Dr. Carsten Christmann: Gründe für Enterbung sind mannigfaltig

Interview mit Dr. Carsten Christmann
Dr. Carsten Christmann ist Geschäftsführender Partner von BWS legal Dr. Backes + Partner Rechtsanwälte mbB. Mit ihm sprechen wir über Berliner Testament, Alleinerben sowie Unterschied zwischen Enterbung und Verzicht.

Enterbungen kommen immer wieder in den besten Familien vor. Was sind Gründe aus denen Erblasser die Nachfahren enterben möchten?

Dr. Carsten Christmann: Die Gründe für eine Enterbung sind mannigfaltig. Der häufigste Fall der Enterbung ist das weit verbreitete „Berliner Testament“. In diesem Berliner Testament setzen die Eheleute sich gegenseitig, der Erstversterbende den Längstlebenden, zum Alleinerben ein. Erben des Längstlebenden sollen die gemeinsamen Kinder werden. In diesem Fall sind die Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils enterbt. Grund für diese Art der Enterbung ist sicherlich das Bedürfnis des erstversterbenden Ehegatten, die finanzielle Versorgung des überlebenden Ehegatten durch den Nachlass zu gewährleisten. Grund für eine Enterbung können aber auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Erblasser und Abkömmlingen sein ebenso wie die Auffassung des Erblassers, die Abkömmlinge hätten nicht die Befähigung, ein in seinem Nachlass befindliches Unternehmen weiterzuführen.

Eine rechtmäßige Enterbung muss mehrere Ansprüche erfüllen. Welche Anforderung stellt der Gesetzgeber hieran?

Dr. Carsten Christmann: Der Gesetzgeber stellt keine ausdrücklichen Anforderungen an eine Enterbung. Für eine Enterbung reicht es bereits aus, wenn der Erblasser in seinem Testament seine Abkömmlinge nicht berücksichtigt, sondern Dritte zu seinen Erben einsetzt. In diesem Augenblick sind die Abkömmlinge des Erblassers enterbt. Zu unterscheiden von dieser Enterbung ist der Verzicht. Bei diesem Erbverzicht, der zu Lebzeiten des Erblassers bei einem Notar beurkundet werden muss, verzichten beispielweise die Abkömmlinge des Erblassers oder dessen Ehegatte auf ihren gesetzlichen Erbanspruch und/oder Pflichtteilsanspruch nach dem Erblasser. Der Erblasser ist dann frei, seine letztwillige Verfügung nach seinem Geschmack zu gestalten. Sollte er in dieser letztwilligen Verfügung seine Abkömmlinge oder seinen Ehegatten nicht bedenken, so hätten diese aufgrund des Pflichtteilsverzichtes gegen den Nachlass des Erblassers keine Ansprüche. Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers sowie dessen Ehegatte und, in bestimmten Fällen, die Eltern des Erblassers.

Dass Angehörige leer ausgehen, ist in den meisten Fällen höchst unwahrscheinlich. Was regelt das Pflichtteilsrecht genau und wer ist pflichtteilsberechtigt?

Dr. Carsten Christmann: Das Pflichtteilsrecht bestimmt, dass für den Fall, dass der Erblasser, die nach ihm Pflichtteilsberechtigten in seiner letztwilligen Verfügung nicht berücksichtigt, die Pflichtteilsberechtigten nach dem Tod des Erblassers gegen dessen Nachlass einen Pflichtteilsanspruch haben. Die Höhe des Pflichtteilsanspruches ist im Gesetz geregelt. Der

Pflichtteilsanspruch ist ein Zahlungsanspruch. Er muss vom Erben des Erblassers erfüllt werden.

Nach deutschem Erbrecht gibt es Erben mehrerer Ordnungen. Können Sie uns die verschiedenen Ordnungen erklären?

Dr. Carsten Christmann: Das Gesetz kennt gesetzliche Erben erster Ordnung, zweiter Ordnung, dritter Ordnung, vierter Ordnung sowie fernerer Ordnungen. Für den Fall, dass der Erblasser keine letztwillige Verfügung errichtet hat, greift die gesetzliche Erbfolge. Der Erblasser wird dann von den gesetzlichen Erben erster Ordnung, zweiter Ordnung, dritter Ordnung, vierter Ordnung oder fernerer Ordnungen beerbt. Am häufigsten erfolgt die Beerbung durch gesetzliche Erben erster Ordnung, zweiter Ordnung oder dritter Ordnung. Gesetzliche Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge, so wird er von den gesetzlichen Erben zweiter Ordnung beerbt. Dies sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, somit die Geschwister des Erblassers und deren Kinder. Sollte es auch solche gesetzlichen Erben zweiter Ordnung nicht geben, so wird der Erblasser von den Erben dritter Ordnung beerbt. Dies sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, somit Tanten und Onkel des Erblassers sowie Cousinen und Cousins. Außerdem gibt es das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten. Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben den Verwandten der ersten Ordnung (Abkömmlingen) zu einem Viertel als gesetzlicher Erbe berufen. Neben Verwandten zweiter Ordnung oder neben Großeltern ist der Ehegatte zur Hälfte als gesetzlicher Erbe der Erbschaft berufen.

Was ist denn der Unterschied zwischen gesetzlicher und testamentarischer Erbfolge?

Dr. Carsten Christmann: Wie unter Ziffer 4. bereits kurz erwähnt, greift die gesetzliche Erbfolge nur dann, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag) errichtet hat. Gibt es eine solche letztwillige Verfügung des Erblassers, so ist die gesetzliche Erbfolge hinfällig.

Wann ist das Testament formwirksam?

Dr. Carsten Christmann: Nach deutschem Recht kann der Erblasser sein Testament handschriftlich errichten oder bei einem Notar beurkunden lassen. Für die handschriftliche Errichtung ist es erforderlich, dass der Erblasser das Testament in Gänze handschriftlich verfasst und, mit Ort und Datum versehen, unterzeichnet. Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament errichten. Hier reicht es aus, dass einer der beiden das gesamte Testament handschriftlich verfasst und beide es dann mit Ort und Datum versehen unterschreiben.

Herr Dr. Christmann, vielen Dank für das Gespräch!

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