Bußgeldbescheide im Straßenverkehr: Mehr als die Hälfte anfechtbar. – Matthias Fischer (Bertram & Fischer Rechtsanwälte)

Interview mit Matthias Fischer
Rechtsanwalt Matthias Fischer ist Fachanwalt für Verkehrsrecht bei Bertram & Fischer Rechtsanwälte. Im Interview spricht er über Dash-Cam Aufzeichnungen als Beweismittel und welche Hilfestellung bei Bußgeldverfahren möglich ist.

Das Verkehrsrecht als Teil des Verkehrswesens umfasst die Bereiche „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“. Als Anwalt für Verkehrsrecht beschäftigt man sich aber vor allem mit „Verkehrssündern“, oder ist das ein Vorurteil?

Matthias Fischer: In der Tat beschäftigen wir uns vorrangig mit der Bearbeitung von Bußgeldverfahren im Straßenverkehr. Als Fachanwaltskanzlei für Verkehrsrecht haben wir uns bereits frühzeitig auf diese Verfahren spezialisiert, da hier neben der juristischen Kompetenz auch ein umfangreiches technisches Verständnis bezüglich der zur Verkehrsüberwachung eingesetzten Kontroll- und Messgeräte erforderlich ist. Aufgrund unzähliger bearbeiteter Fälle können wir besonders auf diesem Gebiet auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz zurückgreifen und helfen unseren Mandanten im gesamten Bundesgebiet. Für die zügige und unkomplizierte Bearbeitung von verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren haben wir daher unter www.blitzero.de eigens hierfür eine Plattform entwickelt, auf der jeder Betroffene seinen Bußgeldbescheid unkompliziert hochladen kann und anschließend von uns eine kostenfreie Überprüfung erhält. Wir beurteilen dann, ob ein weiteres Vorgehen in der Sache erfolgsversprechend ist oder nicht.

Neben dieser Spezialisierung helfen wir unseren Mandanten aber natürlich auch im von Ihnen angesprochenen Bereich des „Privatrechts“ weiter, so z. B. bei der Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen nach Verkehrsunfällen.

Der Bußgeldkatalog wurde im April dieses Jahres erst verschärft, dann aber wie entschärft. Gab es plötzlich zu viele Vergehen und zu viel bürokratischen Aufwand, oder was war der Grund?

Matthias Fischer: Der Grund für die von Ihnen beschriebene „Entschärfung“ des neuen Bußgeldkataloges liegt in erster Linie an einem einfachen Formfehler in der neuen Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV), welche ja ursprünglich zum 28.04.2020 in Kraft getreten ist und zunächst auch durch die Bußgeldbehörden angewendet wurde. Zusammengefasst hat der Gesetzgeber hier gegen das Zitiergebot aus Artikel 80 des Grundgesetzes verstoßen, wonach sämtliche dem Erlass der Verordnung zugrunde liegenden Ermächtigungsgrundlagen genannt werden müssen.

Natürlich resultierte aus der Verschärfung des Bußgeldkataloges auch eine deutlich höhere Zahl an zu bearbeitenden Bußgeldverfahren, was vor allem daran lag, dass es plötzlich deutlich mehr Fahrverbote gab. So erhielten beispielsweise Betroffene, die nach dem 28.04.2020 das erste Mal mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h auf der Autobahn geblitzt worden sind, sofort ein Fahrverbot. Vorher war dies erst bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h der Fall.

Da wir uns täglich mit den aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich beschäftigen und den eben genannten Formfehler bereits selbst frühzeitig entdeckten, haben wir schon zum damaligen Zeitpunkt jedem Betroffenen empfohlen, in derartigen Fällen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einzulegen. Dies führte im Ergebnis dazu, dass sämtliche Bußgeldbescheide entweder durch die Behörden selbst oder aber durch die zuständigen Amtsgerichte aufgehoben wurden.

Da mangels Alternativlosigkeit aktuell im gesamten Bundesgebiet wieder die Regelungen des alten Bußgeldkataloges Anwendung finden, erwarten wir, dass bereits im kommenden Jahr eine weitere neue Bußgeldkatalog-Verordnung verabschiedet wird, in der man aller Voraussicht nach auf eine vermittelnde Lösung zwischen den Sanktionen aus altem und neuem Bußgeldkatalog setzen wird. Im Sinne der Rechtssicherheit für unsere Verkehrsteilnehmer bleibt dann nur zu hoffen, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.

Ist es erlaubt, dass ich als Unfallverursacher dem Unfallgegner einen Zettel an die Scheibe hänge, wenn dieser nicht auffindbar ist?

Matthias Fischer: Ganz klar nein. Nach einem Unfall, bspw. einem Parkrempler einfach einen Zettel an der Windschutzscheide des beschädigten Fahrzeuges zu hinterlassen reicht nicht aus, um dem Unfallgegner die Feststellung der notwendigen Personalien zu ermöglichen. Zum einen kann ein solcher Zettel jederzeit verloren gehen, zum andern erfüllt dieses Verhalten den Straftatbestand des „Unerlaubten Entfernens vom Unfallort“ nach § 142 Strafgesetzbuch. Richtig verhält man sich, indem man nach einem solchen Ereignis zunächst eine angemessene Zeit am Unfallort wartet. Sollte der Fahrer des beschädigten Fahrzeuges dennoch nicht eintreffen, ist auf jeden Fall unverzüglich die Polizei zu informieren, um zumindest dort den Unfall zu melden und seine Personalien zu hinterlassen.

Kann ich die Aufnahmen meiner „Dash-Cam“ (Cockpit-Kamera) als Beweis anführen, wenn es z. B. um die Schuldfrage bei einem Unfall geht?

Matthias Fischer: Die Verwertbarkeit von sog. „Dash-Cam“-Aufzeichnungen zu Beweiszwecken ist in der Rechtsprechung nach wie vor umstritten. Grundsätzlich gilt es bei solchen Videoaufnahmen im Einzelfall immer eine Abwägung zwischen den Interessen der beteiligten Personen vorzunehmen. Hierbei geht es um das Persönlichkeitsrecht des gefilmten Autofahrers einerseits und das Interesse des Filmers, nach einem Unfall in einem Prozess zu seinem Recht zu kommen, andererseits. Durch den Bundesgerichtshof (BGH) wurde jedoch mittlerweile höchstrichterlich entschieden, dass selbst eine permanente, anlasslose Aufzeichnung einer Dash-Cam im Unfallhaftpflichtprozess verwertbar sein kann. Eine solche Videoaufzeichnung ist also im Zweifel trotz Verstoßes gegen das Datenschutzrecht im Zivilprozess als Beweismittel verwertbar.

Wenn ich keine Rechtsschutz-Versicherung habe, muss ich dann einen Anwalt bezahlen, auch wenn ich Geschädigter bin, oder zahlt das die gegnerische Versicherung?

Matthias Fischer: Wer unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, hat immer einen Anspruch auf Ersatz sämtlicher Kosten und Aufwendungen gegen die Versicherung des Unfallverursachers. Wenn also festgestellt wird, dass der Unfallgegner die volle Schuld am Verkehrsunfall trägt oder dies von vornherein offensichtlich ist, z. B. bei einem Auffahrunfall oder Vorfahrtsverstoß, können und sollten Geschädigte am besten sofort nach dem Unfall einen Fachanwalt für Verkehrsrecht mit der Geltendmachung Ihrer Ansprüche beauftragen.

Zum einen weiß ein spezialisierter Anwalt, welche Schritte zuerst zu veranlassen sind und ist erfahren im Umgang mit den zuständigen Versicherungen. Zum anderen spart sich der Geschädigte Zeit und Nerven, da die Kommunikation mit der Versicherung direkt über den Anwalt läuft. Auch Kosten entstehen hierdurch nicht, da der Anwalt sein Honorar direkt bei der gegnerischen Versicherung geltend macht. Für den Geschädigten hat die Beauftragung eines Rechtsanwalts also nur Vorteile.

Lohnt es sich, ein „Blitzerfoto“ anzuzweifeln und gegen den Bescheid von der Bußgeldstelle vorzugehen?

Matthias Fischer: In der Regel lohnt es sich bei Bußgeldbescheiden, die neben der Geldbuße auch Punkte in Flensburg oder ein Fahrverbot zur Folge haben, diese zumindest einmal durch einen, auf das Gebiet der Verkehrsordnungswidrigkeiten spezialisierten Fachanwalt überprüfen zu lassen.

Aus meinen Erfahrungen einiger Tausend bearbeiteten Bußgeldverfahren kann ich berichten, dass deutlich mehr als die Hälfte aller Bußgeldbescheide im Straßenverkehr anfechtbar sind. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Natürlich kann bereits ein schlechtes „Blitzerfoto“ zur Einstellung des Verfahrens führen. Durch gezielte Überprüfung der Bußgeldakte können zudem immer wieder Verfahrensmängel oder auch Messfehler festgestellt werden. Aufgrund der Komplexität der heute eingesetzten Messverfahren und der zahlreichen Bedienvorschriften, gibt es ein nicht zu unterschätzendes Fehlerpotential. Oft ist nicht die Technik die Schwachstelle, sondern der Mensch, der sie bedient.

Unsere Aufgabe ist es natürlich genau diese Fehler, die ohne Beauftragung eines Anwaltes in der Regel unentdeckt bleiben, ausfindig zu machen. Da wir sämtliche der aktuell verwendeten Messverfahren kennen und wissen, wo die Schwachstellen und Angriffspunkte üblicherweise liegen, haben wir als Fachanwaltskanzlei für Verkehrsrecht unter www.blitzero.de ein Bußgeldportal geschaffen, auf dem jeder Betroffene seinen Bußgeldbescheid einfach und schnell hochladen kann und von uns meist innerhalb kürzester Zeit eine kostenfreie Einschätzung erhält, ob ein weiteres anwaltliches Vorgehen Erfolg verspricht oder nicht.

Sofern eine Verkehrsrechtsschutzversicherung besteht, übernimmt diese dann unabhängig vom Ausgang der Sache die Kosten des weiteren Verfahrens.

Wenn ich acht Punkte in Flensburg angesammelt habe, verliere ich dann sofort meine Fahrerlaubnis? Für wie lange, und wie kann ich diese zurückbekommen?

Matthias Fischer: Beim Erreichen von 8 Punkten im sog. „Fahreignungsregister“ in Flensburg wird die Fahrerlaubnis zwingend entzogen. Dies sollte jeder Autofahrer und jede Autofahrerin natürlich vorrangig mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (siehe oben) tunlichst vermeiden. Sollte es dennoch zum Fahrerlaubnisentzug kommen, so gilt eine gesetzliche Sperrfrist von 6 Monaten, bis die zuständige Fahrerlaubnisbehörde dem oder der Betroffenen eine neue Fahrerlaubnis ausstellen darf. Diese muss zudem neu beantragt werden, man erhält also nicht etwa wie beim „Fahrverbot“ nach Ablauf dieser Zeitdauer seinen Führerschein automatisch zurück.

Die Neuerteilung der Fahrerlaubnis steht zudem im Ermessen der zuständigen Behörde und kann von verschiedenen weiteren Voraussetzungen, wie etwa der Beibringung einer positiven „Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung“ (MPU) abhängig gemacht werden.

Herr Fischer, vielen Dank für das Gespräch.

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