Eileen Rehfeld: Mit der Pandemie kann der Arbeitgeber keine Kündigung begründen

Interview mit Eileen Rehfeld
Eileen Rehfeld ist Fachanwältin für Arbeitsrecht. Im Interview spricht Sie über rechtliche Grundlagen für Homeoffice und Heimarbeit sowie gesetzliche Anforderungen an Corona-bedingte, betriebsbedingte Kündigungen.

Die Corona-Krise hat unseren Arbeitsalltag verändert, u.a. soll möglichst im Homeoffice gearbeitet werden. Welche arbeitsrechtlichen Vorschriften sind für Heimarbeit und Homeoffice durch Arbeitgeber dringend zu beachten?

Eileen Rehfeld: Vorauszuschicken ist zunächst, dass der Begriff der „Heimarbeit“ im rechtlichen Sinne nicht das gleiche wie das sog. Homeoffice ist, wobei auch der Begriff des Homeoffice keine feste juristische Bedeutung hat. Für die Heimarbeit im rechtlichen Sinne gibt es ein sehr altes Gesetz, das sog. Heimarbeitsgesetz. Die darin geregelte Heimarbeit ist aber etwas völlig anderes und für das in der heutigen Zeit gemeinte Arbeiten im Homeoffice nicht einschlägig.

Mobiles Arbeiten bzw. Homeoffice im umgangssprachlichen Sinn kann es in unterschiedlichen Formen geben, z. B. dass der Arbeitnehmer dauerhaft zu Hause an einem vom Arbeitgeber eingerichteten und mit Mobiliar ausgestatteten Arbeitsplatz (sog. häusliche Telearbeit) arbeitet. Der Regelfall, und in diesem Sinne ist Homeoffice überwiegend gemeint, wechselt der Arbeitsnehmer nach Absprache mit seinem Arbeitgeber zwischen seinem betrieblichen und häuslichen Arbeitsplatz. Denkbar ist ferner, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, an einem von ihm gewählten Ort (z.B. Café) zu arbeiten.

Für die Arbeit im sog. Homeoffice gelten im Grunde die gleichen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Vereinbarungen wie bei einer Tätigkeit im Büro. Solche arbeitsrechtlichen Vorschriften sind Gesetze (z.B. Bundesurlaubsgesetz, Arbeitszeitgesetz, Entgeltfortzahlungsgesetz etc.), auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifverträge, aber auch die individuellen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, z.B. zum zeitlichen Umfang der Tätigkeit, sowie betriebliche Regelungen (Betriebsvereinbarungen). Schließlich hat auch im Homeoffice der Arbeitgeber nach wie vor das Weisungsrecht (§ 106 Gewerbeordnung).

Neben diesen Vorschriften, die in der Regel das Arbeitsverhältnis inhaltlich ausgestalten, gibt es weitere, zumeist öffentlich-rechtliche Vorschriften, die z.B. Regelungen zum Arbeitsschutz oder zum Datenschutz vorsehen. Auch diese sind bei einer Tätigkeit im Homeoffice weiterhin einzuhalten.

Aufgrund der engeren Verknüpfung von Arbeits- und Privatsphäre sind sicherlich die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes mit den darin geregelten Höchstarbeitszeiten aber auch die vom Arbeitgeber erteilten Weisungen zur Organisation der neuen Arbeitsabläufe im Homeoffice (z.B. Weisung des Arbeitgebers an Online-Meetings teilzunehmen) Regelungen, auf die beide Seiten im Rahmen einer Homeoffice-Tätigkeit in der Regel am dringendsten zu achten haben. Ungeachtet dessen sollten sich Arbeitgeber aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht unbedingt an Arbeitsschutzvorgaben und insbesondere an die vom BMAS empfohlenen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards halten. Nach dem Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgeber ausdrücklich dazu verpflichtet, bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes den Stand der Technik, die Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.

Müssen Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice ermöglichen oder handelt es sich ausschließlich um ein freiwilliges Entgegenkommen?

Eileen Rehfeld: Anders als z. B. in den Niederlanden gibt es hierzulande bisher keinen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Tätigwerden im Homeoffice. Jedoch sehen Tarifverträge mitunter die Möglichkeit vom heimischen Schreibtisch aus zu arbeiten, vor, sofern die jeweilige Tätigkeit bzw. die betrieblichen Abläufe dies erlauben. Fehlt es an einer solchen tariflichen Regelung, muss das Tätigwerden im Homeoffice zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung sollte nicht nur eine lose mündliche Absprache sein, vielmehr sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer wichtige Punkte wie z. B. die Dauer des Homeoffice, Erreichbarkeiten oder Kostentragung schriftlich fixieren.

Ohne eine solche Vereinbarung kann weder der Arbeitgeber einseitig Homeoffice gegen den Willen des Arbeitnehmers anordnen, noch kann der Arbeitnehmer von sich aus ohne Absprache mit dem Arbeitgeber einfach von zu Hause aus arbeiten. Daran ändert auch die aktuelle Pandemie-Situation nichts, denn aufgrund seines Weisungsrechtes ist es nach wie vor Sache des Arbeitgebers, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Arbeit im Homeoffice bedarf also stets einer konkreten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Ermöglicht der Arbeitgeber kein Homeoffice oder lassen die betrieblichen Abläufe das Arbeiten von zu Hause aus nicht zu, muss der Arbeitgeber bei einer Tätigkeit am betrieblichen Arbeitsplatz jedoch sämtliche Arbeitsschutzvorschriften, wozu auch der Schutz vor Ansteckung mit dem Corona-Virus gehört, beachten und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Viele Arbeitgeber nutzen die Corona-Krise als Begründung für Kündigungen. Ist dieses Argument grundsätzlich haltbar?

Eileen Rehfeld: Mit der Pandemie-Situation an sich kann der Arbeitgeber keine Kündigung begründen, denn diese führt nicht zwangsläufig zum Wegfall von Arbeitsplätzen. Die Corona-Situation kann aber der Anlass für eine daraufhin konkret vom Arbeitgeber getroffene unternehmerische Entscheidung sein, Arbeitsplätze dauerhaft abzubauen. Eine derartige unternehmerische Entscheidung kann dann durchaus Grundlage einer betriebsbedingten Kündigung sein.

Unter welchen Umständen kann die Corona-Krise als Begründung für eine betriebsbedingte Kündigung angeführt werden?

Eileen Rehfeld: Führt die Pandemie-Situation beispielsweise zu einem Rückgang des Umsatzes oder zu Auftragsverlusten und entschließt sich der Arbeitgeber daraufhin zu einer konkreten Maßnahme, die wiederum zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen führt, kann dies ein betriebsbedingter Kündigungsgrund sein. Eine solche Maßnahme des Arbeitgebers kann z.B. die dauerhafte Schließung eines Standortes, einer Filiale oder ähnliches sein. Aber auch die Entscheidung des Arbeitgebers, die zu erledigende Arbeit dauerhaft anders zu organisieren, z.B. mit weniger Mitarbeitern, oder bestimmte Arbeiten zukünftig fremd zu vergeben, kann Grundlage einer betriebsbedingten Kündigung sein.

Das Vorliegen betriebsbedingter Gründe genügt jedoch noch nicht für eine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dafür müssen weitere Voraussetzungen, wie z. B. die Durchführung einer sog. Sozialauswahl und das Fehlen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten erfüllt sein. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung darf stets nur das allerletzte Mittel sein.

Was sollten Arbeitnehmer unternehmen, die eine betriebsbedingte Kündigung mit Verweis auf die Auswirkungen der Corona-Krise erhalten haben?

Eileen Rehfeld: Wie bei jeder Kündigung des Arbeitsverhältnisses muss sich der Arbeitnehmer frühzeitig überlegen, ob er gegen die Kündigung gerichtlich vorgehen will, ggf. sollte er sich rechtzeitig beraten lassen. Dies gilt unabhängig vom Kündigungsgrund. Für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht hat der Arbeitnehmer nur drei Wochen Zeit. Danach ist die Kündigung wirksam und kann im Regelfall nicht mehr angegriffen werden. Die Kündigungsschutzklage kann durch eine/n Rechtsanwältin/-anwalt erhoben werden oder auch durch den betroffenen Arbeitnehmer selbst.

Frau Rehfeld, vielen Dank für das Gespräch.

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