Ernst Dietzfelbinger: Einbürgerungsrecht und Ausländer-Asylrecht sind kompliziert und unsystematisch aufgebaut

Interview mit Ernst Dietzfelbinger
Ernst Dietzfelbinger ist Fachanwalt für Migrationsrecht bei der Kanzlei Ledertheil & Kunert-Boltz. Im Interview spricht er über die Probleme bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen für High Potentials und rät frühzeitig einen Fachanwalt zu konsultieren.

Das Einbürgerungsrecht stellt bei der Rekrutierung von High Potentials ein Handycap dar. Wann sollte ich mir als Migrant einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder Migrationsrecht zur Unterstützung holen? 

Ernst Dietzfelbinger: Anwalt von Anbeginn an hinzuziehen. Das Einbürgerungsrecht wie auch das Ausländer-Asylrecht ist allzu kompliziert und unsystematisch aufgebaut. Spätestens beim ersten Antwortschreiben der Behörde bedarf es wegen verschiedenster Hinweise auf Paragraphen und Vorschriften allein schon aus gesundem Misstrauen heraus anwaltlicher Hilfe.  Der Anwalt von Beginn an berät und kennt die notwendigen Formulierungen für anzufertigende Schreiben.

Gibt es eine unterschiedliche Rechtsprechung zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung zwischen Fachkräften (z.B. IT-Spezialisten) und gewöhnlichen Arbeitskräften aus dem Ausland?

Ernst Dietzfelbinger: Die Rechtsprechung orientiert sich an den gesetzlichen Vorgaben bzw. bisheriger Rechtsprechung z.B. zum Aufenthaltsgesetz oder der Beschäftigungs-VO. Es ist eher die Frage, welcher Paragraph auf welchen Bewerber/Fachkraft anzuwenden ist.

Ist eine solche Arbeitsgenehmigung zeitlich begrenzt oder unbegrenzt?

Ernst Dietzfelbinger: Die Dauer der Arbeitsgenehmigung richtet sich nach der Dauer der Aufenthaltserlaubnis.

Nach welchen Kriterien beurteilt die Bundesagentur für Arbeit, ob ein Antrag auf Arbeitserlaubnis genehmigt wird?

Ernst Dietzfelbinger: Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG), § 39 Zustimmung zur Beschäftigung:

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung setzt die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, es sei denn, die Zustimmung ist kraft Gesetzes, auf Grund der Beschäftigungsverordnung oder Bestimmung in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht erforderlich. Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn dies durch ein Gesetz, die Beschäftigungsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist.

(2) Die Bundesagentur für Arbeit kann der Ausübung einer Beschäftigung durch eine Fachkraft gemäß den §§ 18a oder 18b zustimmen, wenn

1. sie nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird,

2. sie

a) gemäß § 18a oder § 18b Absatz 1 eine Beschäftigung als Fachkraft ausüben wird, zu der ihre Qualifikation sie befähigt, oder

b) gemäß § 18b Absatz 2 Satz 2 eine ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung ausüben wird,

3. ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegt und,

4. sofern die Beschäftigungsverordnung nähere Voraussetzungen in Bezug auf die Ausübung der Beschäftigung vorsieht, diese vorliegen.

Die Zustimmung wird ohne Vorrangprüfung im Sinne des Absatzes 3 Nummer 3 erteilt, es sei denn, in der Beschäftigungsverordnung ist etwas anderes bestimmt.

(3) Die Bundesagentur für Arbeit kann der Ausübung einer Beschäftigung durch einen Ausländer unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft zustimmen, wenn

1. der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird,

2. die in den §§ 19, 19b, 19c Absatz 3 oder § 19d Absatz 1 Nummer 1 oder durch die Beschäftigungsverordnung geregelten Voraussetzungen für die Zustimmung in Bezug auf die Ausübung der Beschäftigung vorliegen und

3. für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen (Vorrangprüfung), soweit diese Prüfung durch die Beschäftigungsverordnung oder Gesetz vorgesehen ist.

(4) Für die Erteilung der Zustimmung hat der Arbeitgeber der Bundesagentur für Arbeit Auskunft über Arbeitsentgelt, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen zu erteilen. Auf Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit hat ein Arbeitgeber, der einen Ausländer beschäftigt oder beschäftigt hat, eine Auskunft nach Satz 1 innerhalb eines Monats zu erteilen.

(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten auch, wenn bei Aufenthalten zu anderen Zwecken nach den Abschnitten 3, 5 oder 7 eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Ausübung einer Beschäftigung erforderlich ist.

(6) Absatz 3 gilt für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung entsprechend. Im Übrigen sind die für die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit geltenden Rechtsvorschriften auf die Arbeitserlaubnis anzuwenden, soweit durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist. Die Bundesagentur für Arbeit kann für die Zustimmung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Saisonbeschäftigung und für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung am Bedarf orientierte Zulassungszahlen festlegen.

Macht es Sinn für Arbeitssuchende, die aus dem Ausland gekommen sind, gegen einen ablehnenden Bescheid Widerspruch einzulegen?

Ernst Dietzfelbinger: Widerspruch bzw. Klage macht immer Sinn, doch ist es dann eine Frage der Zeit, da der Klageweg zum Verwaltungsgericht sehr zeitintensiv – viele Monate, mehr als ein Jahr oder noch länger – ist. In sehr vielen Fällen dürfte dann das Interesse des Arbeitgebers am Migranten als Arbeitnehmer entfallen sein.    

Wer trägt die Kosten für einen Fachanwalt und mit welchen Kosten kann man in der Regel rechnen?

Ernst Dietzfelbinger: Der Anwalt selbst; gut und gerne, je nach Anbieter und Veranstaltungsort (Hotel/Übernachtung), Zeitaufwand, Gebühren, ca. 3.500 Euro + jährliche Fortbildungen (ca. 1.000 bis 1.500,00).

Deutschland verspricht Fachkräften aus dem Ausland eine sofortige Arbeitsaufnahme. Geht dieser Schritt wirklich reibungslos vonstatten?

Ernst Dietzfelbinger: Das ist bei dem Ganzen Bürokratismus zu bezweifeln. Eine Willkommenskultur gibt es nicht mehr, vielmehr wird ‚Abwimmeln‘ praktiziert; immer neue Anforderungen. Und: Coronabedingt Arbeit nur im Notdienst.

Es ist zu beachten, ob Migranten oder Angehörige der EU-Mitgliedsstaaten zur Arbeitsaufnahme einreisen wollen. Für Letztere gilt die Freizügigkeitsrichtlinie. Ebenso gibt es Erleichterungen durch das deutsch/türkische Assoziierungsabkommen.

Herr Dietzfelbinger, vielen Dank für das Gespräch.

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