Diana Timpe: Wertsteigerung wird in Ausgleichsbilanz des Zugewinnausgleichs eingestellt

Interview mit Diana Timpe
Diana Timpe ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei in Cottbus. Mit ihr sprechen wir über jährliche Scheidungen, Versorgungsausgleich sowie gemeinsame Immobilien.

In Deutschland lassen sich rund 150.000 Paare jährlich scheiden. Geschiedene Ex-Partner müssen ihre Rentenanwartschaften in Form von einem Versorgungsausgleich aufteilen. Welche Versorgungen werden ausgeglichen und welche nicht?

Diana Timpe: Beate und Paul haben sich auseinandergelebt. Sie sind seit 30 Jahren verheiratet, die Kinder sind lange aus dem Haus und Paul wird demnächst aus dem ehegemeinsamen Haus ausziehen. Beate hat immer weniger gearbeitet als Paul. Überdies war Paul während der Ehe der Besserverdiener, er war verbeamteter Lehrer. Beide wollen die Scheidung und fragen, wie es sich mit dem Ausgleich ihrer Rentenversorgungen verhält:

Im Rahmen einer Ehescheidung wird zunächst grundsätzlich von Amts wegen, d.h. durch das Familiengericht – ohne einen gesonderten Antrag der beteiligten Ehegatten -, der Versorgungsausgleich durchgeführt. Die Ehe muss länger als drei Jahre bestanden haben. Bei kürzerer Ehedauer findet ein Verfahren über den Versorgungsausgleich nur auf Antrag eines Ehegatten statt. Rechtsgrundlage ist seit dem 01.09.2009 das Versorgungsausgleichsgesetz. Hier ist in § 2 geregelt, welche Versorgungen im Rahmen des Halbteilungsgrundsatzes, d.h. jeder Ehegatte mit gleich hohen Versorgungen aus der Ehe gehen soll, ausgeglichen werden. Es gehören hierzu Versorgungen bei der gesetzlichen Rentenversicherung – der Deutsche Rentenversicherung und der Bundesknappschaft – sowie betriebliche Altersversorgungen, d.h.  Pensionszusagen, Direktversicherungen, Unterstützungskassen oder Direktzusagen. Private Versicherungen, wie die Riesterrente, reine Rentenversicherungen oder Lebensversicherungen mit Rentenwahlrecht unterliegen ebenfalls einem Ausgleich. Beamte sind über besondere Versorgungsverbände, Anwälte und Ärzte über Versorgungswerke versichert. 

Pauls Beamtenversorgung trifft für den Fall der Scheidung auf Beates Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung. Beim Versorgungsausleich werden grundsätzlich die jeweiligen Anwartschaften der Ehegatten geteilt. Beamtenversorgung und gesetzliche Anwartschaften in der Rentenversicherung bei Angestellten werden jedoch nicht miteinander verrechnet. Vielmehr werden bei der Scheidung für den jeweils anderen Ehegatten aufgrund der Teilung gesonderte Anwartschaftskonten begründet.

Diese Anpassungsfälle betreffen ausschließlich Anrechte der sogenannten Regelsicherungssysteme. Dazu gehören:

  • die gesetzliche Rentenversicherung,
  • die Beamtenversorgung,
  • die berufsständische Versorgung (zum Beispiel Ärzteversorgung),
  • die Alterssicherung der Landwirte sowie
  • die Versorgung der Abgeordneten und Regierungsmitglieder.

Bei privaten Rentenversorgungen findet ein Ausgleich nur dann statt, wenn die nach der jeweiligen Versorgungsordnung gebildete Anwartschaft unverfallbar und der auszugleichende Wert nicht lediglich geringfügig ist. Die Definition der Geringfügigkeit ergibt sich aus § 18 Versorgungsausgleichsgesetz in Verbindung mit dem Sozialgesetzbuch vier. Er beträgt derzeit ca. 3.600,00 € und wird jährlich neu festgesetzt.

Paul überlegt, ob er Beate um einen Ausschluss des Versorgungsausgleichsverfahrens bitten soll. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs kann durch einen notariellen Vertrag ausgeschlossen werden. Möglich ist auch die Erklärung der anwaltlichen Vertreter der Ehegatten in der mündlichen Verhandlung über die Ehescheidung, den Versorgungsausgleich auszuschließen. Das Gericht protokolliert diesen gegenseitigen Verzicht. Bei der Ehescheidung mit nur einem anwaltlichen Vertreter ist dies hingegen nicht möglich. Ein nicht anwaltlich vertretener Ehegatte kann keine rechtsgültigen eigenen Anträge bei Gericht stellen. 

Selbst wenn sich also Beate entschließen sollte, auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs durch notarielle Erklärung zu verzichten, weil ihr Paul das Haus zu Alleineigentum überlässt, hat das Gericht ein eigenes Prüfungsrecht über diesen Ausschluss. Es prüft, ob die Übervorteilung eines Ehegatten, z.B. durch den Verzicht auf hohe Anwartschaften ohne anderweitigen finanziellen Ausgleich, dazu führen kann, dass der Versorgungsausgleich trotzdem durchgeführt wird.

Da Paul bereit ist, seine Haushälfte auf Beate zu übertragen und keine Kredite mehr bestehen, dürfte dies im konkreten Fall daher unproblematisch sein. Abzustellen ist jedoch immer auf den Einzelfall.

Im Gesetz §2VersAusglG wird erfasst, welche Anrechte dem Versorgungsausgleich unterliegen. Was passiert mit der gemeinsamen Immobilie im Scheidungsprozess?

Diana Timpe: Vom Versorgungsausgleich zu unterscheiden ist grundsätzlich der Zugewinnausgleich, die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten. Hier werden die Vermögensmassen der Ehegatten bilanziert und streng stichtagsbezogen ermittelt. Entscheidend ist, was ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Heirat, der Trennung in scheidungsrelevanter Weise und dem Tag der Zustellung des Scheidungsantrages bei dem jeweils anderen Ehegatten an Vermögen hat. Berücksichtigung finden in dieser Bilanz z.B. auch Erbschaften, Schenkungen der eigenen Eltern im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge oder größere Schenkungen unter den Ehegatten. Beate und Paul gehört eine Immobilie. Sie sind im Grundbuch als Miteigentümer eingetragen.  Sie sind sich einig, dass Beate das Haus mit Grundstück zu Alleineigentum erhalten soll.  Die beiden haben bereits alle Schulden abbezahlt. Sie einigen sich durch einen Verzicht der Beate auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, da der hälftige Hauswert in etwa dem Kapitalwert von Pauls Beamtenversorgung entspricht. 

Denkbar ist auch der Verkauf einer Immobilie an einen neuen Eigentümer unter Verrechnung offenen Kredites – soweit noch bestehend – und einer Erlösteilung unter den Ehegatten. Oft erhält ein Ehegatte von seinen Eltern ein Grundstück geschenkt und die Eheleute errichten im Laufe der Ehe hierauf ein Einfamilienhaus. Bleibt es beim Alleineigentum des beschenkten Ehegatten und es kommt zur Scheidung, hat die Immobilie durch die Errichtung eines Hauses eine Wertsteigerung erfahren. Diese Wertsteigerung – die im Zweifel durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden muss – wird in die Ausgleichsbilanz des Zugewinnausgleichs eingestellt und so erhält auch der andere Ehegatte einen Wertausgleich.

Einigen sich die Ehegatten bei gemeinsamem Eigentum im Rahmen der Scheidung nicht, bleibt zur Auseinandersetzung dieser Eigentümergemeinschaft nur der Antrag auf Zwangsversteigerung. Das denkbar schlechteste Mittel, sich auseinanderzusetzen. Oft kann hierdurch noch nicht einmal eine möglicherweise noch offener Kredit getilgt werden.

Für viele Ex-Partner ist unklar, auf welche Zeit sich der Ausgleich der Anwartschaften erstreckt. Erstreckt sich ein Ausgleich nur auf die Anwartschaften, die die Ehepartner während der Ehe erworben haben?

Diana Timpe: Die Ehedauer wird bestimmt durch zwei feste Daten – die Heirat und die Zustellung des Scheidungsantrages beim anderen Ehegatten. Die Versorgungsträger rechnen in ganzen Monaten, so dass das Versorgungsausgleichsgesetz für den Beginn der zu berücksichtigenden Zeiten den Monatsersten der Heirat und den Monatsletzten des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrages vorsieht.

Der Ausgleich der Rentenanwartschaften erstreckt sich nur auf diesen festgelegten Zeitraum der Ehedauer.

Für Beamte gilt die Sondervorschrift des § 44 Versorgungsausgleichsgesetz. Hiernach sind für Anrechte aus einem Beamtenverhältnis oder einem anderen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis die Grundsätze der zeitratierlichen Bewertung anzuwenden. Näheres regelt § 40 Versorgungsausgleichsgesetz.

§27VersAusglG regelt seit November 2016 Ausnahmen beim Ausgleich. In welchen Szenarien teilt das Familiengericht die Rentenansprüche nicht?

Diana Timpe: Den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit nicht durchzuführen, kommt nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht. Grobe Unbilligkeit ist gegeben, wenn die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs aus besonderen Gründen dem gesetzlichen Grundgedanken einer eigenständigen Altersversorgung widerspricht und zu einem unhaltbaren Ergebnis führt. Hierzu kann eine lange Trennungszeit zählen, d.h. die Ehegatten wissen um das Scheitern ihrer Ehe, gehen getrennte Wege, bleiben aber verheiratet. Erst nach einigen Jahren entschließt sich einer der Ehegatten, die Scheidung auf den Weg zu bringen. Hier gab es also lange keine wirtschaftliche Gemeinschaft und die eheliche Solidarität spielte keine Rolle mehr.  Auch Gewalt in der Ehe ist ein Grund. Wenn also der missbrauchte Partner nun auch noch ein mehr an Versorgungsanwartschaften zu übertragen hätte.  Der Versorgungsausgleich kann auch ausgeschlossen werden, wenn der Ausgleichsberechtigte in unvernünftiger Weise die Versorgungsausgleichsbilanz durch Schmälerung eigener Versorgungen oder Versorgungsansprüche einseitig verändert hat. Er z.B. „hinter dem Rücken“ des anderen seine privaten Vorsorgen gekündigt und das Geld verbraucht, obwohl er weiß, dass das seine Altersvorsorge darstellte.

Der Versorgungsausgleich kann auch ausgeschlossen sein, wenn der Ausgleichsberechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat, d.h. sich dem Alkoholkonsum hingegeben und trotz anderer Absprache sich weder an der Kindererziehung beteiligt hat noch arbeiten gegangen ist.

Im Einzelfall ist eine Gesamtabwägung erforderlich, bei der auch Alter, Gesundheit und Erwerbsfähigkeit der Ehegatten sowie die Möglichkeit, die eigene Altersversorgung mittels künftiger Erwerbstätigkeit zu verbessern, zu berücksichtigen sind. Eine schematische Lösung gibt es nicht.

Frau Timpe, vielen Dank für das Gespräch!

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