Dr. Ulrike Haibach: Ausschlaggebend ist das Kindeswohl

Interview mit Dr. Ulrike Haibach
Dr. Ulrike Haibach ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei Haibach Rechtsanwälte in Frankfurt am Main. Mit ihr sprechen wir über Aufenthaltsbestimmungsrecht, unerhebliche Rechtsfolge sowie Motiv für Auseinandersetzungen.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ergibt sich aus §1631 BGB und ist Teil des Sorgerechts. Was darf der Elternteil mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht?

Dr. Ulrike Haibach: Der Elternteil, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht inne hat, kann alleine entscheiden, wo bzw. in wessen Haushalt das Kind lebt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hiermit verbunden ist jedoch auch die nicht unerhebliche Rechtsfolge, für das Kind Unterhalt geltend machen zu können. Dies ist – bedauerlicherweise – gelegentlich auch ein Motiv für Auseinandersetzungen insoweit, fernab von Kindeswohl.

Im Wesentlichen regelt bei solch einem gerichtlichen Beschluss ein Sachverständigengutachten den Aufenthalt des Kindes. Spielt der Kindeswille überhaupt eine Rolle?

Dr. Ulrike Haibach: Für die Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist von Seiten des Gerichtes nicht zwingend ein Sachverständigen-Gutachten einzuholen. Dies geschieht auch nicht immer, denn das Gericht kann der Auffassung sein, aufgrund eigener Erkenntnis die Situation abschließend beurteilen zu können und verzichtet dann darauf. Hierzu ist es grundsätzlich berechtigt. In beiden Fällen jedoch – ob mit oder ohne Gutachten – ist das Kindeswohl ausschlaggebend. Um dieses beurteilen zu können, hat zwingend eine Anhörung des Kindes zu erfolgen, in deren Rahmen auch der Kindeswille Beachtung zu finden hat, dem je nach Alter und Einsichtsfähigkeit des Kindes jedoch natürlich unterschiedliches Gewicht beigemessen wird.

Welche Rolle spielt das Kindeswohl im Gerichtsbeschluss?

Dr. Ulrike Haibach: Das Kindeswohl ist das wichtigste Kriterium insoweit.

Landläufig ist die Vorstellung, dass eine Aufenthaltsbestimmung leicht geändert werden kann. Warum ist es aber in der Realität so schwer, wenn es schon einen gerichtlichen Entscheid zur elterlichen Vorsorge gibt?

Dr. Ulrike Haibach: Grundsätzlich kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht als ein Teil des Sorgerechtes keineswegs leicht geändert werden. Hier kommt es wiederum ganz entscheidend auf die Frage an, ob eine solche Änderung dem Wohl des Kindes entspricht und die damit verbundene Einschränkung des Sorgerechts des anderen Elternteiles angemessen ist. Hat es in zeitlicher Nähe zur Frage der Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht zuvor eine Entscheidung zum Sorgerecht gegeben, liegt die Vermutung nahe, dass alle diese Überlegungen bereits Eingang in diese Entscheidung gefunden haben und keine Veranlassung besteht, dies nun wieder abzuändern, es sei denn, die Gesamtlebensumstände der Familie haben sich geändert.

Doch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist nicht immer unmöglich. In welchen Fällen kann eine Aufenthaltsbestimmung auf den anderen Elternteil übertragen werden?

Dr. Ulrike Haibach: Anträge bzw. Verfahren auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kommen vor etwa bei Trennung der Eltern und deren Streit darüber, bei welchem Elternteil das Kind zukünftig leben, seinen Lebensmittelpunkt haben soll. Daneben sind auch die Fälle relevant, wenn bei bestehendem, uneingeschränktem gemeinsamem Sorgerecht der Eltern ein Elternteil mit dem Kind verziehen will, vielleicht ins Ausland und der andere Elternteil hiermit nicht einverstanden ist. Für diesen Fall ist sogar ein solcher Antrag unumgänglich, um ein Verfahren wegen Kindesentführung zu vermeiden.

Frau Dr. Haibach, vielen Dank für das Gespräch!

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