitnehmer, gegen unberechtigte Abmahnungen vorzugehen?

Ein Vorgehen gegen eine Abmahnung kann lohnend sein, wenn diese formelle oder inhaltliche Fehler aufweist. Formell fehlerhaft ist eine Abmahnung dann, wenn eine oder mehrere der unter Punkt 3. genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Inhaltlich fehlerhaft ist eine Abmahnung dann, wenn der in der Abmahnung beschriebene Sachverhalt nicht korrekt dargestellt ist. Als Anwälte für Arbeitsrecht können wir den Arbeitgeber anschreiben und die Herausnahme der Abmahnung aus der Personalakte fordern. Sollte dies nicht fruchten, so ist kann auch eine Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte bei Gericht eingereicht werden.

Nicht immer ist es jedoch aus Sicht des Mitarbeiters sinnvoll gegen die Abmahnung gerichtlich vorzugehen. So kann dies den Konflikt von Arbeitgeber und Mitarbeiter noch mehr eskalieren. Besteht daher auf Seiten des Mitarbeiters noch Interesse an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses, so ist es sinnvoll der Abfindung nur kurz inhaltlich zu widersprechen und die Aufnahme dieses Widerspruchs in die Personalakte zu fordern.

Möchte der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis jedoch selbst (evtl. unter Zahlung einer Abfindung) beenden, so kann es sinnvoll sein gegen die Abmahnung des Arbeitgebers gerichtlich vorzugehen, und so in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber hinsichtlich einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu gehen.

Die Kündigung des Arbeitsvertrags landet häufig vor Gericht. Wann ist es möglich auf Wiedereinstellung zu klagen?

Eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist häufig unwirksam und kann vor dem Arbeitsgericht angefochten werden. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen und das Gehalt nachzuzahlen. Erfolgreich ist eine sogenannte Kündigungsschutzklage meist dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet und der Arbeitgeber keinen Grund für die Kündigung hat.

Das Kündigungsschutzgesetz findet immer dann Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis schon länger als 6 Monate besteht und der Arbeitgeber mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt.

Gründe für Kündigungen können personenbedingt (sehr häufige und/oder lange Krankheit), verhaltensbedingt (Fehlverhalten des Mitarbeiters) und betriebsbedingt (Schließung) sein. Die Voraussetzungen für solche Kündigungen sind allerdings sehr hoch und oft noch an weiteren Voraussetzungen geknüpft.

Auch Kündigungen im Kleinbetrieb oder Probezeitkündigungen können unter speziellen Umständen unwirksam sein.

In jedem Falle lohnt sich bei Erhalt einer Kündigung immer die Prüfung durch einen fachkundigen Rechtsanwalt.

Üblicherweise endet eine Klage auf Wiedereinstellung mit einer Abfindung. Gibt es eine Faustformel für die Höhe?

Hat auch der Mitarbeiter kein Interesse (mehr) an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses, so einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Bei betriebsbedingten Kündigungen orientieren sich die Arbeitsgerichte häufig an der Formel 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. Dies bedeutet, dass der Mitarbeiter für jedes beim Arbeitgeber verbrachte Jahr ein halbes Bruttomonatsgehalt Abfindung erhält.

Letztendlich kommt es bei der Aushandlung von Abfindungen jedoch auf den Einzelfall an. Wichtige Faktoren sind hierbei, wie hoch die Chancen des Arbeitgebers sind, den Prozess zu gewinnen und wie hoch das Interesse des Arbeitgebers ist, das Arbeitsverhältnis zu beenden. So kann eine Abfindung deutlich höher oder auch unter der Regelabfindung liegen, welche sich an § 1a KSchG orientiert.

In jedem Falle lohnt es sich, die Chancen auf das Erzielen einer (höheren) Abfindung von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen.

Herr Croset, vielen Dank für das Interview.

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