Die Welt der Patente

Interview mit Karin Berger
Etwas Neues, noch nie zuvor dagewesenes zu schaffen, ist nie besonders leicht gewesen. Gerade in der heutigen hochentwickelten Welt sind Neuerfindungen von Verfahren oder Gegenständen besonders schwierig. Verständlich ist es dann auch, dass jeder Erfinder eventuelle Vorteile, die aus seiner Erfindung resultieren, für sich beanspruchen möchte oder zumindest so lang, bis er sich dazu entschließt, seine Erfindung mit der Öffentlichkeit zu teilen. Diese Ansprüche stellen Patente sicher. Diese werden von Patentämtern bearbeitet bzw. ausgestellt. In einer komplexen und globalisierten Welt zählt dabei oft nicht nur der deutschlandweite Schutz vor Patentverletzungen, sondern entschließen sich auch vor allem immer mehr Unternehmen dazu, ihre Patente in der gesamten EU anzumelden. Wie genau das funktioniert, welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Patentanmeldung zu beachten sind und was passiert, wenn jemand ein bestehendes Patent verletzt, beschreibt uns Karin Berger. Als Patentanwältin bei der Patentanwaltskanzlei RGTH Richter Gerbaulet Thielemann Hofmann Patentanwälte PartGmbB in Hamburg besitzt sie sowohl die langjährige Erfahrung bei Anmelde-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahren, als auch die Fachkompetenz im Bereich der sog. Nichtigkeitsklagen und Verletzungsverfahren, um uns einen umfassenden Einblick in die Welt der Patente zu bieten.

Ein amerikanisches Unternehmen hat ein günstiges und umweltschonendes Verfahren entwickelt, welches den Verfall von Obst und Gemüse im Handel maßgeblich verringern soll, und sich somit einen immensen Wettbewerbsvorteil verschafft. Wie können Sie sicherstellen, dass Ihre Patentanmeldung in Deutschland bestmöglich geschützt ist?

Um überhaupt einen Schutz zu ermöglichen, darf keine Veröffentlichung der Erfindung vor der Einreichung der Anmeldung erfolgen. Dies steht der Erteilung einer Patentanmeldung grundsätzlich entgegen. 

Ferner würde man die Erfindung hier möglichst breit schützen. Es gibt verschiedene Kategorien von Patentansprüchen, nämlich den Verfahrensanspruch, der – wie der Name verrät – ein Verfahren schützt, und den Vorrichtungsanspruch, der eine Vorrichtung schützt.  Auch wenn der Fokus in diesem Fall augenscheinlich auf dem Verfahren beruht, sollte auch die Vorrichtung, die das Verfahren durchführt, vom Schutz umfasst sein, da sich Verfahrensansprüche und Vorrichtungsansprüche in einem möglichen Verletzungsverfahren unterschiedlich durchsetzen lassen. Bspw. kann der Nachweis der Verletzung eines Verfahrensanspruchs teilweise schwieriger oder umständlicher sein als der Nachweis der Verletzung eines Vorrichtungsanspruchs.

Studien zufolge wird der Börsengang von Unternehmen mit angemeldeten Patenten positiv beeinflusst. Dementsprechend kann es für viele börsennotierte Unternehmen und deren Aktionäre von großer Bedeutung sein, dass angemeldete Patente fristgerecht angemeldet sind. Was sind die Fristen für die Anmeldung von Patenten in Deutschland und wie können Sie sicherstellen, dass diese eingehalten werden?

Im Patentrecht gibt es per se keine Frist zur ersten Einreichung einer Patentanmeldung. Wichtig ist, dass keine Vorveröffentlichung erfolgt ist, da dann eine Patentanmeldung nicht mehr neu ist und somit nicht zum Patent erteilt werden kann (siehe nächste Frage). 

Sobald jedoch eine erste Patentanmeldung eingereicht wurde, beispielsweise in Deutschland, läuft eine einjährige Frist, die sogenannte Prioritätsfrist, die sehr wichtig ist. Innerhalb der Prioritätsfrist wird der Schutz typischerweise territorial ausgeweitet. Konkret können in weiteren Ländern bzw. Regionen sogenannte Nachanmeldungen erfolgen. Damit die Nachanmeldungen auch den Zeitstempel der ersten Anmeldung genießen können, müssen diese innerhalb des Prioritätsjahres angemeldet werden. Die Nachanmeldungen erben sozusagen den Anmeldetag der ersten Anmeldung, obwohl diese erst maximal ein Jahr später eingereicht wurden. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Anmelder bereits nach dem Anmeldetag der ersten Anmeldung die Erfindung, bspw. durch Verkauf,  veröffentlichen, ohne dadurch die Chancen der Erteilung der Nachanmeldung zunichte zu machen. 

Innerhalb des Prioritätsjahres erhält der Anmelder typischerweise bereits erste Recherche- bzw. Prüfungsergebnisse des Amtes, bei dem die erste Anmeldung eingereicht wurde, sodass die Entscheidung, die der Entscheidung, ob der Schutz territorial ausgeweitet werden soll, zugrunde gelegt werden können.

Firmenintern muss ein funktionierendes Meldesystem für Erfindungen und eine funktionierende Patentabteilung etabliert sein.

Was sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Patenterteilung?

Die Voraussetzungen, dass ein Patent erteilt wird, sind: 

– Neuheit: 

Der Gegenstand muss gegenüber jeglichen Veröffentlichungen, bspw. im Rahmen von Aufsätzen, Internetinhalten, Büchern etc. neu sein. Dabei betrachtet man die Vorveröffentlichungen einzeln. Dies bedeutet, dass ein Gegenstand neu ist, wenn er nicht in einer einzigen Veröffentlichung gezeigt wurde. Zwei Veröffentlichungen miteinander zu kombinieren ist im Rahmen der Neuheitsprüfung nicht erlaubt.

Und zwar beispielsweise in einem einzigen Dokument. 

– Erfinderische Tätigkeit: 

Eine weitere Voraussetzung ist die erfinderische Tätigkeit. Bei der erfinderischen Tätigkeit handelt es sich sozusagen um die Qualität der Erfindung. Es wird ein fiktiver Fachmann zugrunde gelegt, um die erfinderische Tätigkeit objektiver einschätzen zu können. Die Erfindung darf sich für den fiktiven Fachmann nicht naheliegend aus der Veröffentlichung, dem sogenannten Stand der Technik, ergeben. Hierbei können Veröffentlichungen miteinander kombiniert werden. Der Stand der Technik darf die Erfindung auch nicht angeregt haben.

– Gewerbliche Anwendbarkeit: 

Die Erfindung muss grundsätzlich auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden können. Dieses Kriterium ist typischerweise stets erfüllt.

Was sind die wichtigsten Aspekte des Verfahrens zur Anmeldung von Patenten in Deutschland?

Ein äußerst relevanter Aspekt ist eine gute Kommunikation mit dem Erfinder. Der Patentanwalt muss möglichst umfassende Informationen der Erfindung erhalten, um diese bestmöglich zu schützen. 

Diese Informationen dienen, dazu die Erfindung auf der einen Seite möglichst breit zu schützen. Dafür ist es wichtig, sowohl mögliche gleichwertige Umgehungsmöglichkeiten, die Wettbewerber einsetzen könnten, zu kennen, als auch alternative Gestaltungen der Erfindung, die gegebenenfalls weniger vorteilhaft sind, jedoch die gleiche Zielsetzung erreichen. Auf der anderen Seite muss die Erfindung zu einem hohen Detailgrad erklärt werden. Hier steht die konkrete Umsetzung der Erfindung im Fokus.

Patentverletzungen können den Patentinhabern unter anderem erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Wie geht man mit Patentverletzungen in Deutschland um?

Gerichtliche Auseinandersetzungen über Patentverletzungen in Deutschland finden vor speziell eingerichteten Patentstreitkammern bestimmter Landgerichte statt. Auf eine Patentverletzungklage folgt als Reaktion des angeblichen Patentverletzers meist eine Nichtigkeitsklage. In anderen Worten versucht der Patentverletzer, das Patent zu zerstören, damit sich die Patentverletzung dadurch erledigt, da – wenn es kein Patent mehr gibt –  auch eine Patentverletzung ausgeschlossen ist. Der typische Grund, weswegen ein Patent als nichtig erklärt wird, ist, dass dem Gericht Stand-der-Technik- Dokumente vorgelegt werden, die beweisen, dass die Erfindung zu dem Zeitpunkt, zu dem es angemeldet wurde, doch nicht neu oder erfinderisch war. 

Eine solche Nichtigkeitsklage findet dann vor dem Bundespatentgericht statt, und zwar typischerweise parallel zu der  Patentverletzungsklage vor dem Landgericht. Dies ist eine Besonderheit des deutschen Verfahrens, da im Ausland solche Prozesse meistens parallel vor dem gleichen Gericht geführt werden können. In Deutschland kann es natürlich zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, wobei dann in der letzten Instanz – das heißt in der dritten Instanz im Rahmen der Patentverletzung und in der zweiten Instanz im Rahmen der Nichtigkeit – die Verfahren vor dem Bundesgerichtshof verhandelt  werden, sodass eine einheitliche Rechtsprechung gesichert ist.

Wie können Sie sich gegen eine ungerechtfertigte Patentverletzung verteidigen?

Gegen den Vorwurf einer ungerechtfertigten Patentverletzung kann sich ein Mandant wie folgt wehren: 

– Feststellungsklage:

Wenn der Mandant feststellt, dass er keine Patentverletzung begeht, teilt er dies begründet dem Patentinhaber, der ihm den Vorwurf der Patentverletzung macht, mit. Wenn dieser das nicht akzeptiert, kann bei dem zuständigen Landgericht eine Klage eingereicht werden mit dem Ziel, dass festgestellt wird, dass keine Patentverletzung gegeben ist.

– Nichtigkeitsklage:

Wenn der Mandant der Auffassung ist, dass das von ihm verletzte Patent nicht rechtsbeständig ist, weil der Gegenstand nicht neu oder nicht erfinderisch ist, kann eine Nichtigkeitsklage eingereicht werden (siehe vorherige Antwort).

Was sind die Auswirkungen der neuesten Entwicklungen im Patentrecht auf die Patentanmeldungen und -verletzungen?

Eine wichtige neue Entwicklung im Patentrecht ist, dass das europäische Einheitspatent und ein neues Gericht, das einheitliche Patentgericht, eingeführt wird. Es gibt bereits ein europäisches Patent, das nach Erteilung in einzelnen nationale Patente zerfällt, die dann unabhängig voneinander bestehen. In anderen Worten betrifft das Schicksal eines spanischen Patentes das Schicksal der französischen Patentes nicht. Bei dem neuen Einheitspatent wird es möglich sein einen großen Teil der Europäischen Union mit einheitlicher Wirkung und Gültigkeit zu schützen, sodass keine Unabhängigkeit mehr besteht. Für die neuen Einheitspatente wird ab 1. Juni 2023 ein eigenes neues Gericht, das einheitliche Patentgericht, zuständig sein. 

Die Neuerungen betreffen zwar deutsche Patentanmeldungen nicht direkt, sondern stellen in erster Linie neben dem bereits bestehenden europäischen Patent eine weitere alternative Schutzmöglichkeit dar. Da jedoch viele deutsche Firmen auch europäische Patentanmeldungen einreichen, werden sie sich strategisch mit den Vorteilen und Nachteilen des neuen europäischen Patentes mit einheitlicher Wirkung und der neuen Gerichtsbarkeit auseinandersetzen müssen.

Frau Berger, vielen Dank für das Interview.

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