Dr. Eckhard Besuden: Der Infektionsschutz muss gewährleistet bleiben

Interview mit Dr. Eckhard Besuden
Dr. Eckhard Besuden ist Rechtsanwalt in der Kanzlei BFMR in Konstanz. Mit ihm sprechen wir über Ablaufen der Home-Office-Pflicht, Rückkehrpflicht in den Betrieb sowie Corona-ArbeitsschutzVO.

Die Home-Office Pflicht läuft aus. Was müssen Arbeitgeber jetzt beachten?

Dr. Eckhard Besuden: Es besteht ab dem 1. Juli keine Homeoffice-Pflicht mehr, allerdings gelten weiterhin die AHA+L-Regel also Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske.

Abstand halten: Auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen oder beim Spaziergang im Park 1,5 Meter Mindestabstand zu anderen halten.

Hygiene beachten: Hygieneregeln in Bezug auf Niesen, Husten und Händewaschen befolgen.

Alltag mit Maske: Dringend empfohlen wird das Tragen von Masken an Orten, an denen es schwer werden kann, den Mindestabstand zu anderen immer einzuhalten. Zum Schutz von umstehenden Personen haben die Bundesländer eine Vorschrift für das Tragen von sogenannten OP-Masken oder auch Masken der Standards FFP2/FFP3 oder KN95/N95 im öffentlichen Personennahverkehr und beim Einkauf erlassen. Wer eine Maske trägt, sollte dennoch darauf achten, Abstand zu anderen Menschen zu halten. Aktuell müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber allen in Präsenz arbeitenden Beschäftigten zwei wöchentliche Tests anbieten. Daran wird auch über den 1. Juli hinaus festgehalten. Die Corona-ArbeitsschutzVO bleibt einstweilen bestehen. Deshalb bleiben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch zukünftig verpflichtet, die folgenden Maßnahmen umzusetzen:

Begrenzung der Beschäftigtenzahl in geschlossenen Arbeits- und Pausenräumen, Bildung von festen betrieblichen Arbeitsgruppen, das Tragen von Mund-Nasen-Schutz bei unvermeidbarem Kontakt und die Erstellung und Umsetzung von betrieblichen Hygienekonzepten.

Arbeitgeber bleiben verpflichtet, in ihren Betrieben mindestens zweimal pro Woche für alle in Präsenz Arbeitenden die Möglichkeit für Schnell- oder Selbsttests anzubieten. Ausnahmen gibt es für vollständig geimpfte bzw. von einer CoViD-19 Erkrankung genesene Beschäftigte. Die Beschäftigten sind nicht verpflichtet, die Testangebote wahrzunehmen sowie dem Arbeitgeber Auskunft über ihren Impf- bzw. Genesungsstatus zu geben. Betriebliche Hygienepläne sind wie bisher zu erstellen, umzusetzen sowie in geeigneter Weise zugänglich zu machen. Zur Umsetzung sind weiterhin die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel und die branchenbezogenen Praxishilfen der Unfallversicherungsträger heranzuziehen.

Zwar entfällt künftig die verbindliche Vorgabe einer Mindestfläche von 10 m² pro Person in mehrfach belegten Räumen und mit dem Auslaufen der Bundesnotbremse auch die strikte Vorgabe von Homeoffice. Betriebsbedingte Kontakte und die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen müssen aber auf das notwendige Minimum reduziert bleiben. Dazu kann auch weiterhin das Arbeiten im Homeoffice wichtige Beiträge leisten.

Arbeitgeber müssen mindestens medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung stellen, wo andere Maßnahmen keinen ausreichenden Schutz gewähren. Auch während der Pausenzeiten und in Pausenbereichen muss der Infektionsschutz gewährleistet bleiben.

Gibt es eine Pflicht zur Rückkehr in den Betrieb?

Dr. Eckhard Besuden: Das hängt zunächst primär von den bislang zwischen den Arbeitsvertragsparteien etwaig schriftlich geschlossenen Home-Office-Vereinbarungen ab. Hier können Kündigungsfristen etc. der Vereinbarung eine besondere Individuallage schaffen, die dem § 106 GewO vorgeht. Gibt es keine Vereinbarung, so gilt das Direktionsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 GewO. Dieses ist nicht schrankenlos, sondern unterliegt einer Billigkeitsprüfung durch das Arbeitsgericht sowie der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht. Beides zusammen kann zu sehr individuellen Ergebnissen auf diese Frage führen. Wenn der Arbeitgeber eine Rückkehr anordnet im Rahmen von gerichtlich überprüfbaren Billigkeitskriterien, so muss – unterstellt die Anordnung ist nicht unbillig – der Arbeitnehmer zurückkehren. Also grundsätzlich:

Ja. Wenn der Arbeitsvertragliche Arbeitsort der Betrieb ist (anders z.B. bei angestellten Handelsvertretern), so besteht eine Rückkehrpflicht in den Betrieb, die durch arbeitgeberseitige Anweisung gem. § 106 GewO durchgesetzt werden kann. Diese Rückkehrpflicht kann durch Abmahnung (§ 314 BGB) schlimmstenfalls bei notorischer Nichtbeachtung trotz Abmahnung durch verhaltensbedingte Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) auch sanktioniert werden. Zudem kann der Arbeitnehmer über die Betriebsrat Druck auf den Arbeitgeber ausüben. Die Zurückversetzung in das Büro bedarf gem. § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrates, soweit das HomeOffice bislang länger als 1 Monat bestand.

Können Arbeitnehmer auf Home-Office bestehen, wenn nicht alle Mitarbeiter im Betrieb geimpft sind?

Dr. Eckhard Besuden: Nein – zumal der „normale“ Arbeitgeber nicht wirklich feststellen kann, ob „alle“ Mitarbeiter im Betrieb geimpft sind. Die individuellen Datenschutzprivilegien jeden Mitarbeiters machen eine Kontrolle der Impfung „aller Mitarbeiter“ unmöglich. Ausgenommen sind nur Betriebe mit erhöhten Seuchenschutzanforderungen wie z.B. Krankenhäuser. Hier kann der Arbeitgeber aufgrund der Besonderheit der Berufssparte eine Information durchsetzen.

Was können Arbeitgeber tun, wenn sich ein Arbeitnehmer weigert, an den Arbeitsplatz zurückzukehren?

Dr. Eckhard Besuden: Abmahnen und bei notorischer Weigerung kündigen (siehe oben). Die Abmahnung und damit auch die spätere Kündigung ist aber nur gerechtfertigt, wenn die gesetzlichen, vertraglichen Vereinbarungen der Home-Office Vereinbarung berücksichtigt wurden, die Fürsorgepflicht beachtet wurde, die Interessen des Arbeitgebers der Billigkeit entsprechen und die sonstigen arbeitsrechtlichen Voraussetzungen von Abmahnung und verhaltensbedingter Kündigung vorliegen.

Ist es Arbeitgebern gestattet, von Mitarbeitern eine Impfung zu verlangen?

Dr. Eckhard Besuden: Grundsätzlich nein, wobei die Beantwortung dieser Frage in der Fachwelt sehr umstritten ist (manche Kolleginnen/en bejahen trotz Datenschutz eine Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht). Das wird für sehr weitgehend erachtet. Jedenfalls bei besonderen Berufszweigen – z.B. Anästhesieschwester auf der Intensivstation – kann auch eine Nichtimpfung informationell erfragt und sanktioniert werden. Besondere Pflichten gelten also für Personal von z.B. Krankenhäusern, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen sowie Arztpraxen. Hier ist es ein Organisationsverschulden des Arztes und seiner Einrichtung der Behandlung von Patienten durch Ungeimpfte vorzunehmen. Bei Kenntnis kann dies zudem zum Haftpflichtversicherungsausschluss führen wegen billigenden Inkaufnehmens von Patientengefährdungen (bedingter Vorsatz). Im Umkehrschluss gibt es daher für die Arbeitnehmer in diesem Bereich eine gehobene Treuepflicht, aus der sich auch eine Impfpflicht und insb. die Informationspflicht über eine Nichtimpfung ableiten lässt. Eine gesicherte Rechtsprechung besteht aktuell naturgemäß aber noch nicht.

Herr Besuden, vielen Dank für das Gespräch!

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