Guido Rasche: Systemrelevanz des Finanzsektors

Interview mit Guido Rasche
Guido Rasche ist Rechtsanwalt in der KANZLEI AM STADTGRABEN in Münster. Mit ihm sprechen wir über Stresstest für Bankinstitute, ständige Überprüfungen sowie Verschärfung der wirtschaftlichen Lage.

Die europäische Bankenaufsicht hat ein Jahr später als geplant die Bankinstitute einem Stresstest unterzogen. Warum testet die EBA später als geplant?

Guido Rasche: Der Stresstest wurde pandemiebedingt zeitlich verlagert, weil etwaige Sonderbelastungen der Kreditwirtschaft durch die Pandemie nicht die Ergebnisse verzerren sollten.

Warum ist es wichtig, dass Banken andauernd überprüft werden?

Guido Rasche: Spätestens seit der Finanzkrise 2007/2008 ist allgemein erkannt worden, welche Systemrelevanz dem Finanzsektor zukommt. Da seinerzeit erhebliche öffentliche Mittel zur Stabilisierung dieses Sektors eingesetzt werden mussten, soll nun sichergestellt werden, dass die Kreditwirtschaft auch in Krisenzeiten selbst in der Lage ist, ihre Funktionen aufrecht zu erhalten.

Sind die europäischen Banken Ihrer Meinung nach ausreichend für eine Verschärfung der wirtschaftlichen Lage aufgrund der Pandemie vorbereitet? Wie sehr leiden Geldinstitute überhaupt unter der Pandemie?

Guido Rasche: Die ersten Erfahrungen zeigen, dass eine Insolvenzwelle ausbleiben wird und die Kreditausfälle auch angesichts der Eigenkapitalstärkungen der Banken und Sparkassen beherrschbar sind. Daher sind keine besonderen Pandemiebelastungen für den Finanzsektor eingetreten, noch aktuell zu befürchten.

EBA-Tests prüfen Banken besonders in Krisenszenarien. Doch können Liquiditätspuffer der Banken überhaupt für Extremszenarien wie einen weltweiten, Corona-bedingten Wirtschaftseinbruch reichen oder muss im Zweifel wieder der Steuerzahler die Banken retten?

Guido Rasche: Die Annahmen des Stresstest beinhalteten, dass die EU-Wirtschaft bis 2023 regelmäßig um 3,6 % schrumpft, dass die Arbeitslosenzahl deutlich steigt und die Immobilienpreise nachhaltig einbrechen. Dies dürften bereits harte Stresskriterien sein, die von keinem Wirtschaftsforschungsinstitut als real bevorstehendes Szenario angenommen werden. Daher ist der Stresstest schon eine aussagekräftige außergewöhnliche Belastungsannahme. Es handelt sich aber natürlich nicht um einen Vollkaskotest, so dass darüberhinausgehende Verschlechterungen des wirtschaftlichen Umfelds immer die Funktionsweise der Kreditwirtschaft beeinflussen kann. Das ist aber gewollt und Bestandteil des Prinzips der Marktwirtschaft. Würden Banken noch höhere Rücklagen als Liquiditätspuffer vorhalten müssen, wird der Spielraum der weiteren Kreditvergabe eingeengt, wodurch die unstreitig gebotenen Investitionen gehemmt werden. Es ist wie immer im Leben ein Abwägen gegenläufiger Interessen, hier der Schonung der öffentlichen Haushalte vs. Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität und Krediten.

Herr Rasche, vielen Dank für das Gespräch!

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