Christopher Sixtus: Anpassung des Mietvertrags: erleichtert aber nicht automatisch

Interview mit Christopher Sixtus
Christopher Sixtus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Kanzlei SIXTUS & PARTNER Rechtsanwälte PartG mbB. Im Interview sprechen wir mit ihm über coronabedingte Mietanpassungen, Verhandlungsbereitschaft von Vermietern sowie eine drohende Insolvenzwelle.

Am 1.1.2021 ist der §313 BGB verabschiedet worden, Mietanpassung von Gewerberaummieten für solche Mieträume geregelt wird, die infolge behördlicher Anordnung nicht genutzt werden konnten. Was verändert sich im Vergleich zur bisherigen Gesetzgebung?

Christopher Sixtus: § 313 BGB gibt es bereits seit dem Jahr 2002. Neu ist Art 240 § 7 EGBGB, der nunmehr die gesetzliche Vermutung einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB vorsieht, wenn die Gebrauchstauglichkeit von Gewerbeflächen durch staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandmie jedenfalls erheblich beeinträchtigt wird.

Hintergrund dieser „Gesetzesänderung“ ist die bereits während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 eingetretene rechtliche Unsicherheit, welche Auswirkungen angeordnete Ladenschließungen auf bestehende Mietverhältnisse haben. Vermieter machten meist geltend, dass die Nutzungsmöglichkeit der Mietfläche allein in die Risikosphäre des Mieters falle. Mieter hingegen machten unterschiedliche Rechtsinstitute wie Unmöglichkeit, Minderung oder aber auch die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB geltend, um Mietsenkungen durchzusetzen.

Wie haben die Gerichte bis dato entschieden, wenn es um Corona-bedingte Mietanpassungen oder Mietkürzungen ging?

Christopher Sixtus: Die unterinstanzliche Rechtsprechung der Gerichte zu diesem Thema ist leider uneinheitlich. Zwischenzeitlich gibt es erste obergerichtliche Entscheidungen – leider gleichermaßen divergierend. So entschied das Oberlandesgericht Dresden mit Urteil vom 24.02.2021 zugunsten einer Mieterin, die aufgrund einer behördlichen Verfügung ihr Textilgeschäft schließen musste. Hier läge ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB vor, die von keiner der Parteien vorherzusehen war. Entsprechend sei die Miete für die Dauer der angeordneten Schließung um 50% zu reduzieren. Anderer Ansicht ist indes das OLG Karlsruhe mit Urteil ebenfalls vom 24.02.2021, nach dessen Feststellungen sich Mieter nur dann auf eine Störung der Geschäftsgrundlage im Einzelfall berufen können, wenn die vollständige Zahlung der Miete für sie existenzbedrohend oder aber das wirtschaftliche Fortkommen des Mieters zumindest schwerwiegend beeinträchtigt ist. Die Revision wurde zugelassen, so dass auf eine Klärung durch den BGH gehofft werden kann.

Welche Folgen hat das neue Gesetz für Vermieter und welche für Mieter?

Christopher Sixtus: Zugunsten des Mieters besteht nun eine Vermutung, dass eine staatliche Maßnahme infolge der Beklämpfung der COVID-19-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage begründet. Diese Vermutung führt aber nicht automatisch zu einem Anspruch auf Vertragsanpassung. Die Vermutung kann vielmehr auch widerlegt werden. Zudem bleiben die weiteren Anforderungen des § 313 BGB unverändert bestehen. Ein Anspruch auf Vertragsanpassung besteht also nur dann, wenn der Mieter darlegen und beweisen kann, dass ihm ein Festhalten nicht zumutbar ist. Gleichwohl sollte es durch die Gesetzesänderung den Mietern aber leichter fallen, mit dem Vermietern über eine individuelle Mietabsenkung ins Gespräch zu kommen.

Viele Vermieter haben sich wenig kulant im Umgang mit Gewerbemietern gezeigt. Ein prominentes Beispiel war der Karstadt-Eigner Rene Benko. Wird die Verhandlungsbereitschaft von Vermietern durch die neue Gesetzgebung tendenziell steigen?

Christopher Sixtus: Unsere Erfahrung ist eigentlich, dass viele der durch uns vertretenen Vermieter sich bereits im Jahr 2020 relativ kulant gegenüber ihren Mietern und deren wirtschaftlichen Sorgen zeigten. Aber, wie schon gesagt, die Gesetzesänderung dürfte sicherlich die Verhandlungsbereitschaft noch (weiter) steigern. Aus mietrechtlicher Sicht ist in diesem Zusammenhang aber ganz dringend vor bloß formlosen Abreden zu warnen, denn solche können die Wirksamkeit einer vereinbarten langfristigen Vertragsdauer zerstören (§ 550 BGB).

Es gibt Sorgen, dass Deutschland eine Insolvenzwelle in Folge der Corona-Krise droht. Wie berechtigt sind diese Ängste?

Christopher Sixtus: Diese Sorge scheint leider berechtigt. Uns beschäftigen bereits vermehrt Fälle von Mieter-Insolvenzen in Premium-Lagen. Zwar gibt es derzeit wohl noch keinen Anstieg der gemeldeten Insolvenzen in Deutschland. Dies dürfte aber maßgeblich darauf zurückzuführen sein, dass die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wiederholt und nunmehr bis Ende April 2021 ausgesetzt wurde.

Die Verödung der Innenstädte droht durch die Insolvenz vieler großer Filialketten an Fahrt zu gewinnen. Gibt es bereits einen erhöhten Beratungsbedarf bezüglich Anpassungen von Gewerbemietverträgen oder vorzeitigen Vertragsauflösungen?

Christopher Sixtus: Wir können durchaus bereits einen erhöhten Beratungsbedarf feststellen. In den meisten Fällen geht es jedoch (noch) nicht um Vertragsaufhebungen, sondern vielmehr um Möglichkeiten zur Überbrückung, wie zum Beispiel Stundungsvereinbarungen.

Herr Sixtus, vielen Dank für das Gespräch!

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